Lehrstunde für Salzburg: Wie es nach dem Debakel in München weitergeht
"Es schmerzt, sich so aus der Champions League zu verabschieden", gab Salzburg-Trainer Matthias Jaissle zu. Das 1:7 in München war nicht irgendeine Niederlage. Es war eine, die Spuren hinterlassen hat. Doch wie konnte es so weit kommen, wo nach dem 1:1 im Hinspiel die Hoffnungen doch so groß waren? "Wir haben es einfach nicht geschafft, die Tugenden aus dem Hinspiel auf den Platz zu bringen", analysierte Jaissle. Die Corona-Probleme in der Vorbereitung wollte er nicht als Ausrede hernehmen. "Aber man hat schon gesehen, dass der eine oder andere nicht bei 100 Prozent war."
Einen weiteren Grund für die höchste Europacup-Niederlage eines österreichischen Klubs seit 1990 (Real Madrid – FC Tirol 9:1) lieferte Bayern-Coach Julian Nagelsmann: "Es war schon außerordentlich gut heute", lobte er seine Mannschaft. "Das war ein Gegner auf einem anderen Niveau", pflichtete ihm Bullen-Verteidiger Rasmus Kristensen bei. Haben er und seine Kollegen zu viel gewollt? Kristensen winkt ab: "Wir waren einfach schlecht."
Die befürchtete Medienschelte für den "Ösi-Meister" blieb am Tag nach der Pleite aus. Salzburg wurde in den deutschen Gazetten kaum erwähnt, sie konzentrierten sich auf Bayerns Helden, allen voran natürlich auf den Mann, der mit seinem "Blitz-Hattrick" den Triumph eingeleitet hatte: "Lewandowski-Festspiele", schrieb etwa die Abendzeitung.
Leere nach dem Debakel
Salzburgs Sportdirektor Christoph Freund ärgerte, dass man "am Schluss noch das eine oder andere Tor herschenkte". Dass die Mannschaft Zeit braucht, um dieses Debakel zu verdauen, sei klar: "In den nächsten Tagen ist natürlich eine Leere da, aber dann müssen wir wieder aufstehen."
Bei aller Enttäuschung dürfe man aber auch nicht vergessen, dass Salzburg in der Königsklasse als erster österreichischer Verein die K.-o.-Phase erreicht hat. "Ich möchte dennoch ein Lob an die Truppe richten, wir haben Historisches geschafft. Das darf man – auch wenn es blöd klingt – auch nach so einem Abend nicht vergessen", merkte Jaissle an. Maximilian Wöber nickte: "Trotzdem dürfen wir uns unsere Champions-League-Saison, die richtig, richtig cool war, und wo wir richtig gute Spiele gezeigt haben, nicht schlechtreden lassen." Sportdirektor Freund blickt bereits in die Zukunft: "Wichtig ist, dass wir jetzt die zwei Titel holen. Dann haben wir eine richtig gute Saison gespielt."
Verständlich, dass er nach dem Debakel von einer "Lehrstunde" sprach. Aber was lernt die junge Salzburger Mannschaft eigentlich daraus? Für die nationalen Bewerbe ist die Klasse groß genug, dass es keine Auswirkungen haben wird. Am Sonntag startet der überlegene Tabellenführer mit dem Heimspiel gegen Sturm Graz in die Meistergruppe. Alles andere als ein Sieg der Bullen wäre eine Überraschung. Auch direkt nach dem bitteren Ende in der Königsklasse.
Ein Zerfall droht
Und international? Da wird Salzburg in dieser Form nicht mehr auftreten. Die Mannschaft wird nach der Saison wohl auseinanderfallen. Spieler wie Karim Adeyemi, Noah Okafor, Brenden Aaronson, Mo Camara, Luka Sucic und Nicolas Seiwald stehen vor dem Absprung. Sie haben sich vor allem in der Champions League bei den Siegen gegen Sevilla, Lille und Wolfsburg, aber auch im Hinspiel gegen die Bayern empfohlen.
Der misslungene Auftritt in München wird am Interesse namhafter Klubs aus großen Ligen nichts mehr ändern. Auch Trainer Matthias Jaissle könnte schon im Sommer den Sprung in eine Top-Liga wagen. Die Türen stehen ihm wohl vor allem in Richtung seiner Heimat Deutschland offen.