ORF-Novelle bringt Kompensationszahlungen, mehr Kooperation und viel Kritik
Von Christoph Silber
Im Journalismus nimmt man gern für sich in Anspruch: Wenn alle unzufrieden sind, hat man alles richtig gemacht. Das mag sich auch Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) denken, nachdem sie am Mittwoch mit der Grünen Klubchefin Sigrid Maurer die ORF-Gesetzesnovelle präsentiert hatte.
Donnerstagabend ging die ORF-Gesetzesnovelle in Begutachtung, die Frist dazu läuft bis 25. Mai.
Der wesentlichste Punkt für die österreichische Bevölkerung: Der neue „ORF-Beitrag“ für, wie vom Verfassungsgerichtshof gefordert, alle Haushalte wird von 22,45 Euro (TV/Radio) auf 15,30 abgesenkt. Das bringt dem ORF mit 710 Millionen trotzdem mehr. Sollten die Einnahme die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags übersteigen, kommt das Geld auf ein Sperrkonto. Steigen die Nettokosten, kann der ORF darauf zurückgreifen. Eine Erhöhung des ORF-Beitrags wird als "letzte Option" angeführt. Ist dies dennoch nötig, kann der ORF-Generaldirektor weiterhin einen Antrag an den Stiftungsrat stellen. Dieser wird im Anschluss von der Behörde KommAustria geprüft. "Versagt die Regulierungsbehörde die Genehmigung, so hat dies die Wirkung einer Aufhebung."
Wichtig auch: Wer GIS-befreit war, bleibt befreit, befreit sind nun auch Zweitwohnsitze.
Mehr Kompensation
Durch die Umstellung vom per GIS-Gebühr eingehobenen Programmentgelt auf den neuen ORF-Beitrag entfällt für den ORF das Recht zum Vorsteuerabzug. Dieser Verlust beträgt für den ORF in den Folgejahren zwischen 70 und 90 Mio. Euro, geht aus einer Folgenabschätzung zum Gesetzesentwurf hervor. Diese Summe soll vom Bund durch eine zeitlich befristete jährliche "Kompensation" an den ORF "neutralisiert" werden. Im Gegenzug soll der ORF Einsparungsmaßnahmen, etwa im Personal- und Sachkostenbereich treffen.
Sport+ bleibt bis 2026 und wandert dann ins Internet. Dort darf ein Kinderkanal entstehen – mehr aber nicht. Gesichert ist vorerst das Radio Symphonie Orchester. Für dessen Fortbestand sowie für ORF Sport+ erhält der ORF bis 2026 jährlich 10 Mio. Euro an Kompensationszahlungen. Voraussetzung dafür ist etwa die Ausstrahlung von mehr Breitensport in einem Hauptprogramm.
Mit der Novelle darf der ORF Inhalte aus Kultur, Information (ausgenommen Nachrichtensendungen), Unterhaltung und Sport frühestens 24 Stunden vor Ausstrahlung im linearen Programm bereits online zur Verfügung stellen. Im Falle von Serien sind maximal zwei Folgen im Voraus erlaubt. Im Bereich der Inhalte, die der ORF künftig nur für online produzieren darf (online-only), sind bis zu 80 Sendungen pro Woche erlaubt.
Mehr Kooperation
Aus dem Gesetzesentwurf geht auch hervor, dass der ORF die Kooperation mit Privaten stärken soll. Der ORF muss dazu eine Auswahl von eigenproduzierten Sendungen, die vor mehr als sieben Jahren erstausgestrahlt wurden, im Ausmaß von 500 Minuten pro Jahr an Privatsender und gegen Entgelt zur Ausstrahlung weiterreichen. Auch aktuelle ORF-Sendungen dürfen von Privaten ausschnittsweise verwendet werden. Der ORF kann wiederum - sofern gewünscht - Inhalte von privaten Marktteilnehmern auf seiner Onlineplattform gegen Kostenerstattung bereitstellen.
ORF.at wird – wie gesetzlich vorgeben, aber nicht eingehalten – auf Überblicksmeldungen reduziert. Diese dürfen nicht "mit dem Online-Angebot von Tages- oder Wochenzeitungen oder Monatszeitschriften vergleichbar" sein. 350 je Woche dürfen es sein, 70 Prozent muss Bewegtbild sein. Gesonderte Überblicksberichterstattung auf Bundesländerebene ist zulässig, jedoch auf bis zu 80 Tagesmeldungen pro Bundesland pro Kalenderwoche zu beschränken.
Auch ein (Gehalts-)Transparenz- und "Privilegienabbau“-Paket kommt. Letzteres zielt auf Uralt-Verträge.
Viel Kritik
Für vieles hagelt es Kritik: Der Verband Österreichischer Zeitungen sieht "medienpolitische Fehlentwicklungen.“ Für Präsident Markus Mair "steht die heimische Medienvielfalt auf dem Spiel.“
Die Privatsender (VÖP) orten "grobe und EU-rechtswidrige Wettbewerbsverzerrung.“ Man meint: „Die Bundesregierung nimmt Kollateralschaden für den gesamten Medienstandort in Kauf.“
Medienwissenschaftlern fehlt "medienpolitischer Gestaltungswille.“
Der ORF-Redaktionsrat hält die Novelle für "zum Teil besorgniserregend“ und Einschränkungen für ORF.at für problematisch. Generaldirektor Roland Weißmann sieht hingegen "wichtige Grundlagen für eine nachhaltige Weiterentwicklung des ORF geschaffen.“ Der Sparkurs müsse konsequent fortgesetzt werden.
Den Filmproduzenten gibt das neue Gesetz "Anlass zur Hoffnung auf endlich mehr Planungssicherheit für die Branche.“
Alle Oppositionsparteien sowie die Gewerkschaft kritisierten den Gesetzesentwurf. Die Regierungsparteien finden ihn durchaus gelungen.
Medienministerin Raab meinte in der „ZiB2“ noch am Mittwoch: "Manchmal schmerzt Veränderung.“ Das galt wohl allseits.