Politik/Inland

Kogler am Bundeskongress: "Bin ja nicht von der Sado-Maso-Truppe"

"Lieber nicht regieren als falsch regieren." Dieser Satz stammt von Christian Lindner, FDP-Chef, der 2017 in Deutschland die Koalitionsverhandlungen abgebrochen hat.

Ein Satz, den der Grüne Vizekanzler Werner Kogler beim Bundeskongress in Linz zitiert - aber nur, um Lindner  zu widersprechen.

Nach eineinhalb Jahren in einer Koalition mit der ÖVP, sagt Kogler stattdessen Sätze wie: "Besser, die Richtigen regieren als die Falschen." Und: "Regieren ist nichts für Lulus" - ein Zitat, das eigentlich von der ehemaligen Wiener Vize-Bürgermeisterin Maria Vassilakou stammt. 

Viel Applaus bekam er dafür von den Delegierten. Es ist das erste große Treffen seit der Regierungsbeteiligung - ein Stimmungstest. Hört man sich um, dann darf der türkise Koalitionspartner, wo vorab Nervosität herrschte, beruhigt sein: Trotz der Querelen herrscht unter den Grünen immer noch breite Zustimmung fürs Weiterarbeiten. So gesehen gilt die Parole, die Kogler schon vor einigen Jahren ausgab, weiterhin: "Rudern statt sudern." 

"Geballte Power"

Die 252 grünen Delegierten, die am Sonntagmorgen im Linzer Desgin Center zu ihrem 43. Bundeskongress (genannt Buko) zusammenkamen, waren bestens gelaunt.

Einigkeit und Stolz auf die bisherige Regierungsarbeit wollte man demonstrieren, das zeigten schon die Begrüßungsreden der Linzer Stadträtin Eva Schobesberger und des oberösterreichischen Grünenchefs Stefan Kaineder. "Von geballter Power der Regierungsmitglieder und der Klubobfrau" war die Rede. Die einzelnen Regierungsmitglieder wurden für ihre Leistungen gelobt - es gehe darum, den grünen Regierungsmitgliedern "auf Bundesebene den Rücken zu stärken", sagte Schobesberger.

Besonders langen Applaus und Standig Ovations gab es, als Ex-Gesundheitsminister Rudi Anschober erwähnt wurde. Er schlich sich später in den Saal und wurde auf die Bühne gebeten - dazu weiter unten mehr.

Und dann sollten die Delegierten natürlich noch auf Wahlkampf gebürstet werden. In Oberösterreich finden am 26. September Landtagswahlen statt. Erklärtes Ziel von Spitzenkandidat Kaineder - dem "oberösterreichischen Rockstar", wie ihn das Präsidium nannte - ist es, "die letzte Ibiza-Koalition, die es in Österreich noch gibt", zu sprengen. "Ihr müsst mithelfen, wir teilen euch ein", richtete er seinen Parteikollegen aus. 

Alle Inhalte anzeigen

In seiner Rede gab es dann ganz viel Pathos. Kaineder erinnerte an den Bundeskongress 2019, der "in seiner unendlichen Weisheit Alma Zadic und Leonore Gewessler auf die Liste gewählt" hat. "Wie groß dieses Geschenk ist, das der Buko der Republik gemacht hat, weiß ich erst heute. Ihr macht einen unfassbar guten Job, danke euch beiden", sagte Kaineder. 

Für ihn ist es der "historische Auftrag unserer Generation", das Land in den nächsten 20 Jahren klimaneutral zu machen. "Wir werden an diesem Auftrag nicht scheitern, weil scheitern ist keine Option."

Auch auf die Situation in der türkis-grünen Regierung nahm er Bezug. "Wenn ungustiöse Chats herumgeistern, dann denk' ich mir manchmal, wo sind wir denn da hineingeraten?", sagte er.  Aber der Rechtsstaat funktioniere, weil durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Schönheit der Verfassung gewahrt werde und weil Alma Zadic sich als Justizministerin schützend vor den Rechtsstaat stelle.

