Paaradox: Der Wichtelmann
Sie
Hoch lebe das Prinzip „Kalenderspruch“, diesmal: „Ein Geschenk ist genauso viel wert wie die Liebe, mit der es ausgesucht worden ist.“ Schaue ich aktuell an mir herab, sehe ich ausgesucht unhübsche Hausschuhe an meinen Füßen – ein Geschenk des Mannes gegenüber. Wie es dazu kam? Nun, zu Weihnachten galt heuer die familiäre Devise, dass wir einander nichts schenken würden, außer allenfalls selbst gemachte Seifen, handgestrickte Socken oder mit Verve gehäkelte Klorollenüberzieher. Da bei uns keiner häkeln, stricken oder gar Seifen herstellen kann, gab’s einfach nix. Tat gut. Und war insofern sehr lustig, als wir uns für das Spiel „Schrottwichteln“ entschlossen haben. Per Los wurde bestimmt, wer wem etwas schenkt, das er entsorgen möchte, weil er es nicht braucht oder hässlich findet.
Kein Zufall, oder?
Ich wurde dem Mann gegenüber zugelost, es gibt ja angeblich keine Zufälle. Wie er mir später verriet, war er knapp dran, mir jenen abgrundtief grausigen Pokal zu schenken, den ich seinerzeit dezent im Mist entsorgt hatte. Den er aber für sich als sentimentales Andenken an den großen Preis im Sackhüpfen in letzter Sekunde aus der Tonne rettete. Doch das wäre nur bedingt originell gewesen. Also entschloss er sich, etwas für mich zu kaufen, das hässlich und trotzdem weitgehend von Nutzen ist. Und so wickelte ich am Heiligen Abend Hausschuhe aus blumigem Papier, die in den sozialen Medien fix einen Design-Shitstorm und akuten Einsatz einer Geschmacks-Elite-Einheit ausgelöst hätten. Karottenoranger Filz in grober Ballerinaform, die meine zarten Haxerln wirken lassen, als hätte ich irgendein gröberes Fußleiden. Er grinste diabolisch. Der Witz ist: Ich mag sie trotzdem. Weil sie die wärmsten Toll-Patschen meines Lebens sind. Immer, wenn mich niemand sieht, schlüpfe ich in sie hinein und freue mich. Dann wird mir ganz warm um Zehen und Herz – und ich schicke dem Pantoffelhelden gedanklich ein paar Schrottwichtel-Bussis.
Er
Die Tücke begann schon bei der Auslosung. Ich zog für das Geschenkespiel das Zettelchen, auf dem „Gaby“ stand. Eh klar. Aber irgendetwas ging bei dem Procedere schief, weil am Ende blieb meiner Tochter nur das Papier mit dem eigenen Namen. Also mussten wir das Brimborium neu beginnen. Diesmal zog ich … „Gaby“. Ich vermute, wäre unser Familienkreis dreimal so groß, und wir hätten noch drei Auslosungen vorgenommen, am Ende wäre es immer meine Frau gewesen, für die ich zur Schrottjagd aufbrechen müsste. Zuerst durchstöberte ich meine kleine Wohnung nach Nutzlosem. Aber weder der Bronze-Pokal, noch die Rocky-Filmmusik-LP oder das (versehentlich mitübersiedelte) Buch „Kohlrabi – das unterschätzte Gemüse“ schien mir passend.
Irritationen
Also besuchte ich erstmals jenes Geschäft, an dem ich sonst nur staunend lächelnd vorbeigehe. Eine Art esoterisches Reformhaus mit einem durchaus speziell interpretierten Wohlfühlbegriff. Die Frage der Verkäuferin, ob sie mir behilflich sein könne, verneinte ich, weil die Ansage „Ja, ich suche etwas besonders Hässliches für meine Frau“ womöglich für Irritationen gesorgt hätte. Ich musste meine Abenteuerreise alleine bestreiten. Die handgemachte Zungentrommel und der Chakra-Sonnensensor waren mir zu teuer, das Labradorit-Set und die Yogi-Statuette aus Holz zu dekorativ, das Eukalyptus-Augenkissen und die Amethyst-Transformationskerze zu übertrieben. Und dann sah ich sie: Ballerinas aus Filz. In den Farben Ocker, Mint, Orange – was die Auswahl schwierig gestaltete. Vor meinem geistigen Auge sah ich jedenfalls gnä Kuhn, die auch auf einer Barfuß-Wanderung durch die Sahara verlässlich kalte Füße hätte, die Patschen auspacken. Und freute mich wichtelmäßig. Dass sie die lachhaften Latschen mittlerweile aus Überzeugung trägt (so schirch, aber so warm), gibt mir allerdings zu denken. Da ist Handlungsbedarf. Zum Valentinstag gibt’s die Transformationskerze.