Brunner: "Kämpfe jeden Tag, dass der Kanzler Nehammer heißt"
Von Johanna Hager
Ehe es zu den Themen Teuerung und Budget kommt, nimmt ÖVP-Minister Magnus Brunner in der ORF-Pressestunde zur "präfaschistoid"-Aussage von Vizekanzler Werner Kogler Stellung. Der Grünen-Chef unterstellt im profi-Interview, dass ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner durch ihre Haltung u.a. zum Gendern eine "präfaschistoide" Haltung.
"Das ist der Beginn einer Sommerloch-Debatte", so Brunner. Er habe "überhaupt kein Problem" mit Gendern. "Was oder wer normal ist, das entscheidet jeder selber." Ob Mikl-Leitner, die in Niederösterreich mit der FPÖ regiert, mit dieser Haltung sich rechts positioniert, das kann und will Brunner auf mehrfache Nachfrage nicht beurteilen.
Warum Österreich nicht in die Preisgestaltung eingreift, um die Teuerung zu bekämpfen, die derzeit bei 8 Prozent liegt?
"Die gute Nachricht ist, dass die Inflation zurückgeht", so der Finanzminister. Zudem sei positiv, dass sich der Unterschied zum großen Handelspartner Deutschland dadurch verringere. Der "Zielwert von zwei bis drei Prozent der EZB ist wichtig. Ob wir ihn schnell erreichen, dass sei dahingestellt."
Die hohe Inflation sei in Österreich dem Warenkorb geschuldet, der Abhängigkeit von Energie und den hohen Lohnabschlüsse, so der Finanzminister. Hätte Österreich den identen Warenkorb wie Deutschland, so läge laut OeNB-Studie die Inflation um ein Prozent unter dem jetzigen Wert, so Brunner.
Mieten-Indexwert?
700 Millionen Euro sind für den Bereich Wohnen seitens des Bundes zur Verfügung gestellt worden. Eine Bremse bei den Richtwertmieten kam vor Monaten nicht zustande. Den Vorwurf der Klientelpolitik will Brunner dennoch nicht gelten lassen. "Der Wohnkostenzuschuss war der gescheitere und treffsichere Weg." Auf Nachfrage kann er sich eine Änderung des Index-Wertes bei Mieten vorstellen.
Brunner bleibt trotz Kritik dabei, dass höhere Löhne auch zur Teuerung beitragen: "Faktum ist, dass es mehrere Punkte gibt, die die Inflation treiben." Ob Lohn-Preis oder Preis-Lohn, "darüber kann man diskutieren, doch es bringt uns am Ende des Tages nicht viel".
"Lohnsteigerungen bringen eine Persistenz der Inflation mit sich, wie der Wifo-Chef gesagt hat", zitiert Brunner Gabriel Felbermayr und verweist zum wiederholten Mal auf die Abschaffung der kalten Progression. Die "reale Kaufkraft ist gestiegen", stellt Brunner auf mehrfache Nachfrage klar. Sie sei laut Statistik Austria um 0,6 Prozent gestiegen.
"Hohe Lohnabschlüsse und hohe Gewinne sind per se nichts schlechtes", hält Brunner mehrfach fest. Dem Begriff der "Gierflation", dass Unternehmen bevorzugt behandelt worden wären, kann er nichts abgewinnen. Energiekonzerne, die Übergewinne aufgrund von Marktsituationen hatten, seien "abgeschöpft" worden.
Dass der Staat zu wenig von Energiekonzernen abgeschöpft habe, das will Brunner nicht gelten lassen. "Ob es sinnvoll ist, den Konzernen alles wegzunehmen, bezweifle ich." Die Unternehmen müssten Mittel haben, um in Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien investieren zu können.
87 Prozent nicht treffsicher
Die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 23 Prozent legitimiert Brunner mit der Attraktivierung des Standorts Österreich. "Es ist ja nicht so, dass wir ein Billigsteuerland wären. Wir bewegen uns erst langsam Richtung Schnitt."
Betreffend der Maßnahmen des Staates, um gegen die Teuerung vorzugehen, gesteht der Minister ei: "Nicht alle Anti-Teuerungsmaßnahmen waren zu 100 Prozent gelungen."
87 Prozent der Maßnahmen waren nicht treffsicher, besagt eine Wifo-Studie. Darauf angesprochen sagt Brunner: "Nicht ich, sondern die OECD sagt, dass die Maßnahmen treffsicher waren, wir zum besten Drittel der EU gehören."