Eine Rolle, die die Grünen sich zu eigenen gemacht haben. "Ist euch schon mal aufgefallen, dass wir es sind, die dieses Land in der Mitte stabilisieren?", fragte Kaineder. Regierungsarbeit sei manchmal schwierig, doch er halte es mit Werner Kogler, der das Motto „Rudern statt Sudern“ ausgegeben hatte. 

Mit Spannung erwartet wurde die Rede von Kogler. Angekündigt wurde, dass er sich ausführlich zu den Querelen mit der ÖVP - Chatprotokolle, Ermittlungen etc. - äußern wird.

Was kam, waren vor allem Durchhalteparolen des Vizekanzlers: Kogler betonte, wie wichtig es gerade jetzt sei, dass die Grünen mitregieren

"Bin ja nicht von der Sado-Maso-Truppe"

Er werde immer wieder gefragt, wo es denn weh tue, erzählt Kogler. Seine Antwort: "Es tut nirgendwo weh, ich bin ja nicht von der Sado-Maso-Truppe".

Dass das "Regieren nichts für Lulus" sei, das hätten die Grünen schon vorher gewusst. Und jene, die den Grünen vorwerfen, sie hätten ihre Prinzipien über Bord geworfen, sagt Kogler: Die Methode, die Hebel, seien andere. Aber die Prinzipien seien dieselben geblieben. Ernsthafte Schritte im Klimaschutz, eine unabhängige Justiz - das alles sei nur möglich, weil es die Grünen in der Regierung gibt.

Apropos Justiz: Er selbst, gibt er zu, habe die Justiz schon kritisiert - damals, als Oppositionspolitiker, etwa in Bezug auf die Eurofighter-Ermittlungen, weil "nichts weitergegangen ist". Aber, und damit kommt er zur erwarteten Kritik an der ÖVP: "Es darf keinen Pauschalangriff auf die rechtsstaatlichen Organisationen geben."

Das sei der Unterschied - "und den Unterschied machen wir", brüllt der Grünen-Chef in die Reihen der vor ihm versammelten Delegierten. 

Zum Ende seiner Rede erinnerte Kogler den Titel des Regierungsprogramms. Es ist das Credo, auf das man sich mit der ÖVP verständigt hatte: "Aus Verantwortung für Österreich." Und Europa, fügt Kogler hinzu.

Standing Ovations für Anschober

Heimlich in den Saal geschlichten hatte sich während der (wie üblich) überlangen Rede von Kogler der Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober. "Rudi, komm auf die Bühne!", wurde gerufen, als man ihn bemerkte. Tosender Applaus, Standing Ovations gab es für den im April zurückgetretenen Minister.

Der Vorarlberger Grünen-Chef Johannes Rauch zollte ihm Respekt für seine Arbeit - dafür, dass er in der Corona-Pandemie im Zentrum des Geschehen stand. "Du hast oft Gegenwind von allen Seiten bekommen - vom Regierungspartner, von den Bundesländern, von den Interessensvertretern. Da durchzuhalten, das war dein Verdienst. Damit hast du grün regiert", sagte Rauch. 

Und er appellierte an Anschober, nach einer Erholungsphase nachzudenken, wie er sich wieder einbringen. "Du bist ein grüner Bestandteil." Minutenlang wird im Saal applaudiert.

Für den Sommer kündigte Kogler ein Fest an - für Ulrike Lunacek, die bereits vor einem Jahr zurückgetreten ist, und für Anschober.

Eine Rede hielt Anschober übrigens nicht. Stattdessen wurde mit der Tagesordnung weitergemacht: Die beiden neuen Regierungsmitglieder Wolfgang Mückstein und Andrea Mayer wurden vorgestellt und einstimmig bestätigt. 

