Politik/Inland

Anschober rechnet mit Corona-Impfstoff im 1. oder 2. Quartal 2021

Gesundheitsminister Rudolf Anschober gab heute Vormittag in einer Pressekonferenz einen Überblick zur aktuellen Corona-Lage. 

International, aber auch in Österreich, steigen die Zahlen wieder. Die Regierung blickt mit Sorge in den Herbst, eine zweite Welle soll durch einen neuen 17-Punkte-Plan, zu dem auch ein Ampel-System für die Bezirke gehört, verhindert werden. 

Es gibt aber auch Hoffnung in Bezug auf einen Impfstoff: Anschober ist zuversichtlich, dass es im ersten oder zweiten Quartal des neuen Jahres ein erstes Produkt gibt. 

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Derzeit gibt es weltweit 180 Projekte, 18 davon sind bereits in der klinischen Erprobung. Zwei sind bereits weiter fortgeschritten - deshalb der von ihm geschätzte Zeithorizont. 

Etwas Zeit braucht dann noch die Herstellung einer erforderlichen Anzahl von Dosen. Anschober spricht von 200 bis 400 Millionen Dosen.

Österreich beteiligt sich an dieser Beschaffungsaktion der EU intensiv, um dann auch möglichst schnell an Impfstoffe zu kommen. Von einem Rittern um Lieferungen zwischen den Ländern hält er aber nichts. Es soll also genug für alle da sein. 

Höhepunkt der weltweiten Pandemie noch nicht erreicht

In den vergangenen Tagen habe er mit internationalen Vertretern Gespräche geführt, erzählt Anschober. Fazit: Die Pandemie sei noch nicht am Höhepunkt angelangt, und das sei besorgniserregend. Mittlerweile gibt es weltweit mehr als 200.000 Neuinfektionen pro Tag. 

Die Pandemie sei die schwerste seit Jahrzehnten und löse auch die schwerste Rezession seit Jahrzehnten aus. Das Abwägen zwischen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Interessen sei jetzt auch die größte Herausforderung. Eine zweite Welle im Herbst wäre "wirtschaftspolitisch eine Katastrophe". 

In Israel, ein Land, das lange Zeit Vorbild war, schlagen die Zahlen nach einer kurzen Entspannung jetzt wieder extrem aus, ebenso in Singapur. 

Österreich waren wir zwischendurch bei Tageszuwächsen von 30 bis 35, derzeit sind wir wieder über 100 Neuinfektion pro Tag, erklärt Anschober. 

Mit regionalen Ausbrüchen war zu rechnen

Jetzt sei man in Phase 3 - das ist die Phase der Stabilisierung nach den Öffnungsschritten. Es gab Grenzöffnungen, mehr Bewegung, mehr Tourismus. In dieser Phase sei mit regionalen Ausbrüchen zu rechnen gewesen. Die Regierung arbeite nun mit verstärkten Testungen und Screening in Risikobereichen. 

Die Testungen, so Anschober, seien erfolgreich: "Wir werden fündig." Freilich seien gemeldete Fälle schlecht, andererseits sei es ein frühes Entdecken von Herden, um diese dann einzudämmen. "Und diese neue Qualität ist gut." 

Weitere Maßnahmen sind Reisewarnungen und Grenzkontrollen - vor allem in Richtung Westbalkan. Dort seien die Daten deutlich nach oben gegangen. 

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Schwerpunkte sind in Österreich derzeit drei Bundesländer: Oberösterreich, Wien und Niederösterreich. Der Rest Österreichs ist bei null oder einem Infektionsfall. 

Von regionalen zu bundesweiten Maßnahmen

Derzeit gibt es in den Ländern unterschiedliche Regelungen zur Maskenpflicht. Aber: Sobald es bundesweit einen Anstieg gibt, wird man von den regionalen Maßnahmen zu bundesweiten übergehen. "Ja, da kann auch der Mund-Nasen-Schutz ein Thema werden", sagt Anschober. "Das kann früher kommen, als manche glauben."

Das Risikobewusstsein sei, so Anschober, bei manchen zurückgegangen. Manche seien irregeleitet gewesen. Sie dachten, das Virus sei weg. "Dem ist leider nicht so." Er spüre aber zuletzt wieder ein steigendes Risikobewusstsein. 

Jetzt müsse man sich auf den Herbst vorbereiten - es folgt Phase 4. "Wir wollen mit aller Kraft diese zweite Welle vermeiden. Ich bin sehr optimistisch, dass wir das können, wenn wir wieder - wie im Frühling - zusammenhalten", sagt Anschober. 

