Beamte wehren sich gegen "unreflektiertes Einprügeln" nach Quarantäne-Aus
Manfred Matzka, langjähriger Sektionschef im Bundeskanzleramt, wirft dem Gesundheitsminister in einem persönlichen Brief "Gemeingefährdung" vor – und beleidigt darin auch dessen Beamtenschaft, die nun ihrerseits mit einem offenen Brief kontert. Es ist ein Brief, der zugleich wie eine Abrechnung mit der politischen Führung ihres Ressorts klingt.
Aber von vorn: Der Ex-Sektionschef schrieb vergangene Woche, dass Gesundheitsminister Johannes Rauch durch die Abschaffung der Quarantäne für Corona-Infizierte "fahrlässig eine Gefahr für Leib und Leben" herbeigeführt habe. Und das sei, so Matzka, ein Straftatbestand, bei dem bis zu zehn Jahre Haft drohen.
"Qualitätsniveau" der juristischen Vorarbeit
Der Ex-Sektionschef weist darauf hin, dass viele Experten vor dem Quarantäne-Aus gewarnt haben – der Minister werde es also schwer haben, zu beweisen, dass diese Gemeingefährdung nicht vorliegt.
Nun zum heiklen Part. Matzka schreibt: "Angesichts dieser hohen Anforderungen einerseits und der Kenntnis des Qualitätsniveaus der juristischen Vorarbeiten in Ihrem Ressort und in Ihrem Ministerbüro andererseits wünsche ich Ihnen dabei recht viel Glück. Sie werden es brauchen."
Er rät dem Gesundheitsminister, sich an die Justizministerin zu wenden, die ihm "gerne die Expertise ihres Hauses zur Verfügung stellen" werde.
Die Fraktion "Unabhängiger Gewerkschafter" (UGÖD) wehrt sich nun mit einem offenen Brief gegen die "wenig freundlichen Worte für das Qualitätsniveau der juristischen Vorarbeiten" – und distanziert sich zugleich von den politischen Verantwortungsträgern.
So merken die Autoren des Briefes an, es sei "schon erstaunlich", dass Matzka "keinerlei Unterscheidung zwischen politischer und Beamten-Ebene" treffe, wo er selbst doch noch im März 2021 festgestellt habe, dass den Beamten und Sektionschefs keine eigene Verantwortung mehr zugebilligt werde, sondern von "Generalsekretär oder Ministerbüro an die ganz kurze Kandare genommen werden".
"Unreflektiert einprügeln"
Für die UGÖD sei daher "völlig inakzeptabel, dass jetzt auf die Bediensteten eines Ressorts unter großem medialen Getöse sogar schon aus den eigenen (ehemaligen) Reihen unreflektiert eingeprügelt wird".
Öffentlich Bedienstete hätten – "selbst wider besseres Wissen und Gewissen" – die Weisungen ihrer Vorgesetzten zu befolgen, außer sie würden damit gegen Verfassung, Zuständigkeiten oder Strafgesetz verstoßen.
Matzka wisse genau, dass die Bediensteten "zu nachtschlafender Zeit, am Wochenende und oftmals erst kurz nach den Pressekonferenzen der jeweiligen Minister alles in Verordnungen und Gesetzestexte fassen müssen, was Minuten zuvor ganz Österreich zur Kenntnis gebracht wurde, ihnen aber nicht".
Und er wisse ebenso genau, dass die von Ressortjuristen verfassten Texte "nach der politischen Koordination nicht selten von ihnen selbst nicht wiedererkannt worden wären, wenn sie nicht wüssten, um welches Thema es sich gehandelt hat".
Politik und Sündenbock
Die Gewerkschafter fordern Matzka dazu auf, "nicht die Bediensteten öffentlich zu geißeln, sondern eine klare Unterscheidung zwischen Politik und Sündenbock zu treffen".
In diesem Sinne bedankt sich die UGÖD bei den Bediensteten des Gesundheitsressorts für ihre "hervorragende Arbeit, die sie trotz widrigster Umstände und unter immensem Zeitdruck ganz besonders seit März 2020 geleistet haben".
Minister dankt Beamten
Die UG (Unabhängige Gewerkschaft) ist die drittstärkste Fraktion in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), im Gesundheitsministerium allerdings noch nicht vertreten. Eine Gruppe sei derzeit im Aufbau, es gebe auch bereits einen Vertreter, der bestens vernetzt sei, sagt Vorsitzender Ingo Hackl auf KURIER-Rückfrage.
Im Ministerbüro geht man weder auf den Brief von Ex-Sektionschef Matzka, noch auf die Replik der Gewerkschafter ein. Betont wird aber, Gesundheitsminister Rauch stelle sich "schützend vor die Beamten" und bedankt sich für deren "großartige Arbeit".