Nach vier Monaten: China hat wieder einen Verteidigungsminister
Von Johannes Arends
Es war einer der größeren Polit-Skandale aus dem Reich der Mitte im abgelaufenen Jahr. Nur gute zwei Monate, nachdem Chinas ehemaliger Außenminister Qin Gang spurlos verschwunden war, traf es Ende August auch den damaligen Verteidigungsminister Li Shangfu. Zwei Monate lang spekulierte die Welt über den Verbleib des einstigen Generals und die Gründe für sein Verschwinden, ehe die Führung in Peking Ende Oktober via Pressemitteilung bekannt gab, dass Li per Dekret entlassen wurde.
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Inzwischen scheinen die Gründe für seinen unrühmlichen Abgang geklärt. Glaubt man ranghohen US-Militärs, die von US-Medien zitiert wurden, so soll die CIA über Mittelsmänner chinesische Strategiepapiere über mögliche Angriffsziele auf der Insel Taiwan zugespielt bekommen haben. Zu diesen Plänen könnten nur Mitglieder der chinesischen Militärführung Zugang gehabt haben.
So fanden zunächst Razzien im Raketenkommando der Volksbefreiungsarmee statt, bei denen unter anderem zwei Generäle verhaftet wurden. Nur Tage später tauchte Li Shangfu als verantwortlicher Minister plötzlich ab.
Neuer Verteidigungsminister war Marine-Admiral
Dass es seither offiziell keinen politischen Verantwortlichen für das chinesische Militär gab, sorgte vor allem in den USA für Stirnrunzeln. US-Präsident Joe Biden und Chinas Machthaber Xi Jinping hatten sich im November bei einem Treffen in San Francisco eigentlich darauf geeinigt, wieder militärische Kommunikationskanäle auf höchster Ebene zwischen den beiden Großmächten zu etablieren. Doch auf chinesischer Seite gab es niemanden.
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Erst am 29. Dezember, exakt vier Monate nach Lis Verschwinden, präsentierte die chinesische Regierung einen Nachfolger. Admiral Dong Jun, bisher Chef der chinesischen Marine, ist neuer Verteidigungsminister der Volksrepublik China. Der 62-Jährige stand in der Vergangenheit jenem Marinekommando vor, das für Patrouillen im südchinesischen Meer zuständig ist - und damit für die vielen Zusammenstöße mit philippinischen Schiffen.
Aus Sicht der USA ist die Ernennung Dongs begrüßenswert, wie POLITICO berichtet. Das US-Medium zitiert den ehemaligen Direktor der China-Abteilung im Pentagon, Lyle Morris: "Seine Erfahrung gibt ihm mehr Selbstvertrauen, wenn wir eine Vielzahl von Themen und Bedenken im Zusammenhang mit dem Südchinesischen Meer und der Taiwanstraße ansprechen."
Von Dong erwartet man in Washington zumindest ein professionelleres Gesprächsklima als mit seinem Vorgänger. Li Shangfu stand wegen seiner vorangegangenen Tätigkeiten für die Volksbefreiungsarmee schon vor seiner Ernennung zum Verteidigungsminister auf der US-Sanktionsliste - und lehnte deshalb während seiner fünfmonatigen Amtszeit jedes Gesprächsersuchen von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ab. Ein Gespräch zwischen Austin und Dong, so ist aus dem Pentagon zu hören, sei dagegen bereits in Vorbereitung.