Radtour im französischen Luberon: Um die Bergkette
Moment mal, wie Südfrankreich sieht das jetzt aber nicht mehr aus. Kurz scheint es vielmehr so, als hätte man sich während eines Wimpernschlags um Tausende Kilometer verfahren. Denn wie die Felsen, Hügel und eigenartigen Steinformationen im frühsommerlichen Sonnenlicht in Rot, Gelb, Orange förmlich aus der Landschaft strahlen, könnten sie sich auch irgendwo in den USA, vielleicht in Arizona, befinden.
Doch weit gefehlt! Bei den außergewöhnlichen Felsen handelt es sich um die ehemaligen Ockerbrüche im südfranzösischen Roussillon – und um einen Zwischenstopp auf der Radtour durch die Provence und die Gebirgskette Luberon. „Hier gibt es ein großes Netz an ausgeschilderten Radwegen, um die fünfhundert Kilometer mittlerweile“, sagt Guide Dorothée Genin von der Radtourismus-Vereinigung „Vélo Loisir Provence“.
Der erste Abschnitt der Radtour führt durch die Gegend nördlich des rund sechzig Kilometer langen Bergrückens – vorsichtshalber auf E-Bikes. Der Weg wird zwischendurch mal hügeliger und steiler, vor allem aber radelt man mitten durch die Bilderbuch-Provence. Während sich oft die Luberon-Berge ins Panorama schieben, geht es über schmale Straßen und durch eine leicht hügelige Landschaft, vorbei an knorrigen Olivenbäumen, Weinreben, Pinien und Zedern. Entlang der Straße bieten Bauern an Ständen Kirschen, Erdbeeren, Spargel und andere Obst- und Gemüsesorten an. Viele Blumen sorgen für intensive Farbspritzer im Grün. Die Farbe, mit der sämtliche Südfrankreich-Klischees eingepinselt sind, strahlt im Juli: das Lila des Lavendels.
Immer wieder drängen sich Orte für einen Zwischenstopp auf, so wie in Oppède-le-Vieux, dessen historischen Ortskern mit Kirchen und Überresten der mittelalterlichen Burg man über eine steilere Anfahrt erreicht. Schnell wird auf der Tour klar, wie sehr man im Luberon beim Radfahren auf fast verschwenderische Weise mit Panoramen verwöhnt wird. Im typischen Bergdorf Ménerbes etwa, dessen Gassenlabyrinth wie viele andere Dörfer auf einem Berg thront. Von der Terrasse des „Maison de la Truffe et du Vin“ blickt man dort auf die Berge der Umgebung, bevor die Aufmerksamkeit voll und ganz zwei Spezialitäten des Luberon gehört: dem Trüffel und dem Wein. „Der Boden hier ist kalkhaltig und wenn die Sommer trocken sind, ist das ideal für den Trüffel“, erklärt Coralie Clemente vom Restaurant, die bei einer Weinprobe auch einen Einblick in die Erzeugnisse hiesiger Winzer gibt.
Die Farben des Landes
Neben Wein und Trüffel ist der Luberon bekannt für eine Farbe: Ocker. Die Boom-Zeiten, in denen der provenzalische Ocker in ferne Länder exportiert wurde, sind zwar vorbei. Einige ehemalige Stätten gibt es aber immer noch. Neben dem Ockerbruch in Roussillon gehört dazu noch eine Fabrik. Wo einst Farbe gewonnen wurde, besichtigt man heute die ehemaligen, ockerstaubigen Anlagen und besucht Künstler im Atelier. In Gargas kann man sogar die „Mines de Bruoux“, die alten Ockerminen, besuchen. Mit Sicherheitshelm auf dem Kopf verschwindet man dafür durch eines der Tore im gelben Berg und spaziert bei fast kühlen zehn Grad durch die langen und imposanten Tunnel. Rund fünfzehn Meter sind sie hoch und ziehen sich auf insgesamt vierzig Kilometern durch das Erdreich.
Um den Luberon komplett zu umrunden, müsste man über zweihundertfünfzig Kilometer radeln – in der Regel dauert diese Tour mit allen Zwischenstopps fast eine Woche und würde im östlichen Teil durch sehr bergige Landschaft führen, zu der auch der Mourre Nègre zählt, mit 1.125 Metern höchster Berg des Luberon. Die Tour lässt sich aber abkürzen, etwa über die Passstraße durch Vitrolles-en-Luberon. Diese Etappe ist allerdings sehr steil. Die enge Straße schlängelt sich in Serpentinen durch waldiges Gebiet immer weiter nach oben. Lediglich ein paar Rennradfahrer quälen sich heute schwitzend hinauf.
