ÖVP-Wahlkampffinale mit reichlich FPÖ-Schelte, aber ohne Nehammer
Von Josef Gebhard
Etwas eigenwillige Wege beschritt die ÖVP bei ihrer Schlusskundgebung für den EU-Wahlkampf: Als einzige Partei ging sie schon am Donnerstag ins Finale, während die anderen erst wie üblich am Freitag ihre Events abhalten werden.
Und als einzige Partei verzichtete die ÖVP auf den Auftritt ihres Parteichefs. Bei der verhältnismäßig kleinen und kurzen Veranstaltung – halb Kundgebung, halb Pressekonferenz - vor der Parteizentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse sprachen Spitzenkandidat Reinhold Lopatka und Generalsekretär Christian Stocker, nicht aber Bundeskanzler Karl Nehammer. Er war stattdessen bei der Verabschiedung des Fußball-Nationalteams auf dem Heldenplatz.
Warum Nehammer fehlte
Schon wurden Stimmen laut, der Kanzler würde sich aufgrund des vorhergesagten desaströsen Wahlergebnisses absentieren. Eine seiner Sprecherinnen bestreitet das: „Anlässlich des Festakts zum 90. Geburtstag von Alois Mock hatten wir bereits am Dienstag eine inoffizielle Schlussveranstaltung. Dort hielt Nehammer die Festrede.“
Und so durfte Stocker am Donnerstag Wahlkampf-Bilanz ziehen: „In allen Gesprächen haben wir eine gute Stimmung für unsere Ideen und unseren Spitzenkandidaten mitgenommen. Jetzt geht es darum, die Stimmung in Stimmen umzuwandeln“, so der Parteimanager vor Unterstützern und Wahlkampf-Helfern.
Scharfe Attacken gegen die FPÖ
Er skizzierte noch einmal die für ÖVP-Verhältnisse bemerkenswert europakritische Linie in diesem Wahlkampf: „Wir sind die Europapartei, aber wir wollen ein besseres Europa. Also Klimaschutz mit Hausverstand, Technologieoffenheit, Freiheit statt Verbote sowie Wettbewerbsfähigkeit vor allem für unsere Landwirtschaft.“
Die FPÖ wolle hingegen Europa abschaffen. „Wir wollen aber auch keine Schuldenunion und Zentralismus wie die SPÖ und auch keine Vereinigten Staaten von Europa“, so Stocker.
Das türkise Wahlziel? „Wir streben Platz eins an. Für uns ist es ein gutes Ergebnis, wenn wir wieder mit fünf Mandaten vertreten sind.“
Spitzenkandidat Lopatka griff vor allem die Blauen an: „Die FPÖ will tatsächlich dieses Projekt zerstören. Sie hat zwei Mal im Nationalrat den Antrag eingebracht, dass Österreich seine Beiträge nicht mehr zahlen soll. Sie hat über den Brexit gejubelt und gleich danach einen Antrag auf eine Volksabstimmung zum Austritt eingebracht. Die FPÖ ist mit der AfD in Österreich isoliert. Um etwas durchzusetzen, braucht man aber ein Netzwerk.“
Lopatka: "Wollen EU besser machen"
Lopatka weiter: „Die EU ist gut unterwegs, wir wollen sie aber besser machen.“ Als Beispiel nannte er die Bestrebungen, im Sinne des Klimaschutzes möglichst viel Verkehr von Straße auf die Schiene zu verlagern. „Das geht nur mit einem gemeinsamen europäischen Regelwerk. Hier ist mehr Europa nötig. Auch beim Gasmarkt und Finanzmarkt. Aber nicht für den Kleinkram.“
Nach einer halben Stunde war die Kundgebung bereits wieder vorbei. Einen öffentlichkeitswirksamen Wahlkampf-Auftritt hat Nehammer am Freitag dann doch noch. Er bekommt Besuch von EVP-Spitzenkandidatin und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Häme kam von der SPÖ: „Der trostlose Wahlkampfabschluss der Volkspartei an einem Donnerstag-Vormittag vor einer Handvoll ÖVP-Mitarbeitern zeigt, dass die ÖVP die Europawahl schon vor dem Wahltag aufgegeben hat", ätzte Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim. Weder ÖVP-Chef Nehammer noch die ÖVP-Minister haben Zeit für ihre Partei und ihren Spitzenkandidaten übrig."