Politik/Ausland

Liz Truss ist zurückgetreten - steht Boris Johnson vor Comeback?

Zuerst ging ihr Finanzminister, dann die Innenministerin, jetzt sie selbst: Liz Truss, die glücklose britische Premierministerin, hat am Donnerstagnachmittag ihren Rücktritt angekündigt. In einem überraschenden - und außerordentlich kurzen - Statement vor ihrem Amtssitz in der Downing Street Nummer 10 sagte sie, dass sie den Hut nehmen werde; König Charles sei bereits informiert.

Der Rücktritt der kürzestdienenden britischen Premierministerin - sie war gerade mal 45 Tage, also sechs Wochen im Amt - kommt nicht ganz überraschend. Truss kämpfte bereits seit Mitte September um ihr politisches Überleben, nachdem sie mit ihren Steuersenkungsplänen für Großkonzerne und Reiche krachend gescheitert war; der Ankündigung folgte zunächst ein Fiasko an den Finanzmärkten, danach nahm ihr eigener Finanzminister das Gros der Pläne zurück.

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In ihrer Abschiedsrede erwähnte sie all das freilich nur sehr unkonkret. Sie sei "in einer Zeit großer wirtschaftlicher und internationaler Instabilität" ins Amt gekommen, sagte die 47-Jährige da; und Großbritannien sei "zu lange durch geringes Wirtschaftswachstum gebremst worden." Da sie von ihrer Partei mit dem Auftrag gewählt worden sei, dies zu ändern, müsse sie jetzt Schritte setzen: "Ich erkenne an, dass ich angesichts der Situation das Mandat, mit dem ich von der konservativen Partei ausgestattet wurde, nicht erfüllen kann."

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Neuer Parteichef bis 28. Oktober

Sie werde im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist, versicherte Truss. Dies könnte bis spätestens Ende Oktober der Fall sein, ließ Sir Graham Brady, Vorsitzender des konservativen 1922-Komitees, danach wissen: Die Wahl soll am 28. Oktober stattfinden, bis zur Budgetrede am 31. Oktober sollte demnach ein neuer Parteichef im Amt sein, sagte er nach Truss' Rücktrittsrede.

Kommt Johnson zurück?

Wer Truss' Nachfolger werden könnte, ist allerdings völlig offen. Nach Boris Johnsons Abgang im Sommer ritterten mit Truss Ex-Finanzminister Rishi Sunak, Parteibasis-Liebling und Unterhaus-Sprecherin Penny Mordaunt und Verteidigungsminister Ben Wallace um das Amt des Premiers. Jeremy Hunt, derzeit Finanzminister, wird sich laut dem Guardian nicht um ihre Nachfolge bewerben. Als Kandidatin wird auch Suella Braverman gehandelt, Truss' Innenministerin, die erst am Mittwoch den Hut genommen hatte. Sie wird dem extrem rechten Flügel der Partei zugerechnet. Auch Handelsministerin Kemi Badenoch ist in der Ziehung.

Zudem kursieren Gerüchte, dass der geschasste Boris Johnson sich aufstellen könnte - quasi als Rache. Sowohl die Times als auch der Guardian berichten dies, und auch die englischen Buchmacher haben ihn in ihre Wetten aufgenommen - er hat allerdings deutlich schlechtere Quoten als Sunak, Mordaunt und Wallace. 

So lange waren die britischen Premiers im Amt

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Rufe nach Neuwahl

Die britischen Kommentatoren reagierten allesamt recht ungnädig auf Truss' Abgang. Sie, die kürzestdienende britische Premierministerin aller Zeiten, werde nur "eine Fußnote" in der Geschichte sein, schrieb etwa Caroline Davies vom Guardian. Politische Mitbewerber riefen indes bereits nach Neuwahlen: Nicola Sturgeon, Schottlands First Minister von der SNP, forderte einen schnellen Urnengang, ebenso Labour-Parteichef Keir Starmer. "Nach zwölf Jahren konservativen Versagens verdienen die Briten etwas Besseres als dieses Chaos-Karussell. Wir brauchen Neuwahlen, jetzt." Dass es dazu kommt, hält Politologin Melanie Sully aber für unwahrscheinlich, wie sie am Abend in der ZiB2 erklärte. "Man versucht das zu vermeiden." Es sei auch fraglich, ob Neuwahlen in einer derartigen Krisensituation, in der sich Großbritannien befindet, optimal wären. Liz Truss Performance sei jedenfalls "nicht mehr zu halten" gewesen.

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Labour weit vorne

Würde jetzt gewählt werden, hätten die Tories jedenfalls kaum eine Chance auf einen neuen Einzug in die Downing Street. Den jüngsten Umfragen zufolge liegen die Konservativen etwa 30 Prozentpunkte hinter der Labour Party. Beim Forschungsinstitut YouGov war Truss zuletzt sogar die unbeliebteste Regierungschefin seit dem Beginn der Erhebungen.

Dass ihr Abgang auch die sonst den Tories zugeneigte Wirtschaft freut, war an den Märkten zu sehen. Das britische Pfund wertete nach ihrer Ankündigung auf, der Kurs legte um knapp ein Prozent zum Dollar zu. Auch der britische Aktienmarkt legte um etwa ein Prozent zu.

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