Kultur

Die große Enquete: Was soll bloß aus den Medien werden?

Heute, Donnerstag, und morgen, Freitag, findet im Wiener Museumsquartier die Medienenquete des Bundeskanzleramtes statt. Es geht sozusagen um alles: Die Zukunft des Medienmarktes Österreich, der durch Facebook und Co. unter Bedrängnis gerät, soll gesichert werden. Auch über Jahrzehnte gewachsene Schieflagen, Missverhältnisse und ständige Konflikte sorgen für Schwierigkeiten. Die Regierung will das bereinigen, ohne den für die Demokratie heiklen Sektor zu beschädigen – keine leichte Aufgabe. In Folge die wichtigsten Positionen.

ORF: Kooperieren, aber nicht teilen

Eine der wohl wichtigsten Fragen in der aktuellen medienpolitischen Debatte: Gebühren – ja oder nein? Der ORF müsse sich auf jeden Fall so aufstellen, dass er in einem Jahr eine theoretische Volksabstimmung gewinnen könne, meint Generaldirektor Alexander Wrabetz. Und das soll unter anderem durch eine neue Online-Strategie gewährleistet werden, die an das moderne Mediennutzungsverhalten angepasst ist – sprich: Streaming.

will die „TVthek“, in der aktuell die Sendungen des Öffentlich-rechtlichen sieben Tage ab Ausstrahlung online abrufbar sind, zu einem „ORF-Player“ weiterentwickeln. Dieser soll noch im laufenden Jahr realisiert werden. Aktuell hat die „TVthek“ eine Wochenreichweite von 8 %, der neue Player soll in fünf Jahren 90 % erreichen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, seien jedoch  rechtliche Anpassungen nötig: Wrabetz fordert etwa einen Wegfall der 7-Tage-Beschränkung und eine Ausweitung auf einen Monat. Auch „online only“-Produktion müsse künftig erlaubt sein.

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Der „ORF-Player“ könne in weiterer Folge zum „Austria Player“ ausgebaut werden – ein „gemeinsames Tor zu österreichischen Medieninhalten“ in Kooperation mit kommerziellen Anbietern.  Von der Forderung, den Privatsendern eigene Produktionen zur Verfügung zu stellen (siehe unten), hält Wrabetz hingegen wenig.

Der Generaldirektor hat dafür einen anderen Vorschlag – mit dem auch dem Abfluss von Werbegeldern aus dem österreichischen Markt entgegengetreten werden soll. Entsprechend des Entwurfs für die neue EU-Mediendienst-Richtlinie sollen Streaming-Dienste einen gewissen Prozentsatz ihrer Einnahmen in einen „nationalen Produktions- und Förderfonds“ einzahlen. Diese Regelung solle auch auf Werbefenster im linearen Fernsehen ausgeweitet werden. Rund 100 Millionen Euro sollen so jährlich für die Privaten zusammenkommen. 

Private lobbyieren sich nach vorn

Selten waren die in Österreich tätigen Privatsender ihrem Ziel so nahe, den ORF mit politischem Lobbying zu bezwingen: Der österreichische Ableger von ProSiebenSat.1 mit Puls 4 und ATV hat guten Zugang zur Medienpolitik, das macht sich auch in der Rhetorik von Medienminister Gernot Blümel (siehe unten) bemerkbar.

Die Privatsender – das sind neben den bekannteren bundesweiten Sendern auch zahlreiche kleinere TV-Stationen und Radios von Big Playern wie KroneHit zu regionalen Marktteilnehmern – wollen sich jedenfalls ein großes Stück vom ORF-Kuchen holen und wetzen im Vorfeld der Enquete bereits rhetorisch die Messer. So soll der Stiftungszweck des ORF in Richtung „Förderung des Medienstandorts in seiner Gesamtheit“ ausgeweitet werden, finden die Privaten. Dabei schweben dem VÖP (Verband Österreichischer Privatsender) „konkrete Kooperationsziele“ für den ORF vor, etwa Kooperationen rund um Großereignisse.

Und der ORF solle Content, auch aus seinem Archiv, anderen Medien „frei und weiterverwendbar“ zur Verfügung stellen. Werbung im ORF könnte man entweder schrittweise zurückfahren oder aber die Werbeerlöse „zweckwidmen“ – für „Standortförderung“, also etwa für die gewünschten gemeinsamen Aktivitäten oder für „gemeinsame Marktforschung“. Als „Kompensation“ dafür, dass er Archivmaterial frei zur Verfügung stellt, könnte der ORF ebenfalls Werbeerlöse behalten, so die Privatsender.

Im digitalen Sektor fordert der VÖP gleiche Regeln für „alle Mediendienste“: „Globale Onlineplattformen brauchen Kontrolle“, wird festgehalten. Daher wollen die Privaten „für digitale Mediendienste taugliche Steuerregeln“, den „wirksamen Schutz von Urheberrecht“ und eine generelle Anpassung des Rechtsrahmen auch für die neuen Onlinemedien.

Wird der Zeitungsmarkt offen oder verdeckt gefördert? 

Jahr für Jahr beklagen die Zeitungsverleger die niedrige Presseförderung. Jahr für Jahr ernten sie dafür von der Politik freundliches Verständnis bis Achselzucken. Im Vorjahr betrug die Fördersumme weniger als acht Millionen Euro (siehe Grafik unten). Demgegenüber stehen 177 Millionen Euro, die die öffentliche Hand für Inserate ausgibt, deren unmittelbarer Zweck sich nicht immer auf den ersten Blick erschließt. Kritiker sehen darin gar eine verdeckte Art der Presseförderung, die aber nicht nach einem vorgegebenen Schlüssel mit klaren Kriterien (wie die eigentliche Förderung) vergeben wird, sondern nach dem Goodwill einzelner Ministerien und der Unternehmen, die in deren Einflussbereich stehen.

