Politik/Inland

Grüne zu Orbán-Besuch: " Alarmglocken schrillen, überhören wir sie nicht"

Heute Vormittag empfängt der neue Nationalratspräsident Walter Rosenkranz den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán im Parlament, auch ein Treffen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl ist geplant. 

Rund eine halbe Stunde vorher luden die Grünen zu einer Pressekonferenz ins Parlament - dem "Herzstück der Demokratie", wie Klubchef Werner Kogler betonte. "Hier wird diskutiert, gestritten, es gibt unterschiedliche Meinungen. Aber es ist auch der Ort einer liberalen, wehrhaften Demokratie - und so soll es bleiben."

Die Einladung an den "Antidemokraten, einen Anti-Europäer und einen Putin-Versteher" sei ein Signal - und zwar ein fatales, ist Kogler überzeugt. 

Ungarn sei ein Land, in dem durch Orban und seine Fidesz-Partei der Journalismus mit Füßen getreten und die Justiz unterjocht werde. "Das wollen wir in Österreich nicht." 

Rosenkranz sei ein erfahrener Politiker - "er weiß ja wohl, was er da tut und vielleicht auch anrichtet. Vielleicht gehört das sogar zum Kalkül." 

Und er pocht darauf, "das nicht zu unterschätzen". Die Grünen würden jedenfalls nicht aufhören, darauf hinzuweisen. 

EU-Fahne abmontiert

Vor der Wahl des FPÖ-Mannes als Nationalratspräsident hatten die Grünen eine Petition gestartet, die mehr als 21.000 Unterstützer zählte - aber ins Leere ging. Rosenkranz wurde vor einer Woche mit 61,7 Prozent der gültigen Abgeordnetenstimmen gewählt. 

"Und noch bevor er sein Büro überhaupt gescheit bezogen hat, lädt er schon Orban als seinen ersten Gast ein", sagt Sigrid Maurer, geschäftsführende Klubchefin, an der Seite Koglers. Besonders entsetzt ist sie darüber, dass Rosenkranz zu diesem Anlass die europäische Fahne habe abmontieren lassen. Aufgestellt sind jetzt die österreichische und die ungarische Fahne.

"Die Alarmglocken schrillen, überhören wir sie nicht!", mahnt Maurer. Rosenkranz habe in seiner Antrittsrede milde, versöhnliche Worte gesagt - "seine Taten sprechen aber eine andere Sprache". 

"Auf Linie gebracht"

Maurer schildert dann die Zustände in Ungarn: "Alle freien Medien, die Orban kritisch auf die Finger geschaut haben, wurden systematisch zerstört oder auf Linie gebracht. Hunderte unliebsame Journalisten wurden entlassen." 

Hinzu kommen ein "rückwärtsgewandtes Frauenbild", in dem Mütter belohnt würden und alleinstehende Frauen durch die Finger schauen würden. Diese "Herdprämie" habe die FPÖ auch in Österreich übernommen. Sichere Schwangerschaftsabbrüche seien in Ungarn kaum möglich, viele Ungarinnen würden deshalb in Österreich Hilfe suchen.

Hinweise auf Neonazi-Szene

Auch die politische Gesinnung von Rosenkranz selbst hält Maurer für "äußerst problematisch" und erwähnt, was in den Wochen vor seiner Wahl schon Thema war: Die Tatsache, dass Rosenkranz als Burschenschafter den NS-Generalstaatsanwalt Hans Stich als "Leistungsträger" bezeichnet hat. 

Und damit nicht genug: Kürzlich seien in einem Telegram-Kanal Hinweise aufgetaucht, so Maurer, dass Rosenkranz eine führende Figur der Neonazi-Szene finanziell unterstützt habe. Die Grünen haben dazu eine parlamentarische Anfrage gestellt.

"Mit Verwunderung" stellt die geschäftsführende Grünen-Klubchefin fest, dass die Tonalität anderer Parteien, was den Besuch Orbáns betrifft, zuletzt eher sanft ausgefallen sei. Und sie betont: "Jetzt, wo der Schaden angerichtet ist, werden einen umso genaueren Blick auf seine Amtsführung haben." 

Denn: "Wie schnell eine liberale Demokratie zerstört werden kann, haben wir in Ungarn gesehen." 

Babler kritisiert Treffen

Auch SPÖ-Chef Andreas Babler kritisierte am Donnerstag das Treffen. "FPÖ-Chef Kickl und Nationalratspräsident Rosenkranz rollen dem Autokraten Orbán den blauen Teppich aus. Der frisch gewählte Nationalratspräsident Rosenkranz macht seiner Eigenbezeichnung als Parteisoldat alle Ehre, wenn er als ersten Gast ausgerechnet jenen Mann empfängt, der unser Nachbarland in eine korrupte Elitenherrschaft umgebaut hat".  

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Babler weiter: "Seiner Rolle als Nationalratspräsident wird Rosenkranz so aber sicherlich nicht gerecht. Wer Orbán zum Vorbild hat, schadet dem Land und den Leuten. Statt an Lösungen für die großen Herausforderungen zu arbeiten, demonstrieren Kickl und Co. einmal mehr, dass sie Österreich abschotten und unser Land orbanisieren wollen. Die FPÖ untergräbt unsere Demokratie, setzt den sozialen Zusammenhalt aufs Spiel und schadet dem Ansehen Österreichs."