"Massensterben" befürchtet: Club-Betreiber schlagen erneut Alarm
Von Marco Weise
Wer tanzen, feiern, dem Reiz des Rausches in der Sternstunde der Nacht folgen möchte, muss zurzeit kreativ sein. Vor allem, wenn Musikclubs und Bars um 1.00 Uhr zusperren. Zusperren müssen. Aber gefeiert wird trotzdem. Und weil das im Club eben gerade nicht möglich ist, weichen viele an andere Orte aus: Irgendwo auf einer grünen Wiese am Land, privat in der Wohnung, im Haus der sich gerade auf Urlaub befindenden Eltern, auf den wenigen noch freien Flächen in der Stadt - in Wien etwa am Donaukanal, im Prater und auf dem Karlsplatz.
Jemandem das Feiern per Verordnung zu verbieten, es zu verhindern, ist einfach schwer möglich. Das wissen auch die Clubs und Veranstalter, die seit Wochen unter Einhaltung der Maßnahmen ihren Clubbetrieb langsam wieder hochfahren wollen. Aber daraus wurde nichts. Daran hat das kürzlich auf Vorschlägen der Szene erarbeitete Präventionskonzept, das der Wiener Club Grelle Forelle zusammen mit einem seiner Hauptveranstalter, Gerald Wenschitz, vorgelegt hat (der KURIER berichtete), nichts geändert.
Luft geht aus
Die Sperrstunde bleibt. Die Boxen sind still. Noch ist keinerlei Öffnung in Sicht. Die Situation sei "dramatisch" und "existenzbedrohend", warnten Club-Betreiber und Veranstalter bei einer von der Vienna Club Commission einberufenen Pressekonferenz am Dienstag unisono. Denn für viele bedeutet Corona ein Ausfall der Einnahmen von 100 Prozent. Vor allem kleine Clubräume, die oft im Keller angesiedelt sind, kann man nicht nutzen. Alles spielt sich zurzeit draußen ab. Wer keine Terrasse, keinen Garten hat, ist benachteiligt.
Die Clubbetreiber und Veranstalter tragen zwar die Corona-Maßnahmen mit, aber vielen geht langsam die Luft aus. Es gibt zwar immer wieder positive Signale seitens der Politik, aber noch wurde nicht viel umgesetzt. Es braucht eine Planungssicherheit, einen Fahrplan für den nahenden Herbst und Winter.
Versuche starten
Die zuletzt in Aussicht gestellte Lockerung für die Nachtgastronomie und eine Verlängerung der Sperrstunde bis 4 Uhr ab 1. August wurde verschoben, obwohl genügend Ideen und Vorschläge für ein langsames Hochfahren vorliegen. Aber kein Konzept wurde vonseiten der Politik, den Entscheidungsträgern aufgegriffen.
Dabei stehe man vor einem Massensterben der Clubs: "Ich halte es für eine Sauerei, dass wir fast fünf Monate auf eine Ansage warten müssen", sagte Stefan Stürzer. "Sperren wir heuer noch einmal auf oder nicht und bekommen wir einen Fixkostenzuschuss von 100 Prozent?", sagt Stefan Stürzer, Betreiber der Wiener Kunst-und Kulturinitiative Das Werk. Was es brauche, sei eine schrittweise Öffnung. "Man muss experimentieren, Versuche starten“, fordert er. Andere Länder sind da schon weiter. In Südtirol hat das Land indes am Dienstag die Auflagen für Discos und Tanzlokale gelockert.
Clubs als Konzertbühne
Martin Wagner, Betreiber des Fluc, in dem die Pressekonferenz stattfand, wünschte sich, dass die Clubs in die Überlegungen der Stadt zu Festivals, wie dem Kultursommer oder den Festwochen, einbezogen werden. Solche Veranstaltungen könnten auch in den Clubs stattfinden. "Das muss nicht nur Clubkultur sein. Es wäre wichtig, in alle Richtungen zu denken", sagte Wagner.
2019 fanden laut Schürer-Waldheim vom Konzertveranstalter Arcadia Live zwei Drittel der 300 bis 400 Shows im Jahr in Wien statt - und wiederum 62 Prozent davon in den Clubs. "Das Überleben der Clubs ist auch für uns überlebenswichtig", betonte sie.
Belebung
Eine vielfältige und lebendige Clubkultur belebt Städte auf vielen Ebenen. Darüber gibt es mittlerweile zahlreiche Studien. Viele Städte und Länder haben bereits gehandelt, die Clubkultur der Hochkultur gleichgestellt. Sie ist nun ebenfalls förderungswürdig. Auch in Wien hat sich in den vergangen Jahren diesbezüglich einiges getan. Nun stehen aber viele mit leeren Händen da.
Mit dem Wegfall einer vielfältigen Clubszene, würde in Wien (und auch anderen Orten Österreichs) auch ein Stück Kultur verloren gehen. Ein wichtiger Kontrast zu Sissi, Sachertorte und Co. würde fehlen. Fehlen würden wichtige Räume, wo (im kleinen oder großen Rahmen) Musikförderung stattfinden kann, wo Bands wachsen können, wo Subkultur zu Popkultur werden kann.
Die Faktenlage ist klar. Dennoch gibt es kaum Bewegung, noch immer keinen Fahrplan und deshalb bei vielen keine Perspektive. In Wien droht der gesamten Clubkultur der Kahlschlag. Das wird die Stadt nachhaltig verändern. Nicht unbedingt zum Besseren. Doch Stadt und Bund reagieren bislang zu wenig (oder gar nicht) auf die Hilferufe.