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Besonders der Boulevard kommt in den Genuss großer Summen. Rund 44 Millionen Euro entfallen auf jene Zeitungen, die besonders knalligen und verkürzten Journalismus betreiben.

Die Presseförderung, die einst gemeinsam mit der Parteienförderung eingeführt worden ist, sinkt seit Jahren, während die Parteien immer mehr Steuergelder für sich reklamieren können. Anfang der 1990er lagen beide Töpfe bei etwa 22 Millionen Euro. Seit damals schnellten die Zuwendungen für die Parteien fast um das Zehnfache auf etwa 200 Millionen Euro hinauf. Die Presseförderung sank um mehr als die Hälfte.

Die Verleger beklagen auch seit Jahren, dass für Printprodukte eine Werbeabgabe in Höhe von fünf Prozent eingehoben wird, für Onlinewerbung jedoch keine entsprechende Steuer. Dies hat zur Folge, dass vor allem internationale Konzerne  im Vorteil sind – die sind aber ohnehin schon oft mit geringeren Steuern belastet, weil sie ihren europäischen Firmensitz in einem Staat mit niedriger Abgabenquote haben.

Verlegerpräsident und KURIER-Geschäftsführer Thomas Kralinger verweist zudem auf die Frage der Medienerziehung. „Junge Menschen muss man lehren, wie Nachrichten entstehen, wer sie wie kuratiert – oder auch nicht – und wie man Konsumiertes kritisch hinterfragt. Das passiert nicht von allein.“

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Auch in Hinblick auf die Integration unterstreicht Kralinger die Relevanz der Printmedien  und einer schulischen Medienerziehung. „Weil diese jungen Menschen sonst nie die österreichische Sicht der Dinge und Kultur vermittelt bekommen, sondern in dem verharren, was ihre Eltern konsumieren.“

Und was plant die Politik jetzt wirklich? Ein Fahrplan 

„Warten wir auf die Enquete“ lautete das Mantra von Medienminister Gernot Blümel bisher auf alle Fragen zu ORF und Co. Morgenabend ist die Veranstaltung zu Ende. Was kommt dann wirklich?
Blümel selbst hat bereits erkennen lassen, dass er der Idee etwas abgewinnen könnte, den ORF als verlängerte Werkbank für die Privaten zu behandeln. Für ihn „stellt sich die Frage, ob die Legitimität dieses hohen Gebührenaufkommens für einen Player noch relevant ist“, wie er am Dienstag auf ORFIII sagte.

„Ich glaube, er muss sie so rechtfertigen, dass er nicht mehr ein Konkurrent für die Privaten ist, sondern ein Partner der Privaten wird.“ Der eigentliche Gegner des ORF sei bei den Giganten im Silicon Valley zu suchen, so Blümel. Im Oktober will  der Medienminister, der auch die Europaagenden in der Bundesregierung verantwortet, eine weitere Enquete abhalten, auf der die Thematik  im Hinblick auf die europäische Perspektive debattiert werden soll. Kommenden Mittwoch empfängt Blümel zudem EU-Medienkommissarin Marija Gabriel zu einem Arbeitsbesuch.

Sowohl Blümel als auch die FPÖ glauben an erste Gesetzesreformen noch heuer. Dem Vernehmen nach wird dies wohl auf die ORF-Geschäftsführung und den Stiftungsrat abzielen. Hier könnte die Regierung – so ist zu hören – die jetzige Alleingeschäftsführung des Milliardenunternehmens und auch die Aufsichtsorgane dem Aktienrecht anpassen. Dafür könnte der Stiftung ORF theoretisch eine Art  AG übergestülpt werden.

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Die Frage, ob die Rundfunkgebühr abgeschafft wird, wie dies Vizekanzler Heinz-Christian Strache gefordert hat, dürfte ins nächste Jahr geschoben werden. Der FPÖ-Chef hatte ja dafür plädiert, den ORF statt dessen aus dem Bundesbudget zu finanzieren. Das hat neben der Gefahr, den ORF noch stärker in Abhängigkeit der jeweiligen Regierung zu drängen, noch eine andere Komponente: Der Finanzminister müsste jährlich rund 600 Millionen Euro locker machen, was für Insider schwer vorstellbar ist.

Es soll aber für die Seher billiger werden. Und hier wird es  heikel für die Türkisen, denn alle Bundesländer (außer Oberösterreich und Vorarlberg) heben teilweise nennenswerte Summen über die GIS als Landesabgabe ein. Wie man die überwiegend schwarzen Landesfürsten dazu bringt, auf diese Gelder zu verzichten, ist parteiintern nicht ganz unproblematisch, noch dazu, weil die schwarzen Landeshauptleute sich gegenüber den Kollegen im Bund in jüngerer Vergangenheit wieder überaus selbstbewusst zeigen.  

Und dann ist da noch die FPÖ: Verhandlungsführer für die Medienthemen ist Mediensprecher Hansjörg Jenewein, dessen Linie in den vergangenen Monaten immer wieder von der Parteispitze torpediert wurde. Sollten sich die Freiheitlichen weiter auf keinen klaren Verhandlungskurs einigen können, wird es schwierig.