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Montenegro: Informanten des russischen Geheimdienstes aufgeflogen

In der Hauptstadt Montenegros, Podgorica, sind am Donnerstagmorgen im Zuge einer großen Polizeiaktion mehrere Personen festgenommen worden. Diese stehen unter Verdacht, den russischen Geheimdienst mit Informationen beliefert zu haben, schreibt das Portal Nova.rs. Einer der Verdächtigen soll ein Mitarbeiter der Staatsverwaltung sein, heißt es nach der Aktion, die die montenegrinische Nationale Sicherheitsagentur in Zusammenarbeit mit internationalen Geheimdiensten durchgeführt hatte.

Nach Angaben der Nationalen Sicherheitsagentur habe eine der festgenommenen Personen seit mehr als einem Jahrzehnt für den russischen Geheimdienst gearbeitet und sei Teil einer größeren Gruppe, deren Mitglieder der Agentur bekannt seien. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Vukas Radonjić erklärte gegenüber Medien, dass die Polizei auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft und auf Anordnung des Obersten Gerichts die Wohnungen und andere Räumlichkeiten mehrerer Personen durchsucht habe. Als Grund für die Durchsuchung nannte er "den Verdacht, dass kriminelle Handlungen, genauer gesagt die Gründung einer kriminellen Vereinigung und Spionage begangen worden sind". Die Aktion werde fortgesetzt, heißt es. 

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Eine Serie von Cyberangriffen

Dies ist nicht das erste Mal, dass Montenegro ins Visier des russischen Geheimdienstes geraten sei, hatte der technische Minister für öffentliche Verwaltung, Maraš Dukaj, erst kürzlich erklärt.  Montenegro sei seit langem einer neuen Serie organisierter Cyberangriffe auf die IT-Infrastruktur der Regierung ausgesetzt. Das Hauptziel sei die Struktur der Staatsorgane, sagte Maraš, und wies daraufhin, dass die von ihm geleiteten Experten der Abteilung rechtzeitig Abwehrmaßnahmen ergriffen haben.

"Auch wenn bestimmte Dienste derzeit aus Sicherheitsgründen vorübergehend deaktiviert sind, ist die Sicherheit der Konten von Bürgern und Unternehmen und ihrer Daten in keiner Weise gefährdet", versicherte Dukaj. Diese Angriffe seien denen von 2015 und 2016 sehr ähnlich, betonte der Minister für öffentliche Verwaltung. Montenegrinischen Behörden hätten internationale Partner darüber informiert.

Cyberangriffe hätten das öffentliche Beschaffungswesen in Montenegro am meisten belastet. Staatliche Ausschreibungen wurden eingestellt, was die Arbeit bestimmter Institutionen behindert habe. Von monetären Einbußen könne man aber noch nicht sprechen, sagt das Finanzministerium.

Warum Montenegro?

Montenegro hat sich am 8. April den Ländern angeschlossen, die wegen der Invasion in der Ukraine offiziell Sanktionen gegen Russland verhängt hatten. Nur einen Tag zuvor hatte das montenegrinische Außenministerium vier Diplomaten der russischen Botschaft in Montenegro des Landes verwiesen. Mit diesen Entscheidungen harmonisierte Montenegro seine Politik mit den Positionen der Europäischen Union, zog aber auch den Zorn der Russen auf sich.

Die Zusammenarbeit zwischen dem größten und dem kleinsten slawischen Staat war einst "historisch freundschaftlich", doch im März 2022 wurde Montenegro offiziell ein "Feindstaat Russlands".

Oligarchen und Montenegro

Neben der Tatsache, dass Montenegro und Russland durch den orthodoxen Glauben, die Zugehörigkeit zu den slawischen Völkern und einst enge politische Beziehungen verbunden sind, waren die wirtschaftlichen Beziehungen doch immer die stärksten. So machte der russische Oligarch Oleg Deripaska, dessen Villa in Washington kürzlich vom FBI durchsucht wurde, jahrelang Geschäfte in Montenegro.

Neben seiner bekannt engen Beziehung zu Wladimir Putin gelang es Deripaska, durch seine Teilnahme an zahlreichen Affären weltweite Aufmerksamkeit zu erregen. Berühmt wurde er erstmals durch seine Ehe mit Polina Jumaschewa, der Enkelin des ehemaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin, deren Vater (und Jelzins Schwiegersohn) Valentin Jumaschew enger Berater des langjährigen Präsidenten war. 

Montenegro erregte Anfang der 2000er Jahre die Aufmerksamkeit von Deripaska. Er gründete dort eine Aluminiumfabrik, die für die Produktion der Hälfte der montenegrinischen Exporte verantwortlich war. Da er der Gelegenheit, sich politisch zu engagieren, selten widerstehen konnte, setzte er sich seit 2005 für die Unabhängigkeit Montenegros ein. Als Hilfestellung für die montenegrinischen Behörden bot er auch seine Berater an, darunter den umstrittenen US-Lobbyisten Paul Manafort, der 2016 Wahlkampfmanager Donald Trumps bekannt wurde.

Die Liebe zwischen Montenegro und Deripaska ging jedoch in Brüche, als die Unternehmen des russischen Oligarchen ein Schiedsverfahren gegen den Staat einleiteten. Wegen der gescheiterten Investition in das Aluminiumwerk fordern sie Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe. In drei Schiedsverfahren entschied das Gericht zugunsten Montenegros, das letzte Verfahren vor dem Schiedsgericht in Den Haag leitete Deripaska persönlich ein.