Motor/E-Mobility

Lade-Hemmung: Warum die Menschen lieber Verbrenner als E-Autos kaufen

Ein einziges reines Elektroauto findet sich in der Liste der meistverkauften Modelle: 3.739 Modell Y verkaufte Tesla im ersten Halbjahr in Österreich, das ist Platz zwei bei den Neuzulassungen, übertroffen nur vom Langzeit-Renner aus dem VW-Konzern: der Skoda Octavia, ein Verbrennerauto, verzeichnete 3.792 Neuzulassungen.

Die aktuelle Statistik offenbart den Zustand der Autobranche im Land, insbesondere auch jenen der Elektromobilität. Nach einem schlechten Jahr 2022 geht es der Autobranche heuer insgesamt wieder besser. Um ein Sechstel mehr neue Autos wurden im ersten Halbjahr zugelassen (im Vergleich zum Vorjahr), konkret waren das 126.690 Fahrzeuge. Ein Plus von 16,7 Prozent.

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Förderung für Firmen-E-Autos weggefallen

Auf den ersten Blick erfreulich wirkt die Bilanz bei rein elektrisch betriebenen Autos. Der Zuwachs beträgt 61 Prozent auf knapp 24.000 Fahrzeuge, Marktanteil 18,4 Prozent an allen Neuwagen. Jedoch: Nur 21,2 Prozent fielen auf private Käufer, fast 80 Prozent aller E-Autos werden also nach wie vor von Firmen angeschafft. Und: "In der Statistik abgebildet ist ein Nachzieheffekt", wie Günther Kerle, Obmannstellvertreter für den Fahrzeughandel in der Wirtschaftskammer, betont.

Im Vorjahr kam es zu langen Lieferzeiten. Schuld daran waren Lieferketten-Probleme, etwa bei den Mikrochips. Dieser Rückstau sei nun abgebaut – die Neubestellungen aber seien schwach, insbesondere bei Privaten und ihrer Nachfrage nach E-Autos. Die Händlerschaft berichtet von einer Stagnation bei Elektrofahrzeugen. „Von einem Hochlaufen der Elektromobilität ist man weit entfernt“, betont Günther Kerle.

„Von den 240.000 Neuzulassungen heuer, werden nur rund 35.000 bis 40.000 E-Autos sein“, prognostiziert Klaus Edelsbrunner, Bundesgremialobmann der Fahrzeughändler in der Wirtschaftskammer. Er kritisiert in diesem Zusammenhang auch gleich die gesetzliche Neuregelung, die es seit Jahresbeginn gibt: „Es war sicher ein Fehler, dass die Förderung für Firmen-E-Autos weggefallen ist.“ Denn Firmen seien aktuell die Treiber der E-Mobilität.

In Wartehaltung

„Die privaten Kunden schalten generell auf Wartehaltung“, analysiert Günther Kerle. Grund dafür seien die Unsicherheiten auf allen Linien: Teuerung, Inflation, Strompreise, fehlende Infrastruktur – „es gibt einen gewaltigen Hänger bei der Ausrollung der E-Mobilität“, so der Experte.

Die Gründe? Das Rundherum passt einfach nicht. „Es fehlen die Rahmenbedingungen, das ist das Grundproblem. Vor allem im städtischen Bereich sind die öffentlichen Möglichkeiten, ein Auto aufzuladen, gering“, erklärt Klaus Edelsbrunner. „Es braucht im Prinzip einen Aufladeplatz, wo der Kunde am Abend hinfährt, ansteckt und in der Früh wieder wegfährt.“

Winzer Erich Polz Junior fährt einen vollelektrischen Audi Q4 e-tron – weshalb er für sich – und als Service für seine Gäste – Ladestationen auf dem Weingut errichtet hat, die durch die hauseigene Photovoltaikanlage gespeist werden. Vier Wallboxen von Moon Power (aus dem VW-Konzern) schaffen eine gute Versorgung. Und kompensieren, dass es rundherum mit den Lademöglichkeiten noch eher dürftig aussieht.

Denn der Ausbau der Lade-Infrastruktur ist in weiten Teilen Österreichs noch nicht ausreichend vorangeschritten.
"Ein kritischer Bereich bleibt die Ladeinfrastruktur", sagt Patrick Schaufuss, Partner im Münchner Büro von McKinsey und Experte für E-Mobilität. „Hier muss das Ausbautempo Schritt halten mit den E-Autoverkäufen“. Was es aber aktuell nicht tut. Derzeit gibt es in Europa 500.000 öffentliche Ladesäulen; bis 2030 müssten es drei Millionen sein, damit eine Ladesäule pro 20 Elektrofahrzeuge zur Verfügung steht.

Umgerechnet heißt das: Statt aktuell 1.000 öffentliche Ladesäulen pro Woche anzuschließen, müssten es mindestens 7.000 sein – pro Woche.

EU macht Druck

Um den Ausbau der Infrastruktur voranzutreiben, hat das Europäische Parlament vergangene Woche ein neues Gesetz verabschiedet. Entlang der Hauptverkehrsrouten in Europa sollen bis 2026 alle 60 Kilometer Ladesäulen entstehen, zudem muss die Abrechnung bis dahin transparenter erfolgen und Bank-Kartenzahlung akzeptiert werden. Heißt:  Der Preis muss künftig an der E-Ladestation ersichtlich sein.

Zu Hause laden?

Ein weiteres Problem sei die Bezahlung an den Ladesäulen. Es gibt diverse Anbieter, aber ein Bezahlen mit Bankomat- oder Kreditkarte ist noch nicht möglich. "Außerdem weiß der Kunde nicht, wie viel er tatsächlich bezahlt. Das ist erst mit der Abrechnung ersichtlich", erklärt Edelsbrunner.

Hinzu kommen die hohen Anschaffungspreise für E-Autos und die Haltungskosten. "Die Strompreise sind in die Höhe gefahren, deshalb ist das Delta nicht mehr so groß, dass sich ein E-Auto auszahlt. Es macht derzeit nur einen Sinn, wenn man zu Hause laden kann", sagt Edelsbrunner. "In der Stadt ist das allerdings nicht so einfach."

Wie in Havanna?

Günther Kerle bemerkt, dass durch die aktuellen Unsicherheiten "die alten Autos in den Privathaushalten länger gefahren werden, man lieber repariert, bevor man ein neues Auto anschafft."

Dieser Umstand, gepaart mit dem sogenannten Verbrennerverbot der EU ab 2035, könnte bei den Konsumenten dazu führen, dass sie an alten Verbrenner-Autos so lange wie möglich festhalten. Und sich dann der "Havanna-Effekt" einstellt.

Heißt: Kunden sind verunsichert und fahren ihr aktuelles Auto einfach weiter. Das hält gut 10, 20 oder noch mehr Jahre. Die Neuanschaffungen fallen also aus und der Neuanschaffungszyklus von üblicherweise sieben bis acht Jahren wird unterbrochen. Der Effekt könnte – überspitzt dargestellt – ein Straßenbild wie in der kubanischen Stadt Havanna ergeben, wo immer noch die Fords, Chevrolets, Pontiac und Buicks aus den 50er-Jahren fahren.