Politik/Inland

Kurz: Flüchtlingsdeal mit Türkei wird nicht halten

Um es vorsichtig zu sagen: Zwischen Österreich und der Türkei kriselt es. Der Vorstoß von Bundeskanzler Christian Kern, die EU-Beitrittsgespräche mit der Regierung in Ankara einzustellen, sorgt in der Türkei für Unmut. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat die Aussagen Kerns als "hässlich" zurückgewiesen und spricht von Österreich als "Zentrum des radikalen Rassismus".

Während EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Kerns Vorschlag eine Absage erteilt hat, verteidigt Außenminister Sebastian Kurz den österreichischen Bundeskanzler. Die Türkei müsse ihre "Hausaufgaben machen" und sich selbst in Wortwahl und "Vorgehen im Land mäßigen", sagte Kurz. In der "ZiB2" am Freitag konkretisierte der Außenminister seine Kritik. Aus seiner Perspektive ist ein Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei "sinnvoll", weil die Türkei sich "in den letzten Jahren immer weiter weg von Europa entwickelt" habe und speziell in den letzten Wochen "eine immer dramatischere Entwicklung" genommen habe. Außerdem ist Kurz der Auffassung, dass auch das Flüchtlingsabkommen mit Ankara vor dem Aus steht.

Angesichts der dramatischen Entwicklungen in den vergangenen Wochen hofft Kurz, dass niemand auf die Idee komme, neue Kapiteln für den EU-Beitritt der Türkei zu eröffnen. Wenn regierungskritische Personen festgenommen werden und die Pressefreiheit eingeschränkt wird, könne man das in der EU nicht so hinnehmen, erklärt Kurz mit Blick auf die Folgen des Putschversuchs in der Türkei. "Wenn wir zu unseren Grundwerten stehen, müssen wir auch eine klare Meinung vertreten."

Flüchtlingspakt wird nicht halten

Zudem kritisierte Sebastian Kurz abermals den umstrittenen Flüchtlingspakt mit der Türkei. Als Europäische Union dürfe man sich nicht erpressbar machen, sagt der Außenminister. "Wir sollen weder das australische noch das spanische Konzept kopieren", aber die EU müsse die Außengrenze selbst sichern.

"Der Flüchtlingsdeal wird nicht halten", sagte Kurz in der "ZiB2" und forderte erneut, die EU müsse hier "ihre Hausaufgaben machen", um "unabhängig und nicht erpressbar" zu werden. "Jetzt droht das Kartenhaus der verfehlten Flüchtlingspolitik in Europa zusammenzubrechen", sagte der Minister. Man habe diese Aufgabe an die Türkei delegiert und Ankara dafür finanzielle Zuwendungen, eine Visaliberalisierung und die Eröffnung neuer Kapitel der Eu-Beitrittsverhandlungen zugesagt. Nun erfülle die Türkei aber nicht die Kriterien für die Visumfreiheit und die Voraussetzungen für die Beitrittsverhandlungen seien nicht gegeben - woraus Kurz ableitet, dass der Flüchtlingsdeal in absehbarer Zeit scheitern wird.

Die Antwort darauf sieht der Außenminister einerseits in "ordentlichen Kontakten zur Türkei" fernab einer EU-Mitgliedschaft, anderseits aber in einer verstärkten Wahrnehmung des Schutzes der EU-Außengrenzen und der Rückführung illegal Einreisender: "Wenn wir das nicht zustandebringen, sind wir schwach und verletzbar in der Diskussion mit der Türkei."

Botschafter einbestellt

Während Kurz bei einem Treffen der deutschsprachigen Außenminister in Liechtenstein weilt, hat man unterdessen am Freitag den türkischen Botschafter ins Außenministerium bestellt. Wie Ministeriumssprecher Thomas Schnöll erklärte, hat das Außenamt dabei gegen die jüngsten Äußerungen türkischer Regierungsminister in Richtung Wien "schärfstens protestiert".