„Voll schräg“ – Kinder bauen Kugelbahnen und drehen Trickfilme
Von Heinz Wagner
Kisten voller massiver Holzklötze, andere mit bunter Knetmasse, einen großen Metall-Kübel mit langen Holzleisten, zwei Leitern, ebenso viele Nudelmaschinen und Knoblauchpressen – das schleppten Katharina, Raimund und Michi, Mitarbeiter_innen des ZOOM-Kindermuseums kürzlich im dritten Stock einer Wiener Schule an. Gemeinsam mit den Kindern bauten sie die A2 der ILB (Integrative Lernwerkstatt Brigittenau) in einen spielerischen Bauplatz um. Sessel und Tische auf die Seite, Teppich zusammengerollt und nun ging’s los.
Kurz angeleitet von den ZOOM-Leuten entstanden nach und nach quer durch den Raum dieser Mehrstufenklasse (seit ewig heißen die jeweils drei bzw. am Ende der acht Jahre zwei Schulstufen umfassenden Lerngruppen übrigens Cluster) mit den Jüngsten (1. bis 3. Schulstufe, also ungefähr 6 bis 9 Jahre) Kugelbahnen. Die einen begannen ihre V-förmigen Leisten mit Knetmasse am Tisch zu fixieren, ließen sie über Sessel und die senkrecht aufgestellten Holzpflöcke um die Ecke verlaufen. Andere verwendeten die Leiter und hatten so rasant steile Bahnen. Wieder andere versuchten’s ziemlich flach.
Forschen und viel lernen
Kugelbahn-Bau ist mehr als ein Spiel. Experimentieren, ausprobieren, wie rollen Kugeln. Was ist zu tun, wenn sie bei der nächsten Kurve aus der Bahn springen? Knetmasse wird durch die Nudelmaschine gedreht, um flache Stücke zu kriegen. Mit diesen bauen die Kinder Mauern an jenen Stellen, wo’s die Kugeln rausschleudert. Physik ganz praktisch erleben. Nicht immer halten diese Mauern. Wie können sie besser halten oder verstärkt werden? Über Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens – Beobachten, ausprobieren, Versuch und Irrtum – wird so „nebenbei“ Teamwork praktiziert und gilt es, viel miteinander zu besprechen, zu reden, zu- und aufeinander zu hören. Und aufzupassen. Denn nach und nach füllt sich der ganze Klassenraum mit einer Bahn nach der anderen. Müssen neue Leisten, Pflöcke oder Knetmassen geholt werden, heißt es, vorsichtig durchgehen, drübersteigen, ausweichen.
Küchengeräte anders eingesetzt
Dass die Zoom-Leute so viel Knetmasse mitgebracht haben, ermöglicht aber mehr, als nur Mauern an scharfen Kurven oder Fixierungen von Klötzen und Schienen. Auf zwei Holzplatten bauen andere Kinder aus Knetmasse schlangenförmige Bahnen zwischen denen sie Kugeln bergab rollen lassen. Und hier kommen auch die oben erwähnten Knoblauchpressen ins Spiel. Bei der Nudelmaschine sorgen andere Einsätze dafür, dass nicht flache Platten, sondern eine Art bunter Spaghetti rauskommen. Mit den Knoblauchpressen lassen sich noch dünnere, fast Haar-artige Knet-Elemente rausdrücken. Die eignen sich bestens für Äste von Bäumen – oder auch ganz anderes, wie Haare von geformten Köpfen. Solche platzieren die Kugelbahn-Architekt_innen an so manche Stelle der Knetmasse-Bahnen – als Stopp, oder Weggabelung beispielsweise.
Reflexionen
Apropos Knet-Haare. Hier stellte Valentina einen einsamen Rekord auf: Weit mehr als zwei große Heftseiten (A4) zusammen, also mehr als einen halben Meter lang war die „Haarpracht“, die sie aus der Knoblauchpresse drückte. Hin und wieder drückte sie an manchen Stellen danach mit der Hand zusammen, um die Kette nicht abreißen zu lassen. „Cool“ – das war das erste Wort, das dem Kinder-KURIER zwei Tage später bei einem Besuch nach dem Lokalaugenschein aus dem Sesselkreis der A2 entgegenschallt. Und dann geht‘s doch ein wenig in die Details. Das Bauen der Bahnen habe sie so begeistert, meinten Arthur, Mohamad und Liam. Jakob faszinierte vor allem die für ihn neue Nudelmaschine. Sophia zeigte sich angetan, wie mit dieser Maschine sowohl Platten als auch Nudeln aus der bunten Knetmasse hergestellt werden konnten. Und Laura erfreut sich noch zwei Tage später an der ganz anderen Verwendungsart einer Knoblauchpresse. „Was da alles möglich war“, erinnert sich Abigail an erstaunliche Erlebnisse zwei Tage zuvor. Benji hatte an einer der vielen hölzernen Bahnen gearbeitet was er genauso genossen hat wie Sophia und Elena das Formen von Kugelbahnen aus Knet-Schlangen. „Mauern aus Knetmasse haben wir auch gebraucht, damit Kugeln nicht auf andere Bahnen springen“, bringt Simon noch eine weitere Funktion der bieg- und formbaren Masse ein.
Der Kugelbahnbau-Workshop des Kindermuseums, der erste Einsatz mit dem neuen ZOOM-(Elