Edtstadler in Debatte um Strafmündigkeit: "Es geht nicht darum, Kinder einzusperren"
Brunei, Jemen, Kuwait, Myanmar und Nigeria - in diesen Ländern liegt die Strafmündigkeit bei sieben Jahren, im Iran werden Mädchen ab neun Jahren strafmündig.
Beispiele, die Justizministerin Alma Zadić am Donnerstag im Bundesrat angeführt hat, um ihrer Ablehnung der ÖVP-Forderung nach Senkung der Strafmündigkeit Nachdruck zu verleihen. Mit einer solchen Änderung würde sich Österreich in "keine gute Gesellschaft begeben", sagte sie.
Tags darauf der Konter von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). "Sicherheit und Schutz unserer Kinder darf keine ideologische Frage sein. Gerade in so einem sensiblen Bereich bedarf es einer breiten Diskussion", richtet sie der grünen Justizministerin aus.
"Ideologiefreie Diskussion"
Die Jugendkriminalität in Österreich sei deutlich angestiegen, in den vergangenen zehn Jahren habe sich die Anzahl von unmündigen Tatverdächtigen beinahe verdoppelt.
Daher sei es wichtig, betont Edtstadler, dass der Bundeskanzler diesen Prozess angestoßen hat. Die von Innenminister Gerhard Karner und ihr eingesetzte Arbeitsgruppe hebe den Auftrag, Lösungsansätze für verschiedene Problembereiche zu finden.
"Diese betreffen insbesondere die Rolle und Verantwortung der Eltern, die Schieflage zwischen Delikten gegen Leib und Leben und Vermögensdelikten und die Herabsetzung der Strafmündigkeit", erklärt die Verfassungsministerin.
Und weiter: "Hier von vornherein Dinge abzulehnen und Maßnahmen auszuschließen halte ich für nicht sinnvoll. Auch eine Verzerrung der Diskussion ist nicht zulässig."
Es gehe nicht darum, "Kinder ins Gefängnis zu bringen", sondern durchsetzbare Maßnahmen ergreifen zu können, die derzeit mit dem Alter der Strafmündigkeit zusammenhängen. "Ich würde mir im Sinne der Sicherheit unserer Gesellschaft eine ideologiefreie Diskussion wünschen", so Verfassungsministerin Edtstadler.
Die Forderung nach einer Senkung hatte Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer Anfang März erhoben, nachdem ein Missbrauchsfall an einer Zwölfjährigen mit gesamt 17 Tatverdächtigen bekannt geworden war.
ÖVP-Grün-Initiative im Jahr 2020
Im Oktober 2020 hat sich die ÖVP - in Person von Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler - übrigens noch für eine Erhöhung der Strafmündigkeit in Ländern außerhalb der EU eingesetzt - und zwar auf das vollendete 14. Lebensjahr. Der gemeinsame Antrag von ÖVP und Grünen wurde einstimmig im Nationalrat angenommen.
Danach gefragt erklärt Kugler, dass es damals um Kindergefängnisse gegangen sei, in denen teilweise sogar 8- bis 10-Jährige inhaftiert sind. Dagegen wollte der Nationalrat ein starkes Zeichen setzen. "Die jetzige Diskussion, die aufgrund der Vorfälle leider notwendig geworden ist, steht dem nicht entgegen." Es sei eine "Diskussion, die wir leider führen müssen", ein Ergebnis könne sie nicht vorwegnehmen, sagt Kugler im KURIER-Gespräch.
Schweiz als Vorbild
In der Debatte wurde zuletzt die Schweiz als Vorbild genannt. Justizministerin Zadić erklärte, dass das formelle Alter zwar tatsächlich bei zehn Jahren liege, Geld- oder Freiheitsstrafen würden jedoch erst ab 15 verhängt. Davor gebe es dort pädagogische Reaktionen in multiprofessionellen Teams, die Kinder würden also nicht eingesperrt.
"Das ist in Österreich ja auch möglich", unterstrich die Ministerin und nahm die Bundesländer in die Pflicht, die seit 2020 die Kinder- und Jugendhilfe in ihre Kompetenz übernommen haben. Als vorbildlich nannte sie hier Oberösterreich und Wien, die bereits entsprechende Arbeitsgruppen eingesetzt hätten.
Im Justizausschuss hatte die Ministerin kritisiert, dass oft zugewartet werde, bis Jugendliche 14 Jahre alt sind und der Strafjustiz übergeben werden können. Wenn ein Jugendlicher in Österreich ins Gefängnis müsse, hätte er "schon echt etwas verbrochen", es sei zu spät, erst hier anzusetzen, so die Justizministerin.
Weiters wies sie darauf hin, dass Paragraf 199 im Strafgesetzbuch die Eltern in die Pflicht nehme.