Schallenberg: "Es gibt Risse im russischen Gebälk"
Das Treffen der EU-Außenminister am Montag in Luxemburg wird von den Ereignissen am Wochenende in Russland dominiert. Zum Verbleib des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin habe er keine konkreten Informationen, erklärte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in Luxemburg.
Es ist "ist nicht schlecht, wenn er von der Bildfläche verschwindet. Putin (Russlands Präsident Wladimir, Anm.) sollte sich ein Vorbild an Prigoschin nehmen und auch umkehren", so Schallenberg.
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"Es gibt Risse im Machtgefüge"
"Man hat fast ungläubig zugeschaut, wie ein größenwahnsinniger Söldnerführer seine Truppen in Bewegung setzt und es bis auf 200 km vor Moskau schafft", kommentierte Schallenberg den Aufstand Prigoschins am vergangenen Wochenende.
Dass Putin einen brutalen Angriffskrieg in der Nachbarschaft anzetteln könne, und das keinerlei Auswirkungen auf sein Land habe, habe sich als Illusion erwiesen, so Schallenberg: "Das ist eine interne russische Angelegenheit, aber sie zeigt: Es gibt Risse im russischen Gebälk, es gibt Risse im Machtgefüge. Es ist nicht alles so, wie Russland das immer nach außen darstellt." Denn "den bösen Geist aus der Flasche hat Putin selbst geholt. Und jetzt verfolgen ihn diese bösen Geister".
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Ukraine weiter unterstützen
Sein Ziel sei die Unterstützung der Ukraine. "Russland ist eine der größten Nuklearmächte des Planeten, das kann uns nicht egal sein, was dort geschieht. Ich will nicht, dass Putin damit davonkommt. Aber jede Schwächung Putins ist auch eine Gefährdung. Er hat sich das selbst zuzuschreiben: Er könnte morgen den Krieg beenden", betonte der österreichische Chefdiplomat. Für ihn wesentlich sei die geeinte, besonnene Reaktion des Westens auf den Söldner-Aufstand des vergangenen Wochenendes.
"Wir müssen das machen, was wir die letzten 16 Monate gemacht haben: Die Ukraine in ihrem Unabhängigkeitskampf unterstützen, und das werden wir auch weiter tun." Die EU-Außenminister wollten am Montag in einer Videoschaltung mit dem ukrainischen Chefdiplomaten Dmytro Kuleba über weitere Unterstützung für die Regierung in Kiew beraten.
Die Minister dürften beschließen, den gemeinsamen Militärhilfe-Fonds für die Ukraine um 3,5 Milliarden Euro aufzustocken.
Geschlossenheit ist die Stärke des Westens
Der Westen sollte nun Geschlossenheit zeigen, forderte Schallenberg vor dem Treffen: "Das ist unser größter Trumpf. Das Beste, was wir tun können, ist, die Ukraine zu unterstützen. Wir sollten nicht weiter Öl ins Feuer gießen. Da soll der russische Präsident im eigenen Saft brutzeln", betonte der Außenministein einem Interview mrt dem Deutschlandfunk vor dem Ministertreffen.
Auch seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock unterstrich, dass es um einen "innenpolitischen Machtkampf" gehe, und sich Deutschland nicht einmischen werde. Die Lage in Russland sei weiterhin unklar.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht den russischen Präsidenten durch die Revolte der Wagner-Söldner massiv geschwächt: "Das, was dieses Wochenende in Russland passiert ist, zeigt, dass der Krieg gegen die Ukraine die Militärmacht Russlands spaltet und das politische System beeinflusst. Ich denke, dass es wichtiger denn je ist, die Ukraine zu unterstützen. Und das werden wir tun."
Es sei nicht gut, wenn eine Atommacht wie Russland in eine Phase politischer Instabilität gerate. "Das Monster, das Putin mit Wagner geschaffen hat, beißt ihn nun", fügte Borrell hinzu.
Der österreichische Vorsitzende des EU-Militärausschusses Robert Brieger erklärte in Luxemburg, die Situation habe sich zwar über Wochen zugespitzt. Aber "die Ereignisse vom Wochenende haben wir so nicht erwartet."
Für die Europäische Union sei klar: "Wir müssen auf derartige Ereignisse in Zukunft vorbereitet bleiben." Die EU sei mit ihrer Absicht, die Resilienz und strategische Autonomie zu verstärken, auf einem guten Weg.
Am Freitagabend war der seit langem schwelende Machtkampf zwischen dem russischen Söldnerführer Jewgeni Prigoschin und der russischen Militärführung eskaliert. Kämpfer der Wagner-Truppe marschierten von der Ukraine aus mit dem Ziel nach Russland ein, die Militärführung in Moskau zu stürzen.
Nach rund 24 Stunden Aufstand vollzog Prigoschin am Samstagabend überraschend eine Wende und beorderte seine Söldner zurück in ihre Lager. Vorangegangen war dem eine Vereinbarung mit der russischen Führung, vermittelt durch Belarus.