Nächste Corona-Hymne: 70 Musiker spielten Rock-Ballade ein
Von Michael Hammerl
Ein Virus sucht seine Hymne: Bono, Nena und Neil Diamond haben Corona bereits besungen, Die Ärzte ebenso. Die Südtiroler Kapelle Frei.Wild, die ideologisch zwischen Xavier Naidoo und den Böhsen Onkelz irrlichtert, veröffentlichte gar zwei Versionen von ihrem Epos "Corona Weltuntergang": Zuerst eine hörbar schnellgetextete Medienschelte, später eine halbherzige Entschuldigung für diese Unvorsichtigkeit. Getreu dem Motto: Die anderen wussten es ja auch nicht besser.
Aber nicht jeder unterbietet mit vulgärem Heimatrock so gekonnt das Komplexitäts-Level von Helge Schneider, der sich eine Minute an sein Klavier setzt und (wie gewohnt) etwas und auch nichts macht – was wenigstens Bodenständigkeit suggeriert. Und die dürfte angebracht sein, wenn doch angeblich die Stunde jener schlägt, die sonst eher hinter dem Vorhang stehen: Ärzte, Pflegerinnen, Supermarkt-Mitarbeiter.
So weit, so viel: Vor 30 Jahren hat der ebenfalls bodenständige Gitarrist Gert Endres für seine Band "Scaramouche" die Akustik-Ballade "Side by Side" verfasst. Scaramouche, gegründet im baden-württembergischen Lahr, soll in den 90ern mehrmals vor dem großen Durchbruch gestanden sein. Geschafft haben sie ihn nie. 2001 löste sich die Gruppe auf.
"Resignieren? Kommt für mich nicht in Frage!"
Die Filmemacher Pirmin und Maik Styrnol arbeiten seit bald zwei Jahren an einer Dokumentation über diese verschwundenen Helden ihrer Jugendtage. "Heart and Soul" wird das Herzensprojekt heißen, wenn es dann eines Jahres fertig ist.
Auch hier gilt: Bitte warten. Kontaktverbot und Ausgangssperre verzögern die Dreharbeiten. Aber: "Resignieren? Kommt für mich nicht in Frage! Niemals", sagt Endres. Deshalb schrieb er "Side by Side" um und schloss sich mit Maik Styrnol kurz, der hauptberuflich Musik produziert. Die beiden hatten einen Plan.
Entstanden ist eine Rockhymne, an der 70 Musiker aus zehn verschiedenen Ländern beteiligt waren: die ehemalige Band Scaramouche, Italiener, Thailänder, ein Steirer und viele andere. Aufgenommen wurden die Stimmen und zwölf Instrumente – von Dudelsack bis Tambourin – von den jeweiligen Protagonisten im Homeoffice. "Am Anfang war es ein ganz schönes Chaos", gibt Maik Styrnol zu.
Die Botschaft ist eher allgemeiner Natur: Alle sollen zusammenstehen. Das erinnert ein wenig an "Heal The World" von Michael Jackson – nur ohne den bitteren Beigeschmack von "Leaving Neverland". Das aus Handykamera-Aufnahmen zusammen gebastelte Video wurde mit schwäbischer Gründlichkeit geschnitten.
"Es war überwältigend, wie zahlreiche Menschen den Song eines Einzelnen zu einer gemeinsamen Hymne gemacht haben! Gänsehaut pur!", sagt Endres. "Retten kann ich die Welt damit vielleicht nicht, aber wenn manchen beim Hören warm ums Herz wird, hab ich sie vielleicht ein kleines bisschen besser gemacht."