Politik/Inland

Dieselprivileg abgeschafft? Was wirklich in Gewesslers Klimaplan steht

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat am Dienstag den finalen österreichischen Energie- und Klimaplan (NEKP) präsentiert. Der Klimaplan, der eigentlich bis Ende Juni hätte abgeschickt werden sollen, wird heute im Ministerrat beschlossen und anschließend der EU-Kommission übermittelt. Weil die meisten EU-Staaten die Abgabefrist versäumten, dürften Österreich keine Strafzahlungen drohen. 

Ob die EU-Kommission dem Plan auch zustimmt, bleibt abzuwarten. Eigentlich hätte Österreich zuvor einen Entwurf einreichen müssen, was ebenfalls nicht geschah.

Worum es prinzipiell geht: Der NEKP soll festlegen, wie Österreich die EU-Klimaziele einhalten und bis 2030 48 Prozent seiner Treibhausgas-Emissionen gegenüber 2005 einsparen will. Die Grünen pochten dabei ursprünglich auf sogenannte Sektorziele. Heißt: Bereichen wie dem Verkehr oder der Landwirtschaft sollte vorgeschrieben werden, wie viele Emissionen sie jeweils einsparen müssen. Die Sektorziele sind auf Wunsch der ÖVP aus dem NEKP gestrichen worden.

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Wo Österreich jetzt Emissionen sparen will

Wie soll die "Lücke" dann geschlossen werden? Die Regierung hat sich auf folgende Maßnahmen geeinigt:

  • Klimaschädliche Subventionen sollen abgeschafft werden. Damit will man bis 2030 jährlich mindestens zwei Millionen Tonnen CO2 einsparen.
     
  • Förderungen für den Heizungstausch und die Sanierung von Gebäuden sollen fortgesetzt werden. Diese Maßnahmen sind unter anderem bereits im Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) und im Umweltförderungsgesetz (UFG) beschlossen.
     
  • Türkis-Grün hat sich auf einen "massiven Ausbau der Wasserstoffproduktion" für die Verwendung in der heimischen Industrie geeinigt. Die entsprechende Strategie wurde bereits beschlossen.
     
  • In Sektoren, in denen die Emission von Treibhausgasen nicht vermieden werden kann, soll Carbon Capture and Storage (CCS) zum Einsatz kommen – also das Abscheiden und Vergraben von CO2 unter der Erde. Das wäre zum Beispiel in der Zementproduktion der Fall. CCS ist derzeit in Österreich noch verboten, soll nach einem Evaluierungsbericht der Bundesregierung aber erlaubt werden.

Dieselprivileg nicht "abgeschafft"

Es gebe noch viel zu tun, betont Gewessler, aber: "Österreich wird sein Klimaziel erreichen." Man sei auf Kurs: "Die Emissionen sinken, die Prognose bestätigt: Bis 2030 werden wir den Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen nahezu halbieren." Die Ministerin zeigt sich vor allem darüber froh, dass nun klimaschädliche Subventionen abgeschafft würden. Sie erwähnt etwa das Dieselprivileg – die Mineralölsteuer auf Diesel ist in Österreich um rund 8,5 Cent pro Liter niedriger als auf Benzin – oder Steuervorteile für Dienstautos.

Welche klimaschädlichen Subventionen sollen bis wann abgeschafft werden? Das steht tatsächlich nicht konkret im NEKP, auch Gewessler verweist auf einen "Fahrplan", um den sich nun das Finanzministerium (BMF) kümmere.

Im NEKP heißt es konkret, dass das BMF "zur Einhaltung des Reduktionsziels für kontraproduktive Anreize und Förderungen eine interministerielle Arbeitsgruppe (AG Kontraproduktive) unter Leitung des BMF und Mitarbeit des BMK (Klimaschutzministerium, Anm.) sowie Einbindung weiterer betroffener Stakeholder einrichten" werde. Diese Arbeitsgruppe soll "im Herbst" mit der Arbeit beginnen, heißt es aus dem BMF zum KURIER. Die Finanzierung des Plan sei jedenfalls gesichert.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) betont, dass man sich überlegen müsse, welche klimaschädlichen Subventionen eingespart oder reduziert werden könnten: "Welche Maßnahmen das konkret betreffen wird, ist allerdings noch nicht geklärt – konkrete Subventionen, wie beispielsweise das Dieselprivileg oder die Pendlerpauschale sind im Plan nicht angeführt."

Ob tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode klimaschädliche Subventionen abgeschafft werden, ist aufgrund des Zeitrahmens fragwürdig. Gewessler geht jedenfalls davon aus, dass der Plan über ihre Amtszeit hinaus Bestand habe. Sonst müssten kommende Regierungen gegen das EU-Recht verstoßen: "Wir haben in diesem Fall einen rechtlich sehr, sehr festen Rahmen."

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Ankauf von CO2-Zertifkaten als Notoption

Doch was geschieht, wenn Österreich die Klimaziele doch nicht einhalten kann? Eine Option wäre der Ankauf von CO2-Zertifkaten von EU-Staaten, die ihre Ziele übererfüllen. Laut Brunner beinhaltet der NEKP die "möglichen Einrichtung eines Ankaufsprogramms" als Sicherheitsnetz, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. 

Damit habe man "die Option geschaffen, auch von Mitgliedstaaten zukaufen zu können, die ihr Ziel übererfüllen. Das war uns wichtig, denn damit stellen wir unsere Zielerreichung sicher und sorgen für mögliche Herausforderungen vor", so der Minister.

Laut Plan sollen Zertifikatskäufe nur genutzt werden, wenn die gesetzten Maßnahmen nicht ausreichend wirken. Dann soll Österreich "bei Bedarf die entsprechende Flexibilität" der EU-Lastenteilungsverordnung in Anspruch nehmen. 

Edtstadler mit Spitze gegen Gewessler

Der NEKP landet nun jedenfalls nach langen Streitereien doch noch in Brüssel. Ein Entwurf, den Gewessler Ende 2023 übermittelte, wurde von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) wieder zurückgezogen. Grund: Dieser sei nicht mit der ÖVP abgesprochen gewesen. Gewessler meint, Österreich habe hier "kein gutes Bild" abgegeben.

"Der Beschluss zeigt, wie Klimaschutz unter Berücksichtigung aller Zuständigkeiten und Einhaltung der Gesetze funktioniert. Der gesetzlich erforderliche innerstaatliche Koordinierungsprozess wurde diesmal, wie von mir immer gefordert, eingehalten. Dies war bei der einseitigen Übermittlung des NEKP-Gewessler-Entwurfs Ende 2023 nicht der Fall", betont Edtstadler in einer Aussendung. Sie sei froh, dass die Grünen "ihre ideologischen Scheuklappen abgelegt" hätten.

Auch Brunner ortet eine "ausgewogene Balance zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Vernunft" im fertigen NEKP.  Zudem hebt er die Maßnahmen im Bereich der Verpressung von CO2 oder die Föderung von Geothermie hervor. Fazit der ÖVP: Man setze auf Maßnahmen "mit Hausverstand".

Dass ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl Gewessler wegen ihrer Zustimmung zur EU-Renaturierungsverordnung zuletzt als "Staatsgefährderin" bezeichnete, kommentiert Gewessler damit, dass sie lediglich ihre Verantwortung wahrgenommen hätte.

Gespaltene Reaktionen von Klimaschützern und Industrie

Die Umwelt-NGO Greenpeace unterstützt die Maßnahmen prinzipiell. Umsetzen müsse diese nun die kommende Regierung. Ähnlich argumentiert Global 2000 und spricht von einem "wichtigen Fortschritt". Aber: "Unverständlicherweise fehlt unter den Maßnahmen aber ein wirksames Klimaschutzgesetz, das für die Umsetzung eine wichtige, rechtlich verbindliche Koordinierung bringen würde. Es fehlen auch sektorspezifische Zielpfade und viele Maßnahmen bleiben zu vage."

Während die Industriellenvereinigung "überschießende Selbstverpflichtungen" sieht, die den Standort schädigen könnten, spricht SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr von einer "Wunschliste an die nächste Regierung". Der Plan sei nicht rechtlich bindend, die nächste Regierung könne ihn wieder ändern. Zudem sei offen, ob die EU-Kommission den Berechnungen zustimmen werde. "Von einem 'finalen Klimaplan' zu sprechen ist falsch", so Herr. Was Herr ebenso vermisst: "Neues" bei der Abschaffung klimaschädlicher Subventionen.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker kritisiert wiederum, dass die Regierung Österreich verraten habe: "Die Bundesregierung will angeblich 'klimaschädliche Subventionen' abschaffen und schaltet dafür künftig Brüssel vor. Das bedeutet ein Ende des Dieselprivilegs in Österreich, eine Katastrophe etwa für Bauern und die Logistikbranche und ist erst der Anfang weiterer Verteuerungen bei Kraftstoffen wie Benzin und Diesel."