Politik/Inland

Die SPÖ am Tiefpunkt

Zwei Nächte, nachdem alles erledigt schien, nachdem er sich – Tränen in den Augen – auf dem Parteitag geschlagen gegeben hatte, stand Andreas Babler Montagabend an einem Rednerpult im Parlamentsklub der SPÖ und war plötzlich: Parteichef.

Drei Stunden zuvor hatte Michaela Grubesa den Traiskirchner Bürgermeister angerufen. Grubesa ist Chefin der SPÖ-Wahlkommission. Sie hat am Samstag Hans Peter Doskozil in Linz zum Sieger und damit zum SPÖ-Vorsitzenden erklärt.

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Jetzt musste sie Babler beibringen, dass ihre Kommission einen fatalen Fehler begangen hatte: Die Ergebnisse waren vertauscht worden. Nicht Doskozil, sondern er, Babler, sei der Sieger. Kurz darauf machte Grubesa die Panne in einer hastig einberufenen Pressekonferenz publik.

Warten auf Dienstag

Wie es dazu kommen konnte, dass laut Grubesa nun 317 gültige Stimmen auf Babler und nur 280 auf Doskozil entfallen konnten, soll sich heute, Dienstag, weisen.

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Glaubt man der Wahlkommission, dann ist die Abstimmung am Samstag zwar völlig korrekt abgelaufen. Allerdings sollen bei der Zuordnung der Excel-Tabellen einfach die Namen vertauscht worden sein. Babler wurde zu Doskozil, Doskozil zu Babler. Für „Leider-doch-nicht“-Parteichef Doskozil war die Sache Montagabend klar: Er gestand die Niederlage sofort ein und verkündete seinen Rückzug aus der Bundespolitik. Auch wesentliche Funktionäre wie Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig gratulierten Babler sofort zum Sieg.

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Der 50-jährige Regionalpolitiker Babler scheint all dem, was sich da am Montag in der Parteizentrale in der Löwelstraße zugetragen hat, aber nicht so recht zu trauen.

Denn zumindest akzeptierte er das Ergebnis nicht sofort und wollte es noch einmal genau wissen: „Ich möchte die Wahlkommission als Gremium ersuchen, die Stimmen erneut zu überprüfen“, sagte Babler in einer ersten Reaktion.

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Das bedeutet: Die Wahlkommission muss den gesamten Vorgang und die Stimmen noch einmal komplett auszählen. Und erst wenn

völlige Transparenz und Klarheit darüber herrsche, dass er, Babler, tatsächlich der Sieger der Kampfabstimmung sei, wolle er das Amt und die ihm von den Delegierten übertragene Verantwortung übernehmen.

Bis dahin blieb dem Parteichef in spe nur eines: die Entschuldigung. „Ich möchte mich für das Bild, das Teile unseres Apparats abgegeben haben, entschuldigen.“ Der Montag stelle den „Tiefpunkt“ für die Sozialdemokratie dar. Das tue ihm nicht nur für Doskozil, sondern für die gesamte Bewegung leid.

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Hämische Reaktionen

Welch desaströses Bild die SPÖ und ihre Institutionen abgeben, bemisst sich an den teils hämischen Reaktionen der politischen Mitbewerber: „Wer keine Wahlen organisieren kann, wird auch keine gewinnen“, meinte Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos via Twitter.

Für ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker versinkt die SPÖ im „völligen Chaos“. Und Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer verschickte kurzerhand eine Korrektur der Aussendung von Samstag – darin war lediglich der Name Hans Peter Doskozil durch Andreas Babler ersetzt. Der restliche Text blieb inklusive Gratulation zum Parteivorsitz und Aufruf an die Sozialdemokratie, wieder zur Sachpolitik zurückzukehren, gleich.

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Dass bei der Auszählung der Stimmen prinzipiell etwas schief gelaufen sein könnte, fiel während des Parteitags zuerst ORF-Moderator Martin Thür auf. Beim falschen Endergebnis hatte Doskozil 316, Babler 279 Stimmen erreicht. Ergibt: 595 gültige Stimmen. Die Wahlkommission verkündete damals jedoch, dass 596 gültige Stimmen abgegeben worden seien.

Trotz dieses seltsamen Fehlers war am Wochenende noch nicht klar, ob die Wahlkommission noch einmal nachzählt. Grubesa meinte am Sonntag, es sei nicht feststellbar, wem besagte Stimme gehöre.

Wie kam es dazu? Weiterhin unklar. Die erneuerten Zahlen der Wahlkommission gaben Montagabend weitere Rätsel auf. Etwa, wie viele Delegierte tatsächlich abgestimmt haben. Doskozil meinte, Montagvormittag Gerüchte vernommen zu haben, das etwas nicht stimme. Neuerlich ausgezählt wurde laut Grubesa am Nachmittag.

Babler blieb in der bescheidenen Lage nur zwei Dinge übrig: ein Versprechen und ein Appell. „Ich werde am völligen Comeback der Partei arbeiten.“ An „alle alteingesessenen und neuen Mitglieder“ richtete er die Bitte: „Bleibt dabei, helft mit!“

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