Kultur/Medien

Grüne-Vertreter Lothar Lockl zum Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrats gewählt

In seiner konstituierenden Sitzung hat der ORF-Stiftungsrat am Donnerstag Lothar Lockl zum Vorsitzenden gewählt. Der bisherige Leiter des "Grünen Freundeskreises", der nun auf einem Ticket der grünen Parlamentspartei im obersten ORF-Gremium sitzt, wurde ohne Gegenstimme gekürt. Er galt als Favorit für die Funktion, sah doch ein "Sideletter" der türkis-grünen Bundesregierung ein Vorschlagsrecht der Grünen für diese Funktion vor. Unterstützung gab es im 35-köpfigen Gremium allerdings darüber hinaus. Er erhielt 34 Stimmen bei einer Enthaltung.

Der PR-Unternehmer folgt in dieser Funktion Norbert Steger (FPÖ) nach, der von seiner Partei nicht mehr in den Stiftungsrat entsandt worden war. Üblicherweise – so auch Steger – bleibt die Funktion des Vorsitzenden durch Änderungen im Rat auch nach Bundes- oder Landtagswahlen unberührt.

Die Macht des Stiftungsratsvorsitzenden ist eher theoretischer Natur: Er lädt zu Sitzungen, bestimmt die Tagesordnung, ist eine Art Sprecher nach außen, kann durch seine Sitzungsführung den Verlauf prägen. Der Vorsitzende schreibt den Job des Generaldirektors aus und verhandelt mit diesem oder dieser nach der Bestellung den Arbeitsvertrag. Bei Stimmengleichstand im Stiftungsrat entscheidet das Votum des Vorsitzenden. In diese Situation wird Lockl übrigens gar nicht kommen: Roland Weißmann ist bis Ende 2026 zum Alleingeschäftsführer des ORF bestellt, die Neubestellung folgt demnach im August 2026. Die Funktionsperiode des nun im Amt befindlichen Stiftungsrats endet aber regulär schon im Mai 2026.

Stiftungsräte und so auch der Vorsitzende erhalten für ihre Arbeit lediglich eine Art Aufwandspauschale von 50 Euro pro Monat. Pro Sitzung bekommen einfache Räte 100 Euro, der oder die Vorsitzende 200 Euro, der oder die Vize 150 Euro.

Der ÖVP-Freundeskreisleiter Thomas Zach wertete die breite Unterstützung für Lockl als "positives Signal für die Zukunft des ORF". Er sei überzeugt davon, dass Lockl seine neue Funktion gut ausführen werde. SPÖ-Freundeskreisleiter Heinz Lederer meinte, Lockl habe in der Sitzung auch noch die letzten Zweifler überzeugt. Man müsse ihn nun an seinen Taten messen.

Zach hielt in Hinblick auf den "Sideletter" fest, dass die Entscheidung zugunsten von Lockl im Stiftungsrat gefällt worden sei - nicht von der Regierung. Gefragt, ob parteipolitische Freundeskreise noch zeitgemäß seien, meinte er, dass es "extrem wichtig" sei, sich im Vorfeld einer Sitzung zu beraten. Lederer erachtete die Freundeskreis-Debatte als "semantisches Problem", gebe es doch auch Länder- oder Kulturinteressen. Insgesamt handle es sich um ein "sehr partizipatives Gremium". Er berichtete auch davon, dass Lockl in der Sitzung die "Sideletter"-Vereinbarung als "keine glückliche Aktion" habe.

Lothar Lockl wurde 1968 in Wien geboren und studierte Politik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. Von 1989 bis 2000 war er Pressesprecher von „GLOBAL 2000“, von 2000 bis 2009 Pressesprecher des Bundessprechers der Grünen, danach Kommunikationschef und Bundesparteisekretär.

2016 leitete er den Wahlkampf von Alexander Van der Bellen für die Bundespräsidentenwahl. Lockl ist seit 2009 geschäftsführender Gesellschafter der Strategie- und Kommunikationsberatungsagentur „Lockl & Keck GmbH“, die auch in die Öffentlichkeitsarbeit des Klimarats involviert ist und schon länger vom Umweltministerium Aufträge bezieht. Seit 2020 ist Lockl Mitglied des ORF-Stiftungsrats.

Kein Wahlkampf-Management

Lothar Lockl, der die grüne Freundeskreis-Leitung an die Patientenanwältin Sigrid Pilz abgegeben hat, nahm nach der Sitzung im Pressegespräch Stellung. Zum Thema Sideletter meinte er, "ich war nicht Teil dieser Regierungsverhandlungen, ich bin auch nicht Mitglied dieser Regierung." Er sei für den Stiftungsratsvorsitz angetreten, "weil es mir um die Zukunft des ORF geht, weil mir die Medien ein echtes Anliegen sind und ich eine Leidenschaft für den Medienstandort Österreich insgesamt habe." In diesem Zusammenhang stellte er auch klar, dass die Funktion des Stiftungsratsvorsitz und das Managen von Wahlkämpfen wie vormals für Bundespräsident Alexander Van der Bellen nicht vereinbar sind.

Sehr wohl weiter "erfüllen" wird seine Kommunikationsagentur Aufträge aus dem Umwelt-Ministerium. "Das waren europaweite Ausschreibungen, einer davon geht auf das Jahr 2017 zurück. Damals war eine rot-schwarze Bundesregierung. Wir haben uns beworben und haben die Ausschreibung gewonnen und wir sind stolz darauf." Seine Agentur gehören zu den besten im Bereich Klima und Kommunikation in Österreich. Er verstehe hier auch den Vorwurf nicht. "Auf der einen Seite will man Fachkompetenz und Erfahrung, dazu Leidenschaft für die Medien, was ich mitbringe, auf der anderen Seite dürfen aber die Mitglieder eines solchen Gremiums ihren Beruf nicht nachgehen – in meinem Fall der des Kommunikationsdienstleisters – dann passt das nicht zusammen." Es gebe zahlreiche strenge Compliance-Regeln für die Stiftungsratsmitglieder, unterstrich Lockl. Was zukünftige Ausschreibungen betrifft, werde seine Agentur "sehr, sehr sorgsam überlegen. Sie können sich sicher sein, dass mir das Wohl des ORF ein großes Anliegen ist."

 

Positiv bleiben

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann nützte die Sitzung, um die Räte zur angespannten finanziellen Lage des öffentlich-rechtlichen Unternehmens zu informieren. Inflation, erhöhte Energie- und Baupreise wie auch GIS-Abmeldungen setzen dem öffentlich-rechtlichen Medientanker zu. ORF-intern wird bereits an einem umfassenden Maßnahmenpaket gearbeitet, um drohende Millionenverluste abzuwenden und doch noch ausgeglichen zu bilanzieren. Als Worst-Case-Szenario wurden in etwa 40 Mio. Euro Verlust am Jahresende genannt. Weißmann zeigte sich aber trotzdem optimistisch, "die schwarze Null" in der Bilanz zu erreichen.