Nach einem kurzen Blick durch die Gassen des verschlafenen Ortes geht es schnell weiter – bergab Richtung Süden. Dabei wird bald klar: Südlich des Luberon lernt man ein anderes Gesicht der Region kennen. Hier ist es ruhiger und ursprünglicher. Auch dort lohnt es sich, ein paar Abstecher von der Route einzulegen. Zu „Escargot des Valanques“ im Dorf La Motte-d’Aigues etwa, wo Stéphane Despax Schnecken züchtet, die man mit Butter, Knoblauch und etwas abenteuerfreudigem Gaumen probieren kann. Als Aprilscherz entwickelte er zusammen mit Olivier Perrière von der Eismanufaktur „L’art Glacier“ sogar ein gewöhnungsbedürftiges Schneckeneis. In seinem Eiscafé in Ansouis bietet Perrière aber auch Dutzende andere hausgemachte Sorten. Auf der Terrasse hat man hinter dem großen Eisbecher einmal mehr auch eine weite Aussicht.
Auch im Süden wechseln sich auf der Tour provenzalische Landschaft mit vielen Weinbergen und charmanten Mittelalter-Dörfern ab. In Cucuron etwa kann man Turm- und Festungsruinen erkunden – oder gemütlich in einem der Cafés im Schatten der knochigen Platanen am Löschwasserteich verschnaufen. In Lourmarin hingegen bietet der zentrale Platz eine lebendige Mischung aus Galerien und Geschäften, Brasseries und Restaurants.
Die Hauptsehenswürdigkeit ist aber das Renaissance-Schloss. Das Château de Lourmarin aus dem 15. Jahrhundert stand rund hundert Jahre leer. „Der Geschäftsmann Robert Laurent-Vibert kaufte es 1920 und ließ es restaurieren – als Haus der Kultur“, erklärt Anne Guillaumin vom Tourismusbüro des Luberon. Seitdem wurden zahlreiche Künstler eingeladen, in dem Anwesen zu bleiben und zu arbeiten. Zu den Schriftstellern, die in Lourmarin lebten, zählte auch Albert Camus, dessen Grab noch immer Ziel von literaturbegeisterten Urlaubern ist.
Mit den Rädern geht es noch für einen letzten Stopp nach Lauris. Direkt an den „Weißen Garten“ auf der Schlossterrasse grenzt ein Konservatorium für Färberpflanzen. Noch einmal dreht sich so alles um Farbe – diesmal allerdings um die Herstellung aus pflanzlichen Extrakten. Als sich nach dem Besuch alle wieder auf die Sattel schwingen, beginnt der Mistral-Wind zu blasen. Eine Wolkendecke schiebt sich vor den blauen Himmel. Aber egal, das Bilderbuch-Südfrankreich kann auf den letzten Metern auch mal eine Pause einlegen.
Klimafreundliche Anreise
Austrian Airlines fliegt nach Nizza, dann weiter mit einem Mietwagen. Klima-Kompensation via atmosfair.de: 14 €.
Umweltfreundlicher ist eine Anreise per Bahn: Die beste Verbindung von Wien nach Marseille ist mit einem Umstieg in Frankfurt, man fährt 15 Std.
Unterkunft
Entlang der Strecke gibt es in den Dörfern zahlreiche hübsche Gästehäuser und Hotels mit Fremdenzimmern, den sogenannten chambres d’hôtes.
– „La Maison Magnarelles“ in Maubec ist solch ein Gästehaus: familiär geführt, hübsch eingerichtet und mit sehr gutem Frühstück.
– Das zentrale „Hôtel Sainte Anne“ in Apt wurde kürzlich renoviert und bietet verhältnismäßig große Zimmer sowie eine sichere Unterstellmöglichkeit für die Räder.
Toureninfos
„La Provence à vélo“, übersetzt „Provence Radfahren“, stellt Karten zum Herunterladen zur Verfügung.
Radvermietung
E-Bikes kann man etwa beim Anbieter „Stations Bees“ mieten – mit Leihstationen in Apt und Lourmarin (saisonal).
Allgemeine Infos
vaucluseprovence.com
provenceguide.com