Das Ampel-System

Die Regierung arbeitet an einem Plan mit 17 Punkten. Dazu gehört, dass die Testungen beschleunigt werden sollen. Maximal 48 Stunden sollen zwischen der Bekanntgabe von Symptomen und Testergebnis liegen, sagt Anschober, der diesbezüglich einen Erlass vorbereitet. 

Das Contact Tracing soll verbessert werden und die Hotline 1450 evaluiert werden, um zusätzliches Personal zu schaffen. 

Und, als größeres Projekt, soll ein Ampel-System eingerichtet werden. Grün würde bedeuten, dass die Situation in Ordnung ist. Wenn ein Bundesland gelb wird, sind Maßnahmen einzuleiten. Anschober vergleicht das mit dem Lawinen-Warnsystem. 

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Zudem soll eine Corona-Kommission eingerichtet werden, die Maßnahmen empfiehlt. Diese werden dann von den regionalen Behörden gemeinsam mit dem Ministerium abgewogen und umgesetzt. 

Fraglich ist noch, wie in Wien vorgegangen wird - die Menschen bewegen sich innerhalb der Stadt ja zwischen den Bezirken, wo es dann unterschiedliche Regeln geben könnte. Man werde sich das genau anschauen, sagt Anschober, der sich ein Einvernehmen mit der Stadt wünscht. 

Dasselbe gilt für Schulen und Kindergärten. Derzeit reicht ja mancherorts ein Verdachtsfall, dass einzelne Gruppen oder Klassen geschlossen werden. Mit dem Ampel-System soll auch da eine klare Vorgangsweise innerhalb eines Bezirks geben. 

Was ist jetzt wichtig für den Herbst?

Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl empfiehlt weiterhin, Abstand einzuhalten. Wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann, soll man eine Maske aufsetzen - zum Beispiel, wenn sich an der Supermarkt-Kassa Schlangen bilden. "So flexibel sollte man sein. Wenn das nicht geht, sollte wieder eine Pflicht kommen", sagt sie. 

Der Herbst sei deshalb heikel, weil sich dann mehr Menschen drinnen aufhalten. Drinnen sei das Risiko einer Infektion höher als in der frischen Luft. "Aerosole sind in Innenräumen stabiler", das wisse man auch von den Cluster-Testungen. 

Inwieweit Kälte mitspielt, sei noch nicht ganz klar. "Viren haben es generell gerne kühl", sagt sie. Genau könne man es aber nicht sagen. Israel sei eher ein heißes Land, dennoch gibt es dort derzeit große Ausbrüche. 

Zur Frage, wann eine Maske sinnvoll sei, nennt Puchhammer-Stöckl Veranstaltungen. Sie seien, wenn gesungen und geschrien wird, "Superspreader-Events". Sie selbst sei kürzlich bei einem Jazz-Konzert gewesen. Die Besucher seien mit Maske hineingegangen, nach dem ersten Stück hätten sie aber viele abgenommen und "Bravo" geschrien. Sie selbst sei dann gegangen.

Es gibt zwar Sicherheitskonzepte; eine Empfehlung, in solchen Situationen eine Maske aufzusetzen, sollte aber in dieses Konzept aufgenommen werden, sagt Puchhammer-Stöckl. 

Unterschiedliche Regelungen in den Ländern

In Oberösterreich muss überall im öffentlichen Raum wieder Maske getragen werden, in Salzburg in manchen Amtsgebäuden, in Kärnten ab 21 Uhr in einzelnen Gemeinden an öffentlichen Plätzen. Im Burgenland gibt es in Spitälern spezielle Vorschriften und in der Steiermark wird lediglich empfohlen, in Lebensmittelläden Masken zu tragen. 

Diesen "Fleckerlteppich" an Regelungen kritisiert auch Bio-Ethikerin Christiane Druml, die in der Corona-Taskforce der Regierung sitzt. Es brauche "klare Entscheidungen und klare Regeln", sagt Druml am Freitag im Ö1-Morgenjournal. 

Das Ampel-System steht noch nicht. Druml empfiehlt, dass der Bund schon jetzt wieder einheitliche Regeln vorgibt - also eine generelle Maskenpflicht, etwa in Lebensmittelgeschäften und auf Märkten. 

In den öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Maske noch immer Pflicht, weil aber auch da die Disziplin nachlässt, drohen in den ÖBB und in der Westbahn, aber auch in Öffis in Graz und Kärnten nun Strafen zwischen 40 und 50 Euro. Die Wiener Linien strafen bereits. 

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