Kultur/Medien

Regierung schnürt umfangreiches Paket für Film, TV und Streaming

Im Ringen um eine zeitgemäße Film- und Fernsehförderung, die den aktuellen Entwicklungen Rechnung trägt, mussten einige Extrarunden gegangen werden. Dabei gab es bereits im Mai 2019 einen ersten Ministerratsbeschluss zur Schaffung eines Steueranreizmodells internationalen Zuschnitts.

Seitdem hat sich in Österreichs Politik - auch personell - viel getan, in Sachen Schaffung eines konkurrenzfähigen Fördermodells hingegen wenig. Wie der KURIER berichtete, läuteten heimische Filmproduzenten im Mai dieses Jahres die Alarmglocken. Einer der Gründe für die Verzögerungen: gleich vier Ministerien sind mit der Materie befasst.

Nun gingen die Vertreter und Vertreterinnen dieser Ministerien mit einem umfangreichen Anreizmodell an die Öffentlichkeit. Finanzminister Magnus Brunner, Wirtschaftsminister Martin Kocher, Medienministerin Susanne Raab (alle ÖVP) und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) stellten die Pläne am Dienstagvormittag in einer erst am Vorabend angesetzten Pressekonferenz vor.

"Reagieren auf Trends"

Brunner sprach den internationalen "Konkurrenzkampf im Bereich Streaming" an, Streamer seien mittlerweile die größten Käufer von Drehbüchern. "Es stört mich als Finanzminister, wenn Steuergelder ins Ausland abfließen", sagte er, gleichzeitig wolle man hochqualitative Filme weiterhin fördern, "wir reagieren auf Trends".

Mayer, die das neue Fördermodell im Detail vorstellte, sagte: "Mit dem neuen Filmpaket stärken wir die ganze Branche. Wir stärken nicht nur internationale Produktionen, sondern auch den österreichischen Film."

Alle Inhalte anzeigen

30 + 5 Prozent

Kernpunkt: Die Bundesregierung wird ein Anreizmodell für den Filmstandort Österreich schaffen, das mit 1. Jänner 2023 in Kraft treten soll.

Das Modell sieht einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 35 Prozent der in Österreich im Rahmen von Filmproduktionen getätigten Ausgaben vor. 5 Prozent davon sind an die Berücksichtigung klimaverträglicher Kriterien gebunden. Dieser Anteil wird „Öko-Bonus“ genannt und soll Green Producing fördern.

 

Kein Deckel

Bemerkenswert dabei ist, dass die hohen Fördersummen, die pro eingereichtem Projekt bis zu 5 Millionen (bzw. 7,5 Millionen Euro für Serien) gehen können, in Zukunft ungedeckelt zur Verfügung stehen sollen. Kocher sprach von einem "Ergebnis, das sich sehen lassen kann", einer „Open end“-Förderung, von der auch andere Branchen über die Filmbranche hinaus profitieren sollen. Sprich: Es soll kein „first come, first served“-Prinzip mehr geben.

In diesem Jahr zum Beispiel waren die aus dem Topf der FISA (Filmstandort Austria) mit 7,5 Millionen pro Jahr begrenzten Gelder bereits nach dem ersten Quartal ausgeschöpft, weswegen nun einmalig Geld zugeschossen werden musste. Kocher bestätigte erstmals offiziell, dass die Valorisierung für heuer 2 Millionen Euro beträgt. Ansonsten hätte kein österreichisches Kinofilmprojekt heuer noch Chancen auf FISA-Gelder (die 20 Prozent der Produktionskosten betragen können) gehabt.

Auch für internationale Produktionen, die in Österreich drehen wollen, oder einzelne Servicedienste in Anspruch nehmen wollen, soll ab kommendem Jahr plötzlich viel mehr Geld zur Verfügung stehen.

