Politik/Inland

Praktika für Lehrlinge, wo man sonst Urlaub macht

Pizzabacken und Pasta – aber bitte al dente – in Mailand servieren. Lieferscheine und Rechnungen ausstellen, unter Palmen Spanisch lernen – in Gran Canarias Hauptstadt Las Palmas. Haare schneiden oder Bücherbinden im südirländischen Cork.

Das sind nur einige Beispiele, was Lehrlinge während ihrer Ausbildungszeit im Ausland so machen könnten.  Ein Auslandspraktikum helfe bei der Entwicklung von Persönlichkeit, Selbstständigkeit und verbessere die Fremdsprachenkenntnisse, sagt Jakob Calice, Geschäftsführer der österreichischen Bildungsagentur OeAD. 

Hohes Interesse, geringes Wissen

Das Problem: Nur rund die Hälfte aller Lehrlinge weiß laut einer WKO-Umfrage, dass sie während ihrer Ausbildung auch Auslandspraktika machen können. Dabei hätte rund ein Drittel Interesse an einem mehrmonatigen Auslandsaufenthalt.

Bei den Betrieben sei es so, dass vor allem jene Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit Auslandspraktika gemacht haben, weitere Lehrlinge ins Ausland schicken würden, erklärt Studienleiter Kurt Schmid vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw). In Zahlen: 80 Prozent jener Betriebe, die bereits Lehrlinge ins Ausland geschickt haben, hegen ein Interesse, das wieder zu machen. Unter den Lehrbetrieben ohne Erfahrung liegt die Bereitschaft bei lediglich 34 Prozent.

Persönlichkeitsbildend

Die unerfahrenen Betriebe würden den Nutzen der Auslandserfahrung deutlich unterschätzen, meint Schmid: Zuwachs an Eigenständigkeit, Persönlichkeitsbildung und bessere Fremdsprachenkenntnisse.

"Den Betrieben kostet das aus meiner Sicht nichts", sagt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Ihnen werde das Brutto-Gehalt der Lehrlinge ersetzt. Außerdem gibt es einen Zuschuss für Reise- und Aufenthaltskosten, gratis Sprachkurse und ein Taschengeld von 15 Euro pro Tag für Lehrlinge.

Das Argument von Betrieben gegen Auslandspraktika, dass die ausgefallene Arbeitskraft im Produktionsprozess fehlen würde, will Schramböck nicht gelten lassen und verweist dabei auf ihre praktische Erfahrung in Unternehmen: "Aus meiner Sicht kann der Produktivitätsentfall nicht die Begründung sein, dass man Lehrlingen nicht den Zugang zum internationalen Praktikum ermöglicht."

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Ziel: Verdoppelung

Finanziell wäre das kein Problem. Die EU hat die Gelder für Auslandspraktika im Rahmen von „Erasmus Plus“ für den Zeitraum 2021 bis 2027 verdoppelt. Parallel dazu soll nun auch die Zahl der Lehrlinge im Ausland verdoppelt werden – auf 2.000 Personen. Derzeit nehmen rund drei Prozent der Lehrlinge ein Auslandspraktikum in Anspruch. Zum Vergleich: Bei Studenten liegt dieser Wert bei rund 20 Prozent.

Regierung, WKO und OeAD kündigen eine gemeinsame Informationsstrategie an, um das zu ändern. Rahmenpunkte: Man möchte stärker über die Fördermöglichkeiten im Rahmen von Erasmus Plus informieren, dafür regionale Strukturen nutzen und eine Lehrlingswoche mit Veranstaltungen zum Thema "Lehrlingsmobilität" ins Leben rufen. Zudem geplant: Social-Media-Kampagnen und eine stärkere Vernetzung von Betrieben. Ein weiterer Anreiz könnte sein, dass im Rahmen von Erasmus künftig auch Praktika im außereuropäischen Ausland – etwa in China oder den USA – gefördert werden, betont Calice.

Mit Ende 2020 wurden österreichweit 108.416 Lehrlinge in österreichweit 28.711 Lehrbetrieben ausgebildet - davon ein Drittel weiblich. Die Ausbildungsdauer in den 211 unterschiedlichen Lehrberufen liegt zwischen zwei bis vier Jahren.

In Österreich gibt es einen Lehrlingsmangel: Auf 13.800 offene Stellen kommen 10.100 Lehrstellensuchende.

Im Rahmen von Erasmus Plus werden Auslandspraktika zwischen 10 und 365 Tagen gefördert. Wie hoch diese Förderung ausfällt, hängt von der Dauer des Aufenthalts und vom Gastland ab. Für einen zweiwöchigen Aufenthalt in Dänemark ersetzt Erasmus Plus Reise-, Aufenthalts- und Unterstützungskosten in Höhe von 1.258 Euro.