"Sozialhilfe Neu neu aufsetzen"

Gesundheitsminister Mückstein zollte in seiner Rede Anschober Respekt und bedankte sich bei seinem Vorgänger. Er sei stolz darauf, "was wir gemeinsam erreicht haben", sagte Mückstein. Es sei gut, einen behutsamen Prozess der Öffnung eingeschlagen zu haben und "nicht nur von der Party im Sommer geredet zu haben - weil es git auch den Herbst". Man müsse darauf vorbereitet sein, dass eine neue Virusvariante nach Österreich kommen könnte oder es eine sanfte 4. Welle geben könnte. 

Vorwärts gehen solle es nun auch bei der Pflegereform. Außerdem müsse man sich "Gedanken machen, wie wir die Sozialhilfe Neu neu aufsetzen", erklärte Mückstein. Denn: "Wenn wir das nicht machen, macht das keiner."

"Neue Wege" im Leitantrag

Zum Abschluss des Vormittages stellten die Ministerinnen Gewessler und Zadic zusammen mit Klubobfrau Sigrid Maurer den Leitantrag an den Bundeskongress vor. Er trägt den Titel "Unser historischer Auftrag - Neue Wege statt altem Denken". 

Diesen Grundsatz brauche es gerade jetzt für den Zusammenhalt in der Gesellschaft, eine wehrhafte Demokratie und "ja, auch fürs Klima", sagte Gewessler. Die größte Herausforderung unserer Zeit stehe mit der Klimakrise nämlich noch vor uns. Erklärtes Ziel der Grünen ist es, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen.

Hier sei man auf Basis der bereits erzielten Fortschritte optimistisch. Ein österreichweites Öffi-Ticket stehe sei 15 Jahren im jedem Regierungsprogramm, erklärte Gewessler. Dank der Grünen komme es jetzt 2021. Auch das größte Bahnausbauprogramm aller Zeiten habe man auf den Weg gebracht. 

Das sei auch eine Frage des Personals, sagte Maurer sinngemäß. "Wir haben die kompetenten, engagierten Leute auf allen Ebenen", so Maurer. "Seit über 30 Jahren steht die Klimafrage im Zentrum unserer Politik, früher haben sie uns alle ausgelacht. Heute lacht keiner mehr".  

Genauso umsetzen wie den Klimaschutz wollen die Grünen ihre Vorstellung einer  solidarischen und sozial gerechten Gesellschaft. 

Die Grünen würden "gestalten, statt sich gestalten zu lassen", fügte Zadic hinzu. Man habe erreicht, dass die Justiz nicht - - wie von Ex-Justizminister Clemens Jabloner befürchtet - einen stillen Tod stirbt.

In der Vergangenheit habe es den Verdacht gegeben, "dass es sich die Mächtigen und Reichen bei der Justiz richten können", schilderte die Ministerin. Das gehe unter den Grünen nicht. Ihr Auftrag, sei es, dass Justiz unabhängig ist. "Ich kann versprechen, dass wir Güne immer dorthin schauen werden, wo es Missstände und Verdachtsmomente gibt", hielt sie fest.

Debatte doch nicht hinter verschlossenen Türen

Irritation gab es zunächst bei den Medienvertretern. Anders als bei bisherigen Bundeskongressen hätte der Nachmittag nicht medienöffentlich abgehalten werden sollen. Nach anfänglicher Kritik am Ausschluss der Medien von der Debatte zur Statutenänderung, dürften Medienvertreter dann doch anwesend sein.

Bei der Debatte um die Statutenänderung wurde es zum ersten Mal etwas hitziger. Die Frage war, ob dadurch das basisdemokratischen Prinzip, das zur grünen DNA gehört, gefährdet wird. Hierzu wurden im Vorfeld einige Abänderungsanträge eingebracht und nach Gesprächen gestern wieder zurückgezogen.

Im Wesentlichen geht es darum, dass der Bundessprecher künftig in einer Urwahl gewählt werden soll und dafür mehr Macht bei der Listenerstellung für den Nationalrat erhält. 

Der Antrag auf die Änderung erreichte schließlich aber nicht die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit und wurde somit abgelehnt. Kritiker sahen darin eine Abschaffung der Basisdemokratie.