Machtfaktor Armee: Wieso sie Maduro die Treue halten
Von Michael Hammerl
Das Ende der Ära Maduro in Venezuela wurde schon mehrmals verkündet. Allein, trotz mehrmonatiger Versorgungskrise und einer Blockade von Hilfslieferungen am Jahresbeginn, ist es dazu noch nicht gekommen. Denn das Militär ist einer der wichtigsten Machtfaktoren in Venezuela. Der Großteil des Militärs hält Nicolas Maduro weiterhin die Treue. Und der weiß das.
"Die Stunde ist gekommen, unser Recht auf Frieden zu verteidigen", sagte Maduro am Donnerstag vor rund 4500 Militärangehörigen in Caracas. Armeechef und Verteidigungsminister Vladimir Padrino bekräftigte die "Loyalität" der Armee zu "unserem einzigen Präsidenten, Nicolás Maduro".
Erdölhandel unter Kontrolle von Generälen
Diese Loyalität hat einerseits ökonomische Gründe, wie Politikwissenschaftler Tobias Boos erklärt: "Die Erdölfirma ist in staatlichen Händen und steht unter der Kontrolle hochrangiger Generäle, die Maduro unterstützen." So ist Major General Manuel Quevedo Vorsteher der größten nationalen Ölfirma, der PDVSA.
Die Militärs befürchten, diese Pfründe im Fall eines Umsturzes zu verlieren. Außerdem scheint unklar, was unter einem neuen Machthaber passiert. Eine „Säuberung von der anderen Seite“ werde befürchtet, so Boos.
Das Import-Embargo der USA für Erdöl aus Venezuela könnte diese Lage verändern. "Es ist derzeit schwierig abzuschätzen, wie sich das auf den Handel auswirkt, weil es kaum Wirtschaftszahlen von der Regierung gibt", meint Boos. Zudem werde derzeit ein Großteil der Geschäfte über den Schwarzmarkt abgewickelt.
Chavistische Treue
Anders sieht das Lateinamerika-Experte Rene Kuppe. Er hält die ökonomischen Erklärungsmodelle überbewertet, auch wenn er Venezuela jahrzehntelange, auch vor die Chavez-Ära zurückgehende Korruption "in unbegreiflichem Ausmaß" attestiert. Das Militär sei ideologisch stark mit der Vereinigten Sozialistischen Partei verbunden: "Viele der heutigen Offiziere haben erst unter Chavez die Möglichkeit bekommen, im Militär Karriere zu machen." Maduro war bekanntermaßen der Nachfolger von Hugo Chavez, der 2013 verstarb.
Der "Chavismus" genieße entgegen vieler anderslautender Analysen immer noch großen Rückhalt in der Bevölkerung, so Kuppe. Daran gekoppelt sei eine historisch begründete Abwehrhaltung gegen Kolonialmächte: "Die militärische Ausrichtung Venezuelas ist auch ein Schutz der natürlichen Souveränität vor dem Imperialismus."
Militärische Intervention schwierig
Gleichsam hält Kuppe eine militärische Intervention in Venezuela für schwierig. Zentralvenezuela ist unwegsam und gebirgig, der Talkessel von Caracas hingegen dicht besiedelt. "Würden die USA eingreifen, müssten sie Bodentruppen schicken. Das erfordert einen hohen Blutzoll", sagt Kuppe. Er geht davon aus, dass chavistische Gruppen in diesem Fall auf Guerilla-Taktiken zurückgreifen würden.
Selbst wenn Maduro gestürzt werden sollte, sei ein Guerilla-Szenario sehr wahrscheinlich. "Die Chavisten bereiten sich darauf vor", meint Kuppe, der sich regelmäßig in Venezuela aufhält und im Fall des Umsturzes davon ausgeht, dass es einen "Volkskrieg von unten" geben werde.
Jedenfalls ist Interimspräsident Guaidó derzeit weit davon entfernt, in Venezuela Fakten zu schaffen. "Bei jedem größeren Ereignis kommt die Frage auf: Kippt die Regierung jetzt? Aber das ist nicht realistisch. Guaidó hat zu wenige Unterstützer in Militär und Bevölkerung", erklärt Boos. Er hält einen Verhandlungsprozess zwischen den unterschiedlichen Parteien und Neuwahlen unter internationaler Beobachtung für dringend notwendig: "Das wäre das Beste für die Menschen vor Ort. Eine andere Lösung gibt es nicht."