Klimakleberin Krumpeck im ORF-Studio: "Tut mir wahnsinnig leid"
Von Peter Temel
* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends *
Die Frage, inwieweit die Klimakleber-Aktionen ihr Ziel erreichen, und ob man diese härter bestrafen solle, wurde am Montagabend auch im ORF diskutiert. Eine der Gründerinnen der Protestgruppe "Letzte Generation", Martha Krumpeck, war in der „ZiB2“ zu einem Streitgespräch mit Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) eingeladen.
Armin Wolf wollte zunächst von Plakolm wissen, ob es nicht „ein wenig übertrieben“ sei, von „Klima-Chaoten“ zu sprechen, „die die öffentliche Sicherheit bedrohen“?
Plakolm findet das natürlich nicht übertrieben. Die Aktionen der „Letzten Generation“ bezeichnet sie als „nicht nur völlig daneben, sondern auch auf vielen Ebenen respektlos“. Das sei „respektlos den Menschen gegenüber, die tagtäglich in der Früh in die Arbeit fahren, womöglich auch noch Kinder mit im Auto sitzen haben, respektlos den Polizistinnen und Polizisten gegenüber, weil sie ein weiteres nervenaufreibendes Theater damit regeln müssen und am Ende des Tages auch respektlos gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, weil sie zum einen für die Schäden, aber auch für die Polizeieinsätze aufkommen müssen.“
Mit diesem Fokus steht die 28-jährige Staatssekretärin doch einigermaßen weit von dem entfernt, was man gemeinhin als "Jugendangelegenheiten" wahrnimmt.
"Wissen Sie, was respektlos ist?"
Krumpeck antwortet, es tue ihr „wahnsinnig leid, dass wir Menschen verärgern müssen, dass wir uns Menschen in den Weg stellen müssen, damit man endlich der Wissenschaft zuhört“. An die Staatssekretärin für Jugendangelegenheiten gerichtet, sagt sie: „Und wissen Sie, was respektlos ist, Frau Plakolm? Wenn man jungen Menschen sagt, eure Zukunft ist uns wichtig und dann einfach weiterwurschtelt wie bisher, als wäre nichts gewesen. Ich meine, wenn man die Welt in eine Klimakatastrophe schlittern lässt, wenn der Professor Schellnhuber vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung sagt: ,Wir schieben unsere Kinder in einen globalen Schulbus, der mit 98 Prozent Wahrscheinlichkeit tödlich verunglückt.´“
Drastische Worte, auf die Wolf Plakolm einmal reagieren lassen will.
Diese meint: „Es sind ja gerade sehr, sehr viele junge Menschen, die sich eigentlich genau aufgrund dieser Aktionen kopfschüttelnd von diesen Bewegungen abwenden und es waren gerade junge Menschen in den letzten Jahren, die das Thema Klimaschutz auch groß gemacht haben, für alle Generationen, und deswegen ist es schade, dass aufgrund dieser Klimakleberei eigentlich kein einziger Millimeter erreicht wird.“
Österreich müsse sich „definitiv nicht verstecken, was Maßnahmen für den Klimaschutz betrifft“, sagt Plakolm. Sie zählt die ökosoziale Steuerreform, den CO2-Preis und das Erneuerbarenausbaugesetz auf.
