Drittreichster Ungar will bei Parlamentswahl Orbán herausfordern
Von Caroline Ferstl
Bereits Ende November hat es erste Gerüchte gegeben, dass der Milliardär und drittreichste Ungar György Gattyán, der sein Vermögen mit der Gründung eines Porno-Streamingdienstes gemacht hat, bei der Parlamentswahl 2022 antreten könnte (mehr dazu hier). Ende Dezember verdichteten sich diese, als der 51-jährige Inhaber der global agierenden ungarischen IT-Unternehmensgruppe Docler Holding mit Sitz in Luxemburg die Partei namens "Bewegung Lösung" gegründet, die er selbst als gemäßigte, liberale Partei bezeichnet. Am Mittwoch bestätigte Gattyán gegenüber der APA seine Kandidatur für die Parlamentswahl am 3. April.
Kritische Stimmen im In- und Ausland meinen, es sei durchaus möglich, dass hinter der Kandidatur ein Plan der Fidesz-Partei stecke, um eine zweite Alternative zu Premierminister Viktor Orbán aufzustellen und die Chancen eines Sieges der geeinten Oppositionsparteien zu mindern. In den jüngsten Umfragen liegen Orbáns Partei und die Opposition faktisch gleichauf.
Geschäftsmann mit Regierungsnähe
Fakt ist, dass Gattyán an zahlreichen Projekten teilweise eng mit der regierenden Fidesz-Partei zusammenarbeitet: Er ist Inhaber der Budapester János Kodolányi Universität und Finanzier der bekannten Filmreihe "Ungarische Volksmärchen". Etwas kurios erscheint sein sportliches Engagement: Er ist "Miterfinder" der Ballsportart Teqball, bei der mit einem Fußball über einen gewölbten, Tischtennistisch ähnlichen Tisch gespielt wird. Gattyán ist Vizepräsident der Fédération Internationale de Teqball (FITEQ), die staatlich unterstützt wird. Zudem gibt es auch von der Regierung unterstützte Bemühungen, den Sport bei den Olympischen Spielen einzuführen.
Gattyán reagiert darauf gelassen. Zur APA meinte er: "Ich habe es nicht nötig, angesichts meiner 51 Jahre, davon mehr als zehn Jahre mit internationale Erfahrungen, und des Aufbaus meiner Unternehmen als Marionette von wem auch immer aufzutreten. Ich lasse mich weder erpressen noch bestechen."
Sein Programm für ein digitalisiertes Ungarn soll vor allem junge Wähler anziehen und beinhaltet Themen wie Lohnerhöhung, Stopp der Vergeudung von Steuergeldern, digitale Transformation im Gesundheits- und im Bildungswesen sowie in der staatlichen Verwaltung. Wie viele osteuropäische Länder hat auch Ungarn ein Problem mit der Abwanderung der jungen Bevölkerung.
Um bei der Parlamentswahl antreten zu können, muss Gattyán 106 Abgeordnete, einen in jedem Wahlkreis, aufstellen können. Die Kandidaten würden sich schon melden, der Programmrat der Partei entscheiden, meinte Gattyán im Interview. Die Kosten für den Wahlkampf im Netz, in TV und Presse würde man schon decken können.
Márki-Zay an Corona erkrankt
Der Spitzenkandidat der Opposition, der liberal-konservative Péter Márki-Zay, reagiert auf Gattyáns Kandidatur ablehnend: Parteien, die gegen die vereinte Opposition antreten wollen, dienten den Interessen der rechtsnationalen Fidesz-Partei und der Spaltung der Wähler der Opposition. Zudem kam der Vorwurf, dass Gattyán nicht an der Vorwahl der Oppositionsparteien zur Kür des Spitzenkandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten teilgenommen hatte.
Neben Gattyán befand sich auch Márki-Zay auf Wahlkampftour durch Ungarn, bis er am Mittwoch meldete, an Corona erkrankt zu sein. "Mir geht es gut, ich habe leichte Erkältungssymptome", vermeldete der 49-Jährige. Márki-Zay sei dreimal geimpft und habe sich unter Quarantäne gestellt.
In fünf Tagen wolle er mit einem negativen Test die Tour durchs Land fortsetzen. Erst im Dezember hatte sich der Oppositionsführer den Arm gebrochen und musste operiert werden.
Opposition will Euro einführen
Zuvor hat Márki-Zay in einem Interview mit dem Sender ATV ein erstes konkretes politisches Vorhaben erklärt: die Einführung des Euro innerhalb von fünf Jahren. Während Nachbarstaaten wie die Slowakei und Slowenien bereits die Gemeinschaftswährung eingeführt haben, gibt es für Ungarn kein offizielles Beitrittsdatum. Dabei betreibt Ungarn etwa 80 Prozent seines Handels mit anderen EU-Staaten. Für Orbán war die Einführung des Euro bisher kaum ein Thema, er hat seinerseits erklärt, es müsse vor einem Beitritt zur Euro-Zone einen nationalen Konsens darüber geben.