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Was ist die Antwort auf "wo kommst her", wenn ich nicht in Wien bin?

"Na, hömma, von dem Ruhrpott-Deutsch ist nicht mehr viel übergeblieben", stellte der Mann aus Castrop-Rauxel, einer der schäbigsten Städte Ruhrgebiets, nüchtern fest. Dabei war sein Alkoholpegel rechtzeitig zum Anpfiff des Testspiels unseres Herzensklubs in Tirol schon hoch. Offenbar nicht hoch genug, um nicht erkennen zu können, dass sein Gegenüber mit einem Akzent sprach, den er nicht so recht zuordnen konnte.  

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Das ist zugegebenermaßen auch nicht einfach, denn dieser ist ein Mischmasch, aus dem verschiedene Einflüsse herauszuhören sind. Wen wundert's, denn: Geboren in einem Land, das Jugoslawien hieß, gesegnet mit der Muttersprache, die Serbokroatisch bzw. Kroatischserbisch (offiziell musste man beide Versionen verwenden - damit sich ja keiner benachteiligt fühlt!) hieß - und einem Sprachfehler. Ja, ich kann das R nicht rollen. Im deutschsprachigen Raum ist das kein Big Deal, aber in einem Land, in dem das R so schön gerollt wird wie der Burek-Teig, sehr wohl.   

Neuerliche sprachliche Anpassung

Kriegsbedingte Lebensphase, die unverhofft sechs Jahre lang dauerte, erweiterte meine Sprachkenntnisse um das bereits erwähnte Ruhrpott-Deutsch. Es folgte die Heimkehr und Matura in einem Land, das nun Bosnien-Herzegowina hieß, in einer Sprache, die nicht mehr Serbokroatisch, sondern Bosnisch hieß und drei Jahre Studium in eben dieser Sprache, die zwar anders hieß, aber gleich klang. Bedingt durch die Nachkriegs-Perspektivlosigkeit ging es wieder retour in den deutschsprachigen Raum zurück. Die erste Erkenntnis: Das Deutsch in Wien war mit demjenigen in Pott nicht wirklich verwandt. Eine neuerliche sprachliche Anpassung musste also her. 

Lachte stets darüber, ärgerte mich aber innerlich

Nach 19 Jahren in Wien bringe ich das Wienerisch nicht über meine Lippen, auch wenn ich gewisse Sympathien dafür entwickelt habe. Dafür bin ich einfach zu spät hergekommen, um mir diesen Dialekt anzueignen. Viele, die mich zum ersten Mal reden hören, ordnen mich auf Anhieb der Balkan-Ecke zu. Die anderen wiederum stempeln mich gleich als Piefke ab. Ein Kollege pflegte im Schmäh gar zu sagen, ein "Ruhrpott-Jugo" wäre eine ganz schlimme Kombination. Ich lachte stets darüber, ärgerte mich aber innerlich auch über die Klischees. 

Nicht ärgerlich, aber doch ein wenig herausfordernd ist jedes Mal eine Frage, die ich bekomme, wenn ich unterwegs bin. "Wo kommst du her?" ließ mich früher immer grübeln, mittlerweile aber nicht mehr. Denn, wenn ich antwortete, dass ich aus Wien bzw. Österreich komme, folgte von dem Gegenüber ein weiterer fragender Blick. Der Name oder der Akzent passten wohl nicht ganz dazu. Also lieferte ich als Nachsatz "... aber mit ex-jugoslawischen Wurzeln" - und ärgerte mich darüber. Als ob das in der heutigen Welt nicht eh selbstverständlich ist, dass ein Wiener nicht Fritz Sedlacek, sondern Mirad Odobašić heißt. 

Übrigens, am einfachsten war es in Australien. Dort, wo ein Odobašić ein Autochtoner sein kann, schmunzelten sie nur darüber, dass es in Europa ein Land gibt, das so ähnlich wie ihres heißt.