Ob es ein beim kommenden Budget ein Sparpaket geben wird? "Nein. Maßnahmen müssen - insbesondere nach Corona - zurückgefahren werden." Später sagt Brunner zu den bevorstehenden Budgetverhandlungen: "Es ist nicht mehr Zeit für die größte Steuerreform aller Zeiten."
Wie berichtet soll der Energiekostenzuschuss II für Unternehmen 5,5 Milliarden Euro kosten. Bis zu 8 Milliarden könnte er laut Prognosen ausmachen. Zu viel, wie Kritiker und Wirtschaftsforscher sagen.
Wegen der sinkenden Energiepreise gebe es nun laufende Verhandlungen mit dem zuständigen Arbeitsminister Martin Kocher und der EU. Der sogenannte EKZ II werde "auf die vergangenen Situationen abstellen müssen und nicht auf die jetzigen und zukünftigen", so Brunner.
"Erbschaftssteuer ist nicht wirklich sinnvoll"
Warum Österreich keine beziehungsweise mehr vermögensbezogenen Steuern hat, beantwortet Brunner u.a. mit dem großen Aufwand, um diese einzuführen und regelmäßig zu erheben. "Wir haben eine Immobilienertragssteuer und eine Kapitalertragssteuer", führt der Finanzminister als Argument an. Gleichzeitig sagt er: "Die Lohn- und Einkommenssteuer müssen sinken."
Zum Vergleich: Laut OECD-Studie liegen die vermögensbezogenen Steuern im Durchschnitt bei 5,6 Prozent - in Österreich bei 1,5 Prozent.
Die Erbschaftssteuer hätte 110 Millionen Euro gebracht, so der Finanzminister, der diese nicht wieder einführen will. "Wir wollen nicht in den Mittelstand hineingreifen. Für mich ist die Erbschaftssteuer nicht wirklich sinnvoll."
Beim Finanzausgleich hat der Bund zehn Milliarden für Pflege, Gesundheit, Kinderbetreuung in Aussicht gestellt. Das sei fünf Mal so viel wie beim letzten Finanzausgleich - doch den Ländern zu wenig. "Der Finanzausgleich ist kein Bankomat für die Länder", sagt Brunner. "Wir hatten schon 50 Verhandlungsrunden, die über den Sommer weitergeführt werden." Er sei zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommen werde im Herbst.
Mehr lesen: Länder wollen bei Finanzausgleich anderen Schlüssel
Der derzeitige Schlüssel, der zwei Drittel (66 Prozent) der Steuereinnahmen beim Bund vorsieht, soll laut Ländern verändert werden zu deren Gunsten. 22 Prozent gehen an die Länder, elf Prozent an die Kommunen. Die Länder wollen den Bund dagegen in Richtung 60 Prozent drücken. Brunner gibt als Antwort eine Gegenfrage Richtung Länder: "Geht es um die Geldverteilung oder um konkrete Projekte?"
Nach den aktuellen Insolvenzen von kika/Leiner und Forstinger gefragt, sagt der ÖVP-Minister: "Jede Insolvenz macht Sorgen."
"Jede Insolvenz macht Sorgen"
Kika/Leiner habe sich "wie jedes Unternehmen an Regeln zu halten". Wann und ob die 150 Millionen Euro an Steuerstundungen an die Republik zurückzahlen wird müssen, das werde gerade geprüft.
Die schlechten Umfrageergebnisse für die Volkspartei will Magnus Brunner nicht überbewertet wissen. "Umfragewerte sind Momentaufnahmen", man könne nur mit "seriöser Arbeit das Vertrauen zurückgewinnen". Alle amtierenden Regierungen Europas seien bei den jüngsten Wahlen abgestraft worden - mit Ausnahme von Griechenland, argumentiert Brunner weiter.
Mehrfach danach gefragt, ob er als Minister für eine Regierung zur Verfügung stünde, deren Kanzler Herbert Kickl heißt, sagt er: "Das ist nicht mein Zugang. Diese mediale Diskussion kann man immer führen. Aber ich kämpfe jeden Tag dafür, dass der Kanzler Nehammer heißt."
Er könne sich "nur einen Kanzler Nehammer vorstellen" und möchte "keinen Kanzler Kickl, keinen Kanzler Babler", sondern eine "stabile Mitte" und diese sei mit Nehammer gegeben.