SPÖ-Chef Babler im Sommergespräch: "Ich will eine Gesellschaft ohne Sozialmärkte"
Von Christian Böhmer
Montagabend war Andreas Babler an der Reihe, der Vorsitzende der SPÖ gastierte im ORF-Sommergespräch. Und knapp fünf Wochen vor der Nationalratswahl war das Interview des roten Spitzenkandidaten das vermutlich spannendste in dieser Gesprächsreihe.
Einer der Gründe dafür: Im Unterschied zu den anderen Parteichefs ringt Babler in diesen Tagen - wieder einmal - um die innerparteiliche "Lufthoheit", seine Autorität steht zur Disposition. Denn kaum war die Affäre um den zurückgetretenen Linzer Bürgermeister Klaus Luger halbwegs erledigt (Details siehe hier), musste Babler öffentlich Kritik der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures einstecken. Wie berichtet fürchtet die Zweite Nationalratspräsidentin, die Partei könnte aufgrund ihres Wahlprogramms nicht ernst genommen werden.
Wie also legte er's an, der rote Parteichef?
Eingangs ging es gleich um Bures Kritik und wie sehr ihr der Parteichef noch vertraut. Babler versuchte die Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass Bures' Kritik überhaupt öffentlich wurde. „Das Papier wurde geleaked, um Unruhe zu stiften. Das verunsichert die Zuseher. Ich werde das stoppen müssen."
Kritik sei legitim und wichtig, inhaltlich teile er sie nicht. Und dann verteidigte Babler Bures sogar. Das Wahlprogramm sei noch in Abstimmung. "Es gab nur eine Gegenstimme - und das war nicht Doris Bures." Und überhaupt leiste die Zweite Nationalratspräsidentin wertvolle Arbeit in der Bewegung.
In der Folge ging es dann um die inhaltliche Kritik, wonach die Forderungen im Wahlprogramm schlichtweg nicht finanzierbar seien. Ganz allgemein hält Babler dem entgegen: "Dieses Programm ist gegenfinanziert!"
Glaubt man Babler, so sind die ausgabenseitigen Maßnahmen des SPÖ-Wahlprogramms mit 12,5 Milliarden Euro zu beziffern. Dem stünden durch Wirtschaftswachstum und andere Faktoren bedingte Mehr-Einnahmen von 14 Milliarden Euro gegenüber - es gäbe also einen positiven Saldo was die Einnahmen des Staates angeht.
Mit Leidenschaft verteidigte der SPÖ-Chef seine Forderung nach einer Millionärssteuer und auch einer Anhebung der Körperschaftssteuer. Es gehe nicht, dass "fünf einzelne Familien in Österreich so viel Vermögen haben wie die Hälfte der Bevölkerung". Die Super-Reichen müssten einen fairen Beitrag leisten.
Die Frage, ob dies eine unabdingbare Koalitionsbedingung sei, beantwortete der SPÖ-Vorsitzende etwas ausweichend damit, dass es sich um eine "Bedingung für eine bessere Zukunft" handle.
Er, Babler, habe nur eine Bedingung: "Das Leben muss wieder leistbarer werden - und das darf nicht mit Kürzungen bei der Gesundheit oder den Pensionen bezahlt werden.“
Mindestsicherung zum AMS
Breiten Raum nahm im Gespräch die Frage ein, wie sich der SPÖ-Chef eine Reform der Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung vorstellt.
„Ich denke nicht im alten System", antwortete Babler. "Wir denken nicht an eine Reform der Mindestsicherung." Die Agenden der Mindestsicherung sollten anstatt der Länder vom AMS übernommen werden. Zusätzlich solle es das Modell einer Kindergrundsicherung geben, die für jedes Kind mit 312 Euro beziffert sein solle. "Jedes Kind muss strukturell aus der Kinderarmut rauskommen." Und überhaupt habe er ein Ziel: „Ich will eine Gesellschaft ohne Sozialmärkte.“
Kurswechsel bei der Asylpolitik
Beim emotionalen Thema der Migration und Asylpolitik beharrte Babler darauf, dass es in der SPÖ einen "Kurswechsel" gegeben habe.
Bei der Frage, woran genau er das festmacht, blieb er freilich eher vage. Eines sei klar: Mit dem SPÖ-Modell und seinem Vorhaben, in der Asylfrage unsolidarische EU-Staaten wie Ungarn zu klagen, würden 75 Prozent weniger Flüchtlinge nach Österreich kommen. "Wir hatten Zigtausende in Österreich, die eigentlich nach Ungarn gehört hätten."
Außenpolitisch blieb das ORF-Sommergespräch etwas an der Oberfläche. Babler verteidigte erwartungsgemäß die allgemeine Wehrpflicht und die Neutralität. Letztere könne gerade aufgrund der Tatsache, dass mittlerweile sehr viele EU-Nachbarn NATO-Mitglied sind, ein wertvoller Faktor sein, damit Österreich "friedenspolitische Initiativen" setzen kann.
Bleibt die Frage, ob er bei einer allfälligen Regierungsbeteiligung der SPÖ nur als Regierungschef zur Verfügung steht. Dazu der SPÖ-Vorsitzende: "Ich bin angetreten, um Bundeskanzler zu werden."