Dies soll - auch in Zeiten eines Streamingbooms - Wertschöpfung anziehen, was laut internationalen Erfahrungen ein gutes Geschäft für den Staat ist und auch Arbeitsplätze sichern und schaffen kann. Hier wurde in den vergangenen Jahren Vieles verabsäumt.    "Insgesamt haben wir Nachholbedarf", konstatierte auch Brunner.

Alle Kanäle berücksichtigt

Das neu geschaffene Anreizmodell soll nicht nur für Kinofilme gelten, sondern auch für Fernsehen und Streaming. Somit wird auch ein Anachronismus, der für Streamingproduktionen Sonderkonstruktionen notwendig machte, repariert.

Verwaltet werden soll das neue Drei-Säulen-Modell von den bisherigen Trägern. Wobei sich das im Wirtschaftsministerium ansässige FISA (als vom Austria Wirtschaftsservice aws verwaltetes Standortförderinstrument) um internationale Serviceproduktionen (für Kino, TV, Streaming) kümmern soll. Auch einzelne Produktionsteile wie Schnitt, Nachvertonung, Visual Effects werden gefördert.

FISA+

Über FISA, das dann FISA+ heißen soll, werden laut den Regierungsplänen auch die Gelder für nationale TV- und Streamingproduktionen abgewickelt, wenn sie nicht im Auftrag von Sendern oder Videoabrufdiensten erstellt werden und über einem Gesamtbudget von 1,8 Millionen Euro liegen. Geringer dotierte Produktionen verbleiben weiterhin im RTR Fernsehfonds Austria, der bei Medienministerin Raab ressortiert. Der aktuell mit 13,5 Mio. Euro jährlich gefüllte Fernsehfonds soll bestehen bleiben, sagte sie. Diese Gelder würden als „Österreich Bonus“ ein "zusätzliches Tool" darstellen, "um Produktionen mit überdurchschnittlicher Wertschöpfung im Land" zu fördern.

Alle Inhalte anzeigen

ÖFI+

Das beim Kulturministerium angedockte Österreichische Filminstitut (ÖFI) kümmert sich weiterhin um nationale Kinofilme. Zusätzlich zum nun ungedeckelten Zuschuss (genannt ÖFI+) von bis zu 35 Prozent kann das ÖFI weiterhin selektiv fördern. Auch Standortfördergelder der Bundesländer können darauf aufsetzen. Und heimische Kinoverleiher sollen nun Verleihkosten einreichen können.

Der bisher notwendige Gang zum FISA entfällt nun bei Kinofilmen. "Das ist ein One-Stop-Shop", unterstrich Mayer, "mit diesem Anreizmodell machen wir Österreich international konkurrenzfähig."

Bestehende Voraussetzungen wie Mindestproduktionskosten oder kultureller Wert bleiben bestehen. Sind sie beim Antrag erfüllt, soll die Abwicklung automatisch erfolgen.

Weiteres Prozedere

Der Ministerratsvortrag soll morgen, Mittwoch, im Ministerrat beschlossenwerden. Die Mechanik der einzelnen Zuständigkeiten soll nun im Einzelnen gebaut werden. Nach einer Begutachtungsphase soll die Novelle im September ins Parlament kommen. Eine Prüfung vonseiten der EU ist für derlei Fördermaßnahmen vorgesehen.

Wenn alles klappt, soll dieses Anreizmodell zeitlich unbegrenzt laufen. Eine Evaluierung ist nach fünf Jahren geplant.

In der Filmbranche wurden die Neuigkeiten überwiegend mit viel Wohlwollen aufgenommen. Die FilmproduzentInnenverbände AAFP und Film Austria begrüßen via Aussendung, "dass die seit Jahren im Raum stehende Forderung nach einem Incentive für die Filmherstellung in Österreich nun in einem breiten, nachhaltigen und auf den ökologischen Change-Prozess in der Branche ausgerichteten Paket umgesetzt wird".

