Britischer Labour-Chef Starmer sieht sich als neuer Tony Blair
Von Georg Szalai
Die britische Labour-Partei sei wieder die Kraft der politischen Mitte und „der politische Flügel der Briten“. So bot sich ihr Chef Keir Starmer am Parteitag in Liverpool am Dienstag als nächster Premier des Landes an. Es war kein Zufall, dass er Tony Blair zitierte, der beginnend mit 1997 drei erfolgreiche Parlamentswahlen in Folge bestritten hatte.
Ebenso wenig war es Zufall, dass Starmer später auch an die Labour-Siege von 1945 und 1964 erinnerte. „Es ist Zeit, ein neues Kapitel zu schreiben“, gab er sich unter tosendem Applaus siegessicher.
Höchster Vorsprung seit 2001
Seit 2010 muss sich Labour mit der Oppositionsrolle begnügen. Starmer will das ändern und gerierte sich am Dienstag als Erbe Blairs, der gegen „das Versagen“ der konservativen Tories von Premierministerin Liz Truss und ihre „leeren Slogans“ antrete. Die Briten wollten „Veränderung“, einen „Neubeginn“ und „entschlossene Führung“, argumentierte er.
Immer wieder distanziert sich Starmer betont von Vorgänger Jeremy Corbyn, der vielen im Land ein zu strammer Altlinker war und 2019 gegen Boris Johnson eine Wahlschlappe einfuhr. So betonten Starmer und sein Team in der Arbeiterhochburg Liverpool unter anderem den Kampf gegen Kriminalität und die Unterstützung für die Ukraine.
Patriotismus gehört ebenfalls zu Starmers Rezept. Obwohl so manche Labour-Mitglieder gegen die Monarchie eintreten, begann der Parteitag erstmals mit dem Singen der Nationalhymne, was überraschend harmonisch ablief.
Rückenwind
Auch sonst hat Starmer, 60, derzeit den Wind im Rücken. Laut einer neuen YouGov-Umfrage liegt Labour bei der Sonntagsfrage derzeit mit 45 Prozent klar vor den Tories, die 28 Prozent erzielen; es ist der größte Vorsprung seit 2001.
Viele Briten stellen mittlerweile sogar die traditionelle Wirtschaftskompetenz der Tories in Frage. Nur 19 Prozent sehen sich dank der Steuersenkungen der neuen Regierung unter Liz Truss, die laut Experten vor allem den Reichsten zugutekommen, finanziell besser abschneiden.
Der sonst eher steife Starmer attackierte daher am Sonntag die „Casinowirtschaft“ des Truss-Teams, das mit zusätzlicher Verschuldung die Finanzen aller Briten aufs Spiel setze.
„Die Hoffnung auf eine Labour-Regierung hat sich in einen Glauben an eine solche gewandelt“, sagte er zuversichtlich.
Grabenkämpfe
Truss hat hingegen nur wenige Wochen nach ihrer Kür zur Regierungschefin mit Chaos und Gegenwind zu kämpfen. Nachdem das Pfund wegen Sorgen um Staatsschulden auf ein Rekordtief zum Dollar gefallen war, berichteten Medien, dass erste Tory-Mandatare Misstrauensbriefe gegen die Premierministerin eingesandt hätten.
Auch wenn diese wohl von Kritikern kamen, wirken die Tories gespalten, während Labour alte Grabenkämpfe zu vermeiden versucht. Die nächste Wahl muss spätestens im Jänner 2025 stattfinden.