Politik/Ausland

Biden erklärt sich: "Verehre dieses Amt, aber liebe mein Land mehr"

Es war der erwartete, von tränenreichem Pathos flankierte Einstieg in den großen Ausstieg: US-Präsident Joe Biden hat am Mittwochabend in einer Rede an die Nation aus dem Oval Office des Weißen Hauses erstmals die Beweggründe für seinen vor vier Tagen abrupt angekündigten Verzicht auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit erläutert. 

Der 81-Jährige erklärte im Beisein seiner Familie, die "Verteidigung der Demokratie” sei „wichtiger als jeder Titel”. 

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Zeit für "neue Stimmen, frische Stimmen"

Nichts dürfe der „Rettung unserer Demokratie im Weg stehen, „auch nicht persönlicher Ehrgeiz”. Es sei Zeit für „neue Stimmen, frische Stimmen.” Darum habe er „entschieden, dass der beste Weg nach vorne der ist, die Fackel an eine neue Generation weiterzugeben”. Dies sei „der beste Weg unsere Nation zu einen”. Auf seinen Gesundheitszustand ging er nicht ein.

Über seine für die Nachfolge von ihm empfohlene Vize-Präsidentin Kamala Harris sagte er: „Sie ist erfahren, sie ist gestählt. Sie ist fähig. Sie war mir ein unglaublicher Partner und Anführer unseres Landes.”

Biden fügte in eigener Sache hinzu: „Ich schöpfe Kraft und finde Freude an der Arbeit für das amerikanische Volk. Aber bei dieser heiligen Aufgabe, unsere Union zu vervollkommnen, geht es nicht um mich. Es geht um Sie. Um Ihre Familien. Eure Zukunft. Es geht um 'Wir, das Volk'.“

Biden bleibt bis zum Ende seiner Amtszeit

Biden wies massive Forderungen der Republikaner, er möge umgehend auch vom Amt selbst zurücktreten, indirekt zurück. Er werde sich in den verbleibenden sechs Monaten seiner Amtszeit, die offiziell am 20. Januar 2025 endet, darauf konzentrieren, die „Kosten für hart arbeitende Familien zu senken” und „unsere Bürgerrechte zu verteidigen”. Er werde weiter gegen Waffengewalt ankämpfen und versuchen, den Krebs zu besiegen. 

Außenpolitisch gelte sein Einsatz weiterhin der Ukraine wie dem Bemühen, den Krieg Israels in Gaza zu beenden und die Geiseln „nach Haus zu holen”. Außerdem will sich Biden, ein wichtiges Signal, für eine Reform des Obersten Gerichtshofs verwenden, wo eine konservativ-ideologische Schlagseite besteht, die auf Ernennungen seines Vorgängers Donald Trump zurückgeht.

In seinen ersten öffentlichen Anmerkungen nach Bekanntgabe des Ausstiegs aus dem Präsidentschaftswahlkampf am vergangenen Samstag sagte Biden: „Die tolle Sache an Amerika ist, dass hier keine Könige und Diktatoren regieren. Die Leute tun es. Geschichte ist in unseren Händen. Die Macht ist in unseren Händen. Die Idee von Amerika liegt in euren Händen.” Den Namen Donald Trump erwähnte er nicht. 

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Auf den Vorwurf auch aus der eigenen Partei-Auslöser war das von schweren Aussetzern und Filmrissen geprägte TV-Duell gegen Donald Trump vor vier Wochen -, er sei mental und physisch nicht mehr imstande, eine zweite Amtszeit zu bewältigen, ging Biden mit keiner Silbe ein. Schon zuvor hatte Regierungs-Sprecherin Karine Jean-Pierre erklärt, dass der Kandidatur-Verzicht „nichts mit seiner Gesundheit zu tun hat”.

Biden hatte bis zuletzt beteuert, er sei geistig auf der Höhe, habe nur einen „schlechten Debatten-Abend gehabt” und würde sich allenfalls zum Rückzug entschließen, wenn „der allmächtige Herrgott” ihm ein Zeichen gäbe.

"Ich verehre dieses Amt, aber liebe mein Land mehr"

Biden ließ keinen Zweifel an der Selbsteinschätzung, dass seine Arbeitsbilanz, seine Führungsrolle in der Welt und seine Vision für Amerika eine „zweite Amtszeit verdient hätten”. Aber: Nichts sei wichtiger, als „unsere Demokratie zu bewahren”. „Ich verehre dieses Amt, aber liebe mein Land mehr.”

Die nur 13-minütige Ansprache, bei der Biden nach überstandener Corona-Erkrankung deutlich geschminkt und trotzdem noch krank wirkte, was sich in einigen Versprechern ausdrückte, war der Anfang des Versuchs, seinen Platz in der amerikanischen Geschichte selbst zu bestimmen. Ausführlich bilanzierte der Demokrat seine politischen Errungenschaften von „16 Millionen geschaffenen Jobs” bis hin zur Absenkung der Gewaltkriminalität „auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren”.

Bidens Schlüsselsatz: „Nirgendwo sonst auf der Welt könnte ein stotterndes Kind aus bescheidenen Verhältnissen in Scranton/Pennsylvania und Claymont/Delaware eines Tages als Präsident der Vereinigten Staaten am ´resolut desk` im Oval Office sitzen. Aber hier bin ich.” Biden betonte, er habe „Herz und Seele in den Dienst der Nation gestellt”. Dafür sei er mit der „Liebe und Unterstützung des amerikanischen Volkes gesegnet worden” - „Ich hoffe, Sie haben eine Idee davon, wie dankbar ich Ihnen allen bin.”

Auf dem Demokraten-Parteitag in drei Wochen in Chicago bekommt der 81-Jährige einen prominenten Rede-Slot und voraussichtlich „standing ovations” dafür, dass er die über 20 Jahre jüngere Kamala Harris für seine Nachfolge auserkoren hat.

Bis zur Amtsübergabe an seine Nachfolgerin (oder seinen Nachfolger Donald Trump) wird Biden nach Angaben von Vertrauten noch mehrfach Bilanz ziehen, sein Vermächtnis sichern, bevor er nach über 50 Jahren in der Politik Amerika tatsächlich „Farewell” sagt. Biden wurde 1972 im Alter von 29 Jahren erstmals in den Senat in Washington gewählt.

Joe Biden ist seit 56 Jahren der erste Amtsinhaber, der keine Wiederwahl anstrebt. 1968 vollzog Lyndon B. Johnson diesen Schritt, nachdem er wegen des Vietnam-Krieges unter großen Druck geraten war.