Deutsches Parlament beschließt Weiterbetrieb von Atomkraftwerken
Das deutsche Parlament hat den Weiterbetrieb der letzten drei deutschen Atomkraftwerke Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen bis Mitte April 2023 beschlossen. Einer entsprechenden Änderung des Atomgesetzes stimmten die Abgeordneten am Freitag in Berlin zu.
Nach bisherigem Atomgesetz hätten die betreffenden AKWs bis Ende des Jahres abgeschaltet werden müssen. Die Meiler sind nun im Streckbetrieb, das heißt sie reduzieren ihre Leistung, um dann über den Winter in der Energiekrise Strom liefern zu können. Neue Brennelemente sollen nicht mehr angeschafft werden. Das Atomgesetz ist im Bundesrat - der Länderkammer - nicht zustimmungspflichtig.
Verbliebene Atomkraftwerke in Deutschland sollen bis April laufen
Der Beschluss des Bundestags ist der vorläufige Schlusspunkt eines heftigen Streits innerhalb der Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Ende Oktober mit einem Machtwort entschieden, dass die verbliebenen drei Atomkraftwerke bis zum 15. April weiter betrieben werden sollen. Vorangegangen war eine lange Auseinandersetzung zwischen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die FDP hatte einen Weiterbetrieb aller drei Kraftwerke bis ins Jahr 2024 und gegebenenfalls die Reaktivierung bereits stillgelegter AKW verlangt.
Die drei betreffenden Meiler können im Jahr 2023 dem Gesetzentwurf zufolge insgesamt rund 5,4 Terawattstunden Strom erzeugen. Das entspricht in etwa dem Stromverbrauch Berlins in einem halben Jahr. Neckarwestheim und Emsland müssen Anfang 2023 jeweils rund zwei Wochen lang aussetzen für eine neue Konfiguration des Reaktorkerns. Die Brennelemente von Isar 2 würden dann wohl Anfang März aufgebraucht sein, die anderen AKW könnten bis zum 15. April laufen.
Opposition dagegen
Für die Änderung des Atomgesetzes votierten in namentlicher Abstimmung 375 Abgeordnete, 216 stimmten dagegen, 70 enthielten sich, wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) bekannt gab. 661 Stimmen wurden abgegeben.
Der SPD-Abgeordnete Carsten Träger sagte mit Blick auf den 15. April: "Ich werde an diesem Tag meine Kinder und meine Frau umarmen und mit einem Glas Sekt anstoßen." Die Entscheidung für einen vorübergehenden so genannten Streckbetrieb sei verantwortbar. Es bleibe beim Atomausstieg. "Dann können Sie von der Unionsfraktion sich auf den Kopf stellen, mit den Füßen wackeln, dann ist Schluss, ein für alle Mal." Seine Fraktionskollegin Nina Scheer warnte, mit einem längerfristigen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken würden erneuerbare Energien verdrängt.
Scharfe Kritik kam von CDU und CSU. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sein "ein Minimalkonsens, Ergebnis einer zermürbenden monatelangen Debatte" innerhalb der Ampelkoalition. Eine nur kurzfristige Verlängerung der Laufzeiten bringe zu wenig Entlastung beim Preis und bei der Sicherheit der Energieversorgung. "Das Ganze ist ein Zu-wenig-Gesetzentwurf."
Ungelöste Fragen um die AKWs
Die CDU/CSU-Fraktion hatte in einem eigenen Antrag neben einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien eine Laufzeitverlängerung für die letzten drei deutschen Atomkraftwerke bis mindestens Ende 2024 vorgeschlagen. Die Abgeordneten begründeten das mit den hohen Strompreisen. Die Union nehme das Sicherheitsrisiko durch eine Laufzeitverlängerung "billigend in Kauf", erklärte der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner. Nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl in den 1980er-Jahren sei vielen klar geworden: "Atomkraft ist keine Lösung, und sicher ist nur das Risiko."
Die Frage der Endlagerung hoch radioaktiven Atommülls sei ungelöst. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Christian Kühn, sprach mit Blick auf 16 Jahre unionsgeführter Bundesregierungen von einem "energiepolitischen Fiasko". Einige Grünen-Abgeordnete hatten vor der Schluss-Abstimmung deutlich gemacht, dass sie der Verlängerung nicht zustimmen wollen.