Politik/Inland

Kickl sieht linke Cancel Culture, ÖVP schließt Koalition erneut aus

Blau-Türkis, Türkis-Rot-Pink: Wer soll Österreich in den kommenden fünf Jahren regieren? Weil die ersten Gespräche der Parteichefs mit dem Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen noch keine klare Tendenz gezeigt haben sollen, ziehen FPÖ, ÖVP und SPÖ diese Woche eine Extra-Runde. Damit hat sie der Bundespräsident beauftragt, statt - wie üblich - dem Walsieger den Regierungsauftrag zu erteilen.  Er wünsche sich nämlich "Klarheit".

Am Dienstag sprechen ÖVP-Chef Karl Nehammer und SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler miteinander, zudem trifft Nehammer auch FPÖ-Chef Herbert Kickl. Babler und Kickl reden dann noch am Donnerstag. Kickl gab am Montag, um 11 Uhr, vorab eine Pressekonferenz, bei der keine Journalisten-Fragen zugelassen waren.

Kickl: "ÖVP und SPÖ wollen sich selber retten"

Eingangs lobte er das "historische Ergebnis" der FPÖ bei der Landtagswahl in Vorarlberg, wo die Blauen um 14 Prozentpunkte auf rund 28 Prozent zulegen konnten. "Die blaue Erfolgswelle rollt weiter", so Kickl. Die FPÖ sei zudem mittlerweile so etwas "wie das größte Demokratisierungsprojekt des Landes", da die meisten neuen FPÖ-Wähler aus dem Lager der Nichtwähler kämen. Man würde Menschen mobilisieren, die bereits mit der Politik abgeschlossen hätten.

Die aktuelle Woche werde "innenpolitisch spannend", betont der FPÖ-Chef. Wie geht es nun weiter? "Ich habe den Eindruck gewonnen, dass an der Spitze der ÖVP und der SPÖ die Sicht auf das Ergebnis der Nationalratswahl noch immer vernebelt oder getrübt ist", sagt Kickl. Er sehe zwei, staatspolitisch unreife Verlierer, "die sich selber retten wollen". Denen es nicht darum gehe, "Österreich zu retten". Er orte Parteitaktik sowie Tricksereien im Sinne des Machterhaltes.

Auch Tatsachen und das logische Denken würden auf den Kopf gestellt, "um die Wähler zu täuschen", sagt Kickl. Das Budgetdefizit und die wirtschaftliche Talfahrt seien vor der Wahl bewusst verschwiegen worden. Man könne gar von "Wählermanipulation" sprechen.

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Kickl kritisiert Van der Bellen

Kickl wolle nun Regierungsverantwortung übernehmen und der Bevölkerung fünf gute Jahre bringen. Zum Statement Van der Bellens sagt der blaue Vorsitzende: "Er hat von Klarheit gesprochen. Ich kann dem zustimmen, aber jetzt kommt's: Die Klarheit, die jetzt schon auf dem Tisch liegt, festzumachen, wäre seine Aufgabe gewesen." 

Leider habe Van der Bellen genau das Gegenteil gemacht und das Ergebnis vernebelt: "Er hat die Unklarheit produziert, die er jetzt selbst beklagt." Denn das Ergebnis sei nicht klar, sondern glasklar. Die ÖVP habe haushoch verloren, die SPÖ stagniere auf niedrigem Niveau.

"Er hat herumgedruckst": Kickls Gespräch mit Van der Bellen

Im persönlichen Gespräch mit ihm, habe Van der Bellen in der letzten Viertelstunde der Unterredung "herumgedruckst", so Kickl. Van der Bellen habe ihm gesagt, dass er gar nicht verstehe, warum der Bundespräsident die Regierungsbildung in die Wege leiten soll. "Dass das Ihre Aufgabe ist, haben Sie sich selber zuzuschreiben. Sie haben das in der Vergangenheit selber so gemacht und selber so gesagt", habe er dem Präsidenten gesagt, so Kickl.

Der Bundespräsident wisse "ganz genau", dass es innenpolitische Tradition in Österreich sei, den Wahlsieger mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Ob sich dann eine Mehrheit finde, dass sei eine andere Frage. "Aber das weiß man eben erst, wenn man es probiert hat." Der Auftrag der Bevölkerung sei klar, "aber der Bundespräsident hat das leider bisher nicht getan", so Kickl. 