Stöhnen
Wolf wendet sich wieder Krumpeck zu: „Ich habe Sie jetzt nicht gesehen, während Frau Plakolm gesprochen hat, aber ich habe Sie stöhnen gehört. Sie wirken nicht sehr überzeugt.“
Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut sei „nicht einmal ansatzweise“ überzeugt, antwortet die Molekularbiologin, die zusehends emotionaler wird. „Ziviler Widerstand ist kein Beliebtheitswettbewerb. Wir wollen uns nicht bei allen Menschen für das beliebt machen, was wir tun. Wir wollen, dass an uns einfach kein Vorbei mehr ist, dass man uns nicht ignorieren kann, wie die Wissenschaft über zwanzig, dreißig Jahre ignoriert worden ist. Wie die "Fridays for Future"-Bewegung für vier lange Jahre komplett ignoriert worden ist. Wir stehen in der Klimakrise mit dem Rücken zur Wand, wir sehen diese Dürresommer, wir sehen jetzt, wie uns im Winter der Schnee weg schmilzt.“
Armin Wolf bremst den Drive etwas: „Aber ist es nicht ein Problem für Sie, dass trotzdem wegen Ihrer Aktionen ja nicht über mehr Klimaschutzmaßnahmen diskutiert wird, sondern über die Sinnhaftigkeit Ihrer Aktionen?“
Nun landet Krumpeck einen Treffer: „Die Sinnhaftigkeit unserer Aktion ist ja rein schon dadurch gegeben: Ich sitze hier und habe die Möglichkeit hier mitzureden und ich habe hier die Möglichkeit aufzuzeigen, wie die Klimapolitik dieser Regierung völlig an dem vorbeigeht, wo wir eigentlich hin müssten. Das wäre ohne diese Aktionsformen nicht der Fall.“
An Schrauben drehen
Wolf spricht Plakolm nun darauf an, dass die Forderungen der "Letzten Generation“ gar nicht besonders radikal seien, er nennt Tempo 100 auf der Autobahn als Beispiel. „Wie erklären Sie denn Frau Krumpeck oder unserem Publikum, das jetzt zuschaut, dass die Regierung nicht mal so eine ziemlich banale Maßnahme zustande bringt?“
Plakolm wendet diese Formulierung nun gegen die Klimaaktivisten an: „Ja offenbar ist es tatsächlich sehr banal, weil meines Wissens nach steht die ,Letzte Generation´ genau für zwei konkrete Forderungen im Bereich Klimaschutz, nämlich zum einen Tempo 100 und zum anderen für ein Fracking-Verbot. Mehr Inhalte habe ich leider nicht wahrnehmen können.“
Tempo 100 wischt sie dann mit dem Argument vom Tisch, „dass wir weniger mit Verboten arbeiten müssen, sondern stattdessen an den ganz großen Schrauben drehen müssen.“ Dazu brauche es eine „Energiewende in der Industrie, da nehmen wir sechs Milliarden Euro in die Hand alleine für die Klima- und Transformationsoffensive.“
An gewissen Schrauben drehen sollen auch manche Aktivisten, wie der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl kürzlich erklärte. Er berichtete von Lockern von Radmuttern oder Luft aus den Reifen lassen bei SUVs.
"Wir wollen das nicht"
Ob die Bewegung Gewalt gegen Sachen, also Sachbeschädigung, „tatsächlich okay“ finde, will Wolf nun von Krumpeck wissen.
„Wir vermeiden es, auch Dinge kaputt zu machen“, sagt die Aktivistin. „Wir wollen das nicht. Wir wollen Menschen aufrütteln, wie der Feueralarm auf einer brennenden Erde. Und es ist eine Schande, dass es notwendig ist, so weit zu gehen, dass es notwendig ist, dass sich Lehrlinge, Ärztinnen gemeinsam an die Straßen kleben, damit diese Bevölkerung endlich aufwacht und realisiert, in was für eine un - vor - stellbare Katastrophe wir hier schlittern!“
Die Verwendung des Rufzeichens hier ist nicht übertrieben. Krumpeck zeigt sich den Tränen nahe und spricht immer wieder direkt in die Kamera. Was im ORF gemeinhin nur Moderatoren und dem Bundespräsidenten vorbehalten ist.
Entlüftungsaktionen
Wolf weist darauf hin, dass Manipulationen an Autos auch „tatsächlich Menschen gefährden“ könnten.
