Politik/Ausland

Massenprotest in Nigeria: "Wir protestieren, weil wir hungrig sind"

Die meisten Nigerianer sind, wie fast überall in Afrika, extrem jung. Das Durchschnittsalter liegt gerade einmal bei 17 Jahren. Eine solche Wirtschaftskrise wie in diesem Jahr haben die meisten von ihnen deshalb noch nie erlebt. Die Inflationsrate lag im Juni bei 34,19 Prozent so hoch war sie seit dreißig Jahren nicht mehr. 

Besonders schmerzhaft macht sich das an den Lebensmittelpreisen bemerkbar. Auf den Märkten in der Hauptstadt Lagos sind Yamswurzeln, ein Grundnahrungsmittel der nigerianischen Küche, heute fast viermal so teuer wie noch vor einem Jahr. 

Viele Nigerianer sind deshalb gezwungen, altes Obst und Gemüse zu kaufen oder ihre Speisen mit billigerem Afafata-Reis zu strecken, der eigentlich als ungenießbares Nebenprodukt bei der Reisproduktion gilt und bei vielen Menschen Verdauungsprobleme auslöst.

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Teuerungswelle

Die "Take it Back"-Bewegung fordert deshalb eine ganze Menge von Maßnahmen, um die Krise zu beenden, etwa Sozialleistungen für die Ärmsten oder kostenlose Bildung bis zum Erwachsenenalter. Die Kernforderung ist jedoch, dass die Regierung die Benzinförderung an alle Haushalte wieder einführen soll. 

Die hatte Präsident Bola Tinubu  kurz nach seinem Amtsantritt im Mai 2023 abgeschafft, um Regierungsgelder einzusparen. Doch die schlagartig abstürzende Nachfrage führte dazu, dass die Preise an den Tankstellen förmlich explodierten eine Teuerungswelle, die sich nach und nach auch auf andere Güter ausweitete.

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Seit Donnerstag gehen Tausende Menschen auf die Straße trotz Ausgangssperre und Toten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International soll die Polizei 13 Demonstranten getötet und dabei "bewusst tödliche Taktiken" und scharfe Schusswaffen angewandt haben. Mehr als 400 Menschen wurden verhaftet, einige Bundesstaaten haben Ausgangssperren verhängt, um Plünderungen zu verhindern. Die Organisatoren wollen zehn Tage lang unter dem Motto "#EndBadGovernance" - (deutsch: Beendet die schlechte Regierungsführung) demonstrieren. Der Slogan fand sich auch auf Tausenden Plakaten wieder.

Ihn treibe der Hunger auf die Straße, zitiert die FAZ einen jungen Demonstranten. "Wir können nicht mehr ruhig bleiben. Genug ist genug. Wenn unsere Forderungen nicht gehört werden, bleiben wir auf den Straßen." Gleichzeitig gibt es die Sorge, dass terroristische Gruppen die Demonstrationen für ihre Interessen nutzen könnten. 

Polizei droht mit Einsatz der Armee

Kayode Egbetokun, Generalinspektor der Polizeigeneralinspektor Kayode Egbetokun, sagte am späten Donnerstag, dass seine Kräfte in Alarmbereitschaft seien und möglicherweise die Armee um Hilfe bitten würden, um die Proteste zu beenden, falls sie gewalttätig werden. Ein Polizist sei bereits getötet worden.

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Bei manchen Nigerianern ruft dies schlimme Erinnerungen wach. Zuletzt griffen Soldaten 2020 bei Protesten gegen exzessive Polizeigewalt in Lagos ein. Mehr als 50 Menschen kamen damals ums Leben.

Das ölreiche Nigeria ist in weiten Teilen von Korruption, Armut und schwerer Gewalt von Banditen und Terroristen betroffen. Zugleich boomen Unternehmertum und Popkultur in den Metropolen des Küstenstaats mit seinen mehr als 220 Millionen Einwohnern. Viele Nigerianerinnen und Nigerianer wollen das Land verlassen und anderswo ihr Leben aufbauen. Von jungen Menschen getragene Proteste hatten in den vergangenen Wochen auch in Kenia und Uganda für Unruhe gesorgt.

In Kenia setzten Proteste den Präsidenten William Ruto dermaßen unter Druck, dass dieser seine geplante Steuererhöhung verwerfen musste. Doch das Land zahlte dafür einen hohen Preis: Etwa 50 Menschen starben bei den Protesten. Verantwortlich dafür werden die Einsatzkräfte gemacht, die teils scharf auf Menschen geschossen haben sollen.