Politik/Inland

Kogler mit 94,5 Prozent zum grünen Spitzenkandidaten gewählt

Der Ministerrat wurde abgesagt, die ÖVP-Energie-Landesräte wollten sich auch nicht mit ihr zusammensetzen - aber hier, in der Expedithalle der Alten Ankerfabrik in Wien, wird sie gefeiert wie eine Heldin: Leonore Gewessler, grüne Klimaministerin. 

"Danke für das Renaturierungsgesetz", ruft ihr Judith Pühringer, Landesparteichefin in Wien, bei der Eröffnung des Grünen Bundeskongress' von der Bühne zu. "Du hast diese Woche Grüne Geschichte geschrieben." 

Standing Ovations für Gewessler, Spott für die ÖVP, die sich wohl "nicht trauen" würde und deren "Gefühle" verletzt worden seien. 

Beim heutigen "Wahl-Buko" wird die Liste für die Nationalratswahl gewählt, die Klimaministerin kandidiert auf Platz 2 hinter Werner Kogler

"Epizentrum der reformresistenten Blockadepolitik"

"Jetzt ist schon wieder was passiert", beginnt der Parteichef und Vizekanzler seine Rede. "Österreich hat gestern gewonnen", sagt Kogler und meint das EM-Spiel gegen Polen. 

"Und Anfang der Woche hat der Naturschutz gewonnen", sagt er und meint das EU-Renaturierungsgesetz. Und er versichert den 225 anwesenden Delegierten: "Jeder Schritt war wohlüberlegt und rechtlich untermauert." Dass der Verfassungsdienst das ganz anders sah, wischt er weg. Dieser sei "kein Gott, neben dem kein anderer existieren kann". 

Die Grünen hätten tatsächlich ihr wahres Gesicht gezeigt, zitiert Kogler ironisch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), und die richtigen Entscheidungen getroffen: "Es ist eben so, wir sind die Natur- und Klimaschutzpartei, und wohl die einzige." 

Wenn es um Verantwortung gehe, hätten die Grünen "nicht nur ein heißes Herz, sondern auch einen kühlen Kopf". Daher gehe er davon aus, dass die Regierungszusammenarbeit bei zum Herbst korrekt weitergehen werde.

Es gebe immer ein paar, so Kogler, die sich zum "Epizentrum der reformresistenten Blockadepolitik" machen würden. "Das sind Auseinandersetzungen, die wir führen müssen, die wir geführt haben." 

Es folgt eine Aufzählung der grünen Errungenschaften in der Regierung (Klimaticket, Informationsfreiheit, Valorisierung der Sozialleistungen, ökosoziale Steuerreform etc.) und ein "Programm-Rap" mit mehr oder weniger Erwartbarem: Weitere Initiativen im Klimaschutz und für Ernährungssicherheit, das Ende der Abhängigkeit von russischem "Blut-Gas" inklusive U-Ausschuss sowie Projekte gegen Altersarmut bei Frauen und gegen Kinderarmut nehmen sich die Grünen unter anderem vor. Und freilich wolle man "eine Brandmauer gegen Rechtsextreme" sein. "Da kann man sich auf uns verlassen."

Kogler: "Ich kann's, ich will's"

Auch an seiner Motivation lässt der 62-Jährige, der die Partei nach ihrem Rauswurf aus dem Nationalrat 2017 übernommen und sie 2019 in die Bundesregierung gebracht hat, keine Zweifel: "Wahlkampf: Ich kann's, ich will's." 

So richtig in Schwung kommt die Menge bei Koglers Rede nicht, bei der Abstimmung über seine Spitzenkandidatur kommt er dann auf 94,5 Prozent. Vor fünf Jahren hat Kogler noch eine 98,6-prozentige Zustimmung seiner Partei verzeichnen können.

Gewessler: "Ich meine es verdammt ernst"

Im Anschluss betritt Gewessler die Bühne - und beginnt mit einem kurzen Rückblick, als sie 2019 von Global 2000 zu den Grünen gekommen, auf Platz 2 hinter Kogler kandidiert und schließlich Klimaministerin geworden ist. 

"In der Koalition hat die ÖVP gedacht, uns kleinen Grünen zeigt sie, wie der Laden läuft", sagt sie. Kunstpause, Lachen im Saal. Letztendlich, so Gewessler, hätten die Grünen aus der Regierungsbeteiligung "richtig viel herausgeholt". 

Die Abstimmung zum EU-Renaturierungsgesetz habe gezeigt, "dass es sich im entscheidenden Moment auszahlt, wenn Grüne mitreden". "Im entscheidenden Moment sieht man nämlich, ob das ernst gemeint ist mit den grünen Wiesen und den fruchtbaren Äckern, oder ob das nur Sonntagsreden sind", sagt Gewessler. 

"Und ich meine es verdammt ernst." Tosender Applaus. 

Der Job der Klimaministerin sei der schönste der Welt, versichert sie, "und ich will weiterkämpfen, denn es gibt noch viel zu tun". 

Mit 98,1 Prozent wählten die Delegierten Gewessler dann auf Platz 2 der Bundesliste. 

Auf Platz 3 folgt Justizministerin Alma Zadić, die mit 98,5 Prozent gewählt wurde. 

81,9 Prozent stimmten für Klubchefin Sigrid Maurer auf Platz 4. 

Noch schlechter ist das Ergebnis für Olga Voglauer: 73,5 Prozent der Delegierten schenkten der Geschäftsführerin ihr Vertrauen. 

Auf Platz 6 erhielt Markus Koza 93,7 Prozent, Nina Tomaselli auf Platz 7 dann 95,2

Gewessler hat am Montag gegen den Willen der ÖVP für das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt und damit für ihre Partei rechtzeitig zum Wahlkampf das Mäntelchen des gefügigen kleinen Koalitionspartners abgeschüttelt. 

Die Causa Lena Schilling ist damit deutlich in den Hintergrund getreten.

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Bei der letzten Nationalratswahl 2019 erreichten die Grünen 13,9 Prozent, in Umfragen liegt die nunmehrige Regierungspartei allerdings weit darunter. Ziel ist für Kogler dennoch eine weitere Regierungsbeteiligung, wie er zuletzt betont hat.