Politik/Ausland

1.000 Raketen in zwei Tagen: Fünf Tote in Israel

Angriffe und Gegenangriffe am laufenden Band - die Gewaltspirale in Nahost dreht sich immer schneller. Nach Angaben der israelischen Armee wurden seit Montagabend mehr als 1.000 Rakaten vom Gazastreifen aus Richtung Israel gefeuert. Im Visier waren auch Großstädte wie Jerusalem und Tel Aviv.

Rund 850 der aus Gaza abgeschossenen Raketen seien abgefangen worden oder in Israel niedergegangen, teilte ein Militärsprecher am Mittwoch mit. Etwa 200 weitere seien noch im Gazastreifen niedergegangen. In sozialen Medien kursieren Videos, die zeigen, wie Israels Raketenabwehr "Iron Dome" die Geschosse unschädlich macht.

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Dennoch gab es bisher rund 200 Verletzte und fünf Tote. Nach Angaben der Rettungsorganisation Zaka starb am Dienstagabend eine Frau in der Stadt Rishon LeZion, bei einer zweiten Angriffswelle in der Nacht auf Mittwoch wurden dann in Lod bei Tel Aviv eine Frau und ein Kind getötet.

In Yehud, ebenfalls im Großraum Tel Aviv, sei ein Haus direkt getroffen worden, hieß es in israelischen Medien. Ein 84-Jähriger in Tel Aviv sei auf dem Weg zu einem Schutzraum zusammengebrochen.

"Vebrechen"

Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte wie zahlreiche Politiker in aller Welt die Raketenangriffe auf Israel scharf. Gleichzeitig betonte er das Recht Israels auf Selbstverteidigung und forderte eine sofortige Deeskalation. Alles andere wäre ein „Verbrechen gegenüber den Menschen in Israel“ und eine Belastung für die ohnehin angespannte Situation in der Region.

Außenminister Alexander Schallenberg hatte zuvor nach einem Telefonat mit dem palästinensischen Außenminister Riad al-Malki "unverzügliche Deeskalation" gefordert. Er zeigte sich "tief besorgt von der Spirale der Gewalt und den anhaltenden Raketenangriffen aus Gaza".

Großangriff auf Gazastreifen

Israels Luftwaffe reagierte nach eigenen Angaben mit dem umfangreichsten Bombardement des Gazastreifens seit dem Gaza-Krieg von 2014 auf die Raketenangriffe. 

Dabei seien in der Nacht auf Mittwoch der Chef des militärischen Geheimdienstes der Hamas, Hassan Kaogi, sein Vize Wail Issa und mindestens 20 weitere Mitglieder der Hamas und der militanten Organisation Islamischer Dschihad "neutralisiert" worden. 

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Tote Kinder

Palästinensische Quellen sprachen darüber hinaus von Dutzenden Toten in dem abgeschotteten Küstengebiet. Laut dem Gesundheitsministerium in Gaza stieg die Zahl der seit Montag getöteten Palästinenser auf 35, darunter zwölf Kinder und drei Frauen. 233 Menschen seien verletzt worden.

Nach Berichten von lokalen Medien und Augenzeugen wurden einige Kinder durch israelische Luftangriffe getötet, andere durch fehlgeleitete Raketen der Extremisten.

Die Hamas werde keinen Rückzieher machen, sagte ein Sprecher der militanten Islamisten im Gazastreifen. "Wenn Israel zuschlägt, schlägt der bewaffnete Widerstand zurück."

Flughafen geschlossen

Israels internationaler Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv wurde wegen der Angriffe zeitweise für Landungen und Abflüge geschlossen. Die Flüge wurden nach Zypern umgeleitet. In zahlreichen Ortschaften im Großraum Tel Aviv sowie im Umkreis des Gazastreifens sollten am Mittwoch die Schulen geschlossen bleiben.

Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte, Hamas und Islamischer Dschihad würden einen hohen Preis für die jüngsten Angriffe bezahlen. "Diese Operation wird Zeit brauchen, aber wir werden den Bürgern Israels die Sicherheit zurückbringen." 

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Zweite Sitzung des UNO-Sicherheitsrates

In New York zeigte sich UNO-Generalsekretär António Guterres einem Sprecher zufolge sehr besorgt über die Eskalation in Nahost und "zutiefst traurig über die zunehmende Zahl von Opfern".

Am Mittwoch soll der UN-Sicherheitsrat zum zweiten Mal binnen weniger Tage zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen.

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Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hat sich seit Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan Mitte April zugespitzt. In den vergangenen Tagen hatte es zunächst vor allem in Jerusalem heftige Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gegeben. Auslöser waren unter anderem Polizei-Absperrungen in der Altstadt sowie drohende Zwangsräumungen von palästinensischen Familien im Viertel Sheikh Jarrah.

In der Stadt Lod bei Tel Aviv, in der Juden und Araber gemeinsam leben, kam es dann am Dienstagabend zu schweren Ausschreitungen. Nach Medienberichten schändeten arabische Einwohner eine Synagoge und setzten sie in Brand. Außerdem seien Dutzende Autos in Brand gesetzt und Fenster von Geschäften eingeworfen worden.

"Das ist eine Kristallnacht in Lod", sagte der Bürgermeister der Stadt, Yair Revivo mit Blick auf die nationalsozialistischen Judenpogrome vom November 1938 im Deutschen Reich, dem damals auch Österreich angehörte.

"Bürgerkrieg"

Revivo sprach wörtlich von einem "Bürgerkrieg" und der Vernichtung von 70 Jahren des Zusammenlebens in seiner Stadt. "Jede Minute geht ein Auto oder eine Synagoge in Flammen auf, unser neues Rathaus wurde gestürmt und angezündet. Das ist schlimmer als die Raketen aus Gaza", sagte der Kommunalpolitiker.

Schließlich handle es sich um eine "Intifada der arabischen Israelis", zog der Bürgermeister einen Vergleich zu den beiden großen Palästinenseraufständen gegen Israel (1987 und 2000). "So etwas hat es in der Geschichte Israels noch nie gegeben."