Krumpeck bekräftigt, dass die "Letzte Generation“ mit solchen Aktionsformen „nichts zu tun“ habe. Wieder wendet sie sich direkt ans Publikum: „Und gerade was Radmuttern lockern betrifft. Bitte, bitte macht es nicht, das kann nämlich wirklich ins Auge gehen.“
Das Luft auslassen bezeichnet sie als „Entlüftungsaktionen“. Auch ein interessanter Terminus.
Diese Entlüftungsaktionen würden in einigen Ländern stattfinden, „hauptsächlich aus Protest gegen die Explosion des SUV-Sektors von immer schwereren, immer dickeren Autos, die sämtliche Klimaziele im Verkehrssektor über den Haufen werfen, sämtliche Effizienzgewinne auffressen.“
Wolf weist noch einmal darauf hin, dass es „sehr gefährlich“ sein kann, „wenn jemand ohne Luft im
Reifen losfährt“.
Krumpeck bewegt sich nun in eine neue Rolle als Fahrsicherheitstrainerin und erläutert: „Also Luft im Reifen kann grundsätzlich aus verschiedensten Dingen fehlen, man kann auf einen Nagel fahren oder sowas. Man sollte vor Inbetriebnahme des Fahrzeugs immer die Fahrtauglichkeit prüfen, lernt man auch in der Fahrschule so, und wie gesagt, die ,Letzte Generation´ macht diese Dinge bewusst nicht.“
"Härtere und klare Strafen"
Nicht überraschend begrüßt Plakolm die Forderung ihrer Parteikollegin, NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, per Gesetzesänderung auch Haftstrafen nach solchen Aktionen vorzusehen. „Aktuell kann man diesen Klimaklebern nur mit Verwaltungsstrafen begegnen und ich bin schon der Meinung, dass diese Geldstrafen nicht in Relation zu dem stehen, was für solche Einsätze, für Polizeieinsätze und auch für Schutzmaßnahmen an Geld für den Steuerzahler ganz einfach auch aufkommt.“
Es werde früher oder später passieren, „dass Leib und Leben von Menschen gewissermaßen gefährdet wird“. Dies hinzunehmen, würde „Tür und Tor für die Selbstjustiz öffnen“ und „deswegen bin ich der Meinung, dass man diesen Vorschlag definitiv prüfen soll, dass es härtere und klare Strafen gibt für Klimakleber“.
Sie saß aber einer 31-jährigen Frau gegenüber, die vergangenen Oktober sogar freiwillig eine 44-tägige Ersatzfreiheitsstrafe antrat, die ihr für wiederholte Verkehrsblockaden auferlegt worden ist, weil sie die Verwaltungsstrafe nicht entrichtete. Offenbar schreckt ein Gang ins Gefängnis manche Aktivistinnen nicht ab.
„Wir greifen zu den wenigen Mitteln, die uns noch bleiben, wie wir friedlich und gewaltfrei da aufrütteln können“, sagt Krumpeck dann, erneut Verzweiflung andeutend.
Wolf zitiert dann auch noch die Jugendorganisation der Neos, die in der Beurteilung der Klimaproteste offenbar eher dem Team Plakolm zuzurechnen ist: „Klimaschutz ist extrem wichtig und selten hat eine politische Organisation dem Klimaschutz mehr geschadet als die ,Letzte Generation´.“
Krumpeck meint, sie habe Daten aus anderen Ländern, zum Beispiel von der britischen Gruppe "Just Stop Oil". Diese würden ein anderes Bild zeigen, „dass gerade nach solchen Protestwellen die öffentliche Zustimmung zu Klimaschutzmaßnahmen ansteigt, dass die Bereitschaft, selber was zu tun, höher ist.“
Gesprochen wird tatsächlich wieder viel über Klimaschutz. Ob mehr konkrete Maßnahmen – im persönlichen wie im politischen Bereich – folgen, ist bei weitem nicht absehbar. Die Fronten im TV-Studio blieben jedenfalls verhärtet.