„Mit dieser Initiative wird die österreichische Filmwirtschaft in die neuen Zeiten der Contentproduktion katapultiert. Dieses Paket verschafft uns wieder Augenhöhe im internationalen Wettbewerb. Die Bundesregierung setzt einen zeitgemäßen und treffsicheren Investitionsanreiz, der zehntausende Arbeitsplätze sichern und schaffen wird, österreichische Identität in die Welt trägt und vermehrt die Kreation von österreichischen Filmwerken in ihrer vielfältigen Bandbreite, von der Fernsehdokumentation, über Kinofilme bis hin zur High-End Streaming-Serie ermöglicht. Es liegt an uns als VertreterInnen der österreichischen Filmwirtschaft, mit dieser Möglichkeit sorgsam und nachhaltig umzugehen“, sagt Alexander Glehr, Präsident des AAFP.

Helmut Grasser, Präsident von Film Austria, fügt hinzu: „Entscheidend und nachhaltig ist, dass nicht der Auftragsfilm, sondern die Eigenproduktion im Fokus der Maßnahme steht. Es wird oft übersehen, dass nach wie vor der TV-Bereich das mit Abstand umsatzstärkste Segment in der europäischen Filmwirtschaft ist. Umso wichtiger ist, dass mit dem Österreich-Bonus ein Instrument geschaffen wird, das Filme, die im eigenen Risiko hergestellt werden, von Auftragsfilmen deutlich abhebt. FISA+ stärkt unsere Position in den Verhandlungen um faire Terms of Trade mit Sendern wie Streamern massiv.“

Große Freude über die Neuregelung herrschte beim Fachverband der Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer. "Ich freue mich unendlich", zeigte sich Obmann Alexander Dumreicher-Ivanceanu gegenüber der APA vollends zufrieden mit dem Modell: "Es ist eine echte Punktlandung!" Dass die Förderschiene an sich nicht gedeckelt werde, sei die eigentliche Sensation dabei. Damit gebe es künftig kein Rennen mehr darum, wer als erstes einen Antrag einreicht. "Stattdessen löst man die Bremsen für das kreative Potenzial", so Dumreicher-Ivanceanu. Und nicht zuletzt sei der grüne Bonus von 5 Prozent zusätzlich europaweit einzigartig: "Da ist Österreich ein Vorreiter." Damit könne man die notwendige Umstellung der Branche in Richtung Klimaneutralität beschleunigen.

Auch WKÖ-Präsident Harald Mahrer begrüßte die Konstruktion: "Das neue Anreizsystem für unsere Film- und Kreativwirtschaft ist eine Win-win-Situation zur Stärkung des Filmstandortes Österreich, denn: Jeder in den österreichischen Film investierte Euro kommt vielfach zurück - durch ein Mehr an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in Österreich, durch nachhaltige Tourismuseffekte, durch positive Struktureffekte in der Filmwirtschaft sowie durch Umsatzeffekte in den Zulieferbetrieben und in der gesamten Wertschöpfungskette."

"Einen nahezu historischen Meilenstein" konstatierte Roland Teichmann, Direktor des Österreichischen Filminstituts. Man habe nun ein bestens austariertes Modell, mit dem sich die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts steigern lasse: "Damit wird das zeitlich unbefristete und ohne budgetäre Deckelung versehe Modell zu einem echten Gamechanger, der die heimische Filmbranche gerade jetzt nach der langen Durststrecke durch die Pandemie und den damit verbundenen Verwerfungen des Finanzierungs- und Verwertungsmarktes entscheidend stärkt und Planungssicherheit gibt."

Auch vonseiten des österreichischen Filmfestivals Diagonale kam am Dienstag Zustimmung zum angekündigten Modell. "Wir freuen uns, dass hierzulande endlich film- und kulturpolitische Schritte gesetzt werden, die auch als wirtschaftspolitische Maßnahmen zu sehen sind - ein längst überfälliger und zentraler Schritt, um den österreichischen Film international anschlussfähig zu halten", so das Intendantenduo Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber in einer Aussendung.