EU-Wahl: Flut an Desinformation blieb weitgehend aus
Die Sorge vor möglichen Manipulationsversuchen und stark verbreiteten Desinformationskampagnen in den Tagen vor und während der EU-Wahl war groß, tatsächlich aber war in Österreich keine besondere Dynamik sichtbar.
Das zeigen Beobachtungen des European Digital Media Observatory (EDMO) sowie dessen deutschsprachigem Ableger GADMO, von dem APA-Faktencheck ein Teil ist. Vor allem war zumindest rund um diese Wahl die weit verbreitete Sorge vor Deepfakes offenbar unbegründet.
"Keine größeren Vorfälle von Desinformation scheinen die EU-Wahl zu beeinträchtigen" vermeldete die EU-Wahl-Taskforce des von der EU geförderten Expertengremiums EDMO am Wahltag. Trotz der Verbreitung von Desinformation in den Wochen vor der Wahl hätten diese Versuche nicht zu größeren europaweiten Kampagnen geführt, hieß es. Laut EDMO machte Desinformation rund um EU-Politik im Mai 2024 rund 15 Prozent der insgesamt festgestellten Desinformation in dem Monat aus.
Was sehr wohl im Vorfeld, während und kurz nach dem 9. Juni kursierte, waren falsche Behauptungen über Wahlbetrug und Unregelmäßigkeiten. Diese Versuche, fair abgehaltenen Wahlen die Legitimität abzusprechen, lassen sich seit einiger Zeit beobachten. So hieß es etwa in Beiträgen auf Facebook, Telegram und X (vormals Twitter), dass in Österreich potenzielle FPÖ-Stimmzettel von Wahlbeisitzern anderer Parteien für ungültig erklärt und dass in Deutschland AfD-Stimmzettel von Wahlhelfenden vernichtet worden seien. Falsch - wie ein APA-Faktencheck zeigte.
Darüber hinaus versuchen pro-russische Akteure seit Monaten, Ressourcen großer Medienunternehmen und Faktencheck-Organisationen lahmzulegen, indem sie per Mail auf angebliche Falschmeldungen in Sozialen Medien hinweisen. Bei den Meldungen handelt es sich meistens zwar tatsächlich um Falschinformationen, doch sind diese aufgrund geringer Verbreitung aus Faktencheck-Sicht vernachlässigbar. Meist geht es um Inhalte, die mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine oder im weitesten Sinne mit Russland zusammenhängen. Relevanz würde ihnen erst durch die Faktenprüfung großer Organisationen zukommen.
Es ist anzunehmen, dass das Ziel hinter diesen dubiosen Kontaktaufnahmen ist, Faktenprüfer von den relevanten Falschinformationen abzulenken und ihre Arbeitszeit zu verschwenden. Unter anderem die vom International Fact-Checking Network (IFCN) lizenzierten Faktencheck-Organisationen AFP und EFE Verifica, aber auch die finnische Software-Firma Check First berichteten darüber. APA-Faktencheck erreichten ebenfalls zahlreiche Kontaktaufnahmen, die in dieses Muster passen.
Beispiele für tatsächlich reichweitenstarke Falschinformationen zu EU-Themen gab es jedoch trotzdem. Rund um die in mehreren EU-Ländern aufgetretenen Bauernproteste kursierten im Vorfeld der Wahl etwa viele irreführende Behauptungen. Diese zielten laut einem Bericht der beiden Faktencheck-Organisationen aus Spanien und Frankreich, Newtral and Science Feedback, vor allem auf Klimaschutzmaßnahmen der EU-Kommission ab. In einer Analyse der reichweitenstärksten Anti-Klimaschutz-Beiträge sei demnach herausgekommen, dass über 80 Prozent auf Rechtsaußen-Politiker zurückzuführen waren.
Groß war auch die Sorge vor Fakes, die mittels Künstlicher Intelligenz (KI) generiert werden, sogenannte Deepfakes. Im Parlamentswahlkampf in der Slowakei im September 2023 verbreitete sich etwa zwei Tage vor der Wahl ein Audio-Deepfake des liberalen Kandidaten Michal Simecka der Progressiven Slowakei (PS), der viele Menschen verunsicherte. Das wiederholte sich bei der jüngsten EU-Wahl nicht. Auch der Präsident des US-Konzerns Microsoft, Brad Smith, sagte wenige Tage vor der Wahl in einem Interview mit Reuters, dass Microsoft keinen signifikanten Einsatz von KI zur Erstellung von Desinformationskampagnen festgestellt habe.
Grund zum Aufatmen ist all das aber trotzdem nicht unbedingt, ist doch das Level an Falschinformationen seit Monaten grundsätzlich hoch. Obwohl schwer nachzuweisen, ist davon auszugehen, dass Desinformationskampagnen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung hatten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Desinformationslage bei der österreichischen Nationalratswahl und der US-Wahl im Herbst entwickelt.
Das German-Austrian Digital Media Observatory (GADMO) gehört zu der von der EU geförderten Beobachtungsstelle EDMO. Neben der APA sind die Nachrichtenagenturen dpa, AFP und das Recherchenetzwerk Correctiv Teil des deutschsprachigen Ablegers.