Van der Bellens Vorgehen sei in Summe nicht logisch, argumentiert der FPÖ-Chef. Wenn der Präsident der Überzeugung sei, dass sich mit der FPÖ ohnehin nichts bewege, hätte er den Auftrag ja gleich den "Wahlverlieren" geben können.

Nehammer betreibe "linke Cancel Culture"

Zu ÖVP-Chef Karl Nehammer, der zuletzt ein Videostatement abgab, bei dem er eine Zusammenarbeit mit Kickl zwischen den Zeilen erneut ausschloss, meint der FPÖ-Chef: "Er hat sich noch tiefer eingegraben, als er vorher schon eingegraben war." Nehammer betreibe gar "linke Cancel Culture", so Kickl. Dabei hätten die Wähler zu 55 Prozent für eine "satte Mitte-Rechts-Koalition" aus FPÖ und ÖVP gestimmt. Es sei in gewisser Weise sogar die Umkehrung des Wahlergebnisses von 2017.

Die ÖVP werde ihre Inhalte auch nur mit der FPÖ und "nicht mit einer marxistisch infizierten SPÖ" umsetzen können, so Kickl. Eine Regierung mit Stabilität und Stoßkraft, die über möglichst viele Mandate und inhaltliche Gemeinsamkeiten verfüge, habe man nur in einer Zweierkoalition. "Oder geht es Nehammer nur um die eigene Macht?", fragt Kickl. Sollte das so sein, habe die ÖVP mit ihren inhaltlichen Ansagen die Wähler schlicht "belogen".

Kickl appelliert an "vernünftige Kräfte" in ÖVP

Karl Nehammer müsse als Wahlverlierer entscheiden, ob er staatspolitische Verantwortung übernehmen und seine Blockadehaltung aufgeben. "Wann, wenn nicht jetzt?", fragt Kickl. Wenn Nehammer die Anerkennung des Wahlergebnisses verweigere und in eine Dreierkoalition eintrete, würde er auch die eigenen Inhalte verleugnen und das nächste Desaster nach Türkis-Grün produzieren.

"Ich denke, dass in den nächsten Tagen, in den nächsten Stunden die vernünftigen Kräfte in der ÖVP gefordert sind", sagt Kickl. Hier gehe es auch um die Zukunft der Volkspartei. Was man jedenfalls vermeiden solle, seien Neuwahlen.

Stocker: "Wir halten Wort"

Am Nachmittag hat ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker auf Kickls Auftritt reagiert. Er betont, dass Nehammer bereits im ORF-Sommergespräch Regierungsverhandlungen mit Kickl ausgeschlossen habe. "Wir halten Wort und bleiben bei dem, was der Bundeskanzler und Bundesparteivorsitzende gesagt hat", so Stocker. Kickl brauche sich nicht wundern, dass niemand mit ihm regieren wolle und er "alleine zu Haus sei", nachdem er fünf Jahre lang alle andern als "Diktatoren oder Volksverräter" verunglimpft habe. 

Und: Auch inhaltlich gebe es gravierende Unterschiede zwischen ÖVP und FPÖ. Die Blauen hätten den "Österreichplan" der Volkspartei teilweise kopiert, aber nicht kapiert, meint Stocker. So hätte die FPÖ im Parlament gegen die Senkung der Einkommenssteuer oder der Körperschaftsteuer gestimmt. Auch beim Thema Sicherheit sie bei der Umsetzung "nicht der richtige Partner".

"Herbert Kickl hat mit seiner FPÖ die Gesellschaft an den rechten Rand gedrängt", sagt Stocker. Zudem habe sich Kickl in Verschwörungstheorien verstrickt. "Uns trennen sowohl programmatisch, als auch weltanschaulich und persönlich Welten. Deshalb kommt eine Koalition mit Herbert Kickl für uns nicht infrage."

"Herbert Kickl wurde nicht zum Bundeskanzler gewählt"

Was Stocker mehrmals betont: 1,4 Millionen Menschen hätten die FPÖ gewählt und deren Wunsch nach Veränderung habe man verstanden. Gleichzeitig hätten auch 1,3 Millionen Personen für die ÖVP und Nehammer - dessen Name über der Parteibezeichnung am Stimmzettel stand - gestimmt. 

"Herbert Kickl wurde nicht zum Bundeskanzler gewählt", schlussfolgert Stocker. Kickl liege auch in allen Umfragen in der Kanzlerfrage klar hinter Nehammer.