Nehammer fordert von EU zwei Milliarden Euro für Bulgariens Grenzzaun
Von Michael Hammerl
Österreichs Veto im Dezember verhinderte den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien. Vor allem die Beziehung zu Bulgarien hat sich aber schnell wieder gebessert. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) lud Präsident Rumen Radew zum Neujahrskonzert nach Wien. Am Montag besuchte Nehammer wiederum gemeinsam mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) die türkisch-bulgarische EU-Außengrenze - zwei Wochen vor dem EU-Sondergipfel zum Thema Migration.
Die Bulgaren empfingen Nehammer und Karner mit militärischen Ehren. Die bulgarische Ehrengarde mit Federschmuck marschierte am Flughafen auf und ab – im Gleichschritt. Mit einem Militärflieger des Typs "Spartan" und Helikoptern in Tarnfarben flog man dann zur bulgarisch-türkischen Grenzstadt Elchowo, dem Stacheldrahtzaun zur Türkei hügelauf- und abwärts folgend.
Olivgrüne Uniformen, Zäune, Militärhubschrauber und Grenzpolizisten: Auf Bilder wie diese verzichtet eine Partei mit starker sicherheitspolitischer Agenda kurz vor einer Landtagswahl zumindest nicht freiwillig.
Die Botschaft der ÖVP
Allerdings erfolgte der Besuch auf Einladung Radews. Das Signal der ÖVP: Man will mit den Bulgaren eine Allianz bilden. Zur Erinnerung: Österreichs Veto im Dezember verhinderte den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien. Der Grund: die Asylkrise. Rund 110.000 irreguläre Migranten stellten 2022 in Österreich einen Asylantrag - der vierthöchste Wert in Europa. Rund 40 Prozent kamen laut Innenministerium über Bulgarien.
Der Migrationsdruck an Bulgariens Grenze habe sich drastisch erhöht, in den vergangenen Monaten seien vier Grenzbeamte getötet worden, sagte Radew nach dem Treffen. "Es braucht aktive Unterstützung und Partnerschaft mit Bulgarien", so Nehammer.
Die inhaltlichen Neuigkeiten blieben begrenzt. Die Botschaft der ÖVP: Sie fordert einen radikalen Umbau des europäischen Asylsystems. Das Schengen-System sei kaputt, sagte Karner. „Das Schengen-Veto Österreichs bleibt daher aufrecht“, meinte Nehammer und forderte eine „Asylbremse“.
Woraus soll der Bremsklotz bestehen? Zuvorderst aus robusten Zaunanlagen an den EU-Außengrenzen. Vergleichbare High-Tech-Zäune gibt es bereits an der polnisch-belarussischen sowie griechisch-türkischen Grenze: Fünf Meter hoch, fünf Meter tief, mit Radar, Wärmesensoren sowie Kameras ausgestattet.
Bündnisse schmieden
Ein ähnliches Modell, ergänzt mit Drohnenüberwachung, soll laut ÖVP auch in Bulgarien errichtet werden. Dafür benötige Bulgarien zwei Milliarden Euro, betonte Nehammer. "Österreich steht hier ganz klar auf der Seite Bulgariens. Wir sind Verbündete im Kampf gegen organisierte Kriminalität."
Das Problem: Die EU-Kommission hat bisher keine Finanzmittel für Zaunanlagen von EU-Staaten zur Verfügung gestellt. Auf europäischer Ebene fehlen Österreich – abseits von Schweden, den Niederlanden und natürlich Bulgarien – die Bündnispartner.
Bulgariens Stacheldrahtzaun sichert derzeit 234 der 280 Kilometer langen Grenze zur Türkei. Er ist an mehreren Abschnitten beschädigt, Rost hat sich angesetzt. Da er über weite Strecken zudem einreihig ist, kann er laut Experten einfach überwunden werden. Videos von Migranten, die in der Nacht über den Zaun klettern, bestätigen das.
"Wir haben die Grenzschutzanlage verstärkt", sagte Radew. Zudem habe man zusätzliche Soldaten an die Grenze geschickt. "Ich möchte aber klar sagen, dass wir einer kräftigen, gut organisierten Macht gegenüberstehen", so Radew über die Schleppermafia.
Schengen-Veto "nicht gerecht"
Wie kann Österreich bilateral helfen? Eventuell mit Polizisten bei der Schlepperbekämpfung, wie es auch in Ungarn der Fall ist. Konkrete Zusagen machte die Bundesregierung am Montag diesbezüglich aber nicht.
Bulgarien und Rumänien bleiben zwar zuversichtlich, noch heuer dem Schengen-Raum beizutreten. Aber: Die ÖVP will eben nur zustimmen, falls die EU das Asylsystem radikal reformiert.
Radew sagte, er akzeptiere das Veto, glaube aber an eine "rationale Lösung in der nahen Zukunft". Gerecht sei es nicht, Bulgarien schütze seine Grenze besser als viele EU-Staaten.
Rechtliche und technische Schritte
Die ÖVP-Forderungen an die EU sind bekannt: verstärkte Zäune, rasche Asylverfahren an der EU-Außengrenze und Asylzentren in sicheren Drittstaaten - etwa Ruanda. Aus rechtlicher Sicht brauche es eine "Zurückweisungsrichtlinie", so Karner. Sie soll ermöglichen, dass offensichtlich nicht schutzberechtigte Migranten aus sicheren Herkunftsstaaten schnell wieder zurückgewiesen werden können.
Keine größere Rolle spielten beim Besuch die Menschenrechtsverletzungen an der bulgarisch-türksichen Grenze. Eine Recherche internationaler Medien zeigte im Dezember teils verstörende Bilder. Zu sehen: Migranten, die von bulgarischen Behörden in Baracken tagelang ohne Verpflegung festgehalten wurden. In Einzelfällen sollen sie von Beamten verprügelt und von Polizeihunden gebissen worden sein.
Trotz guter Gesprächsbasis: Bulgarien ist derzeit kaum paktfähig. Nachdem erneut die Regierungsbildung scheiterte, wählt das Land zum fünften Mal in zwei Jahren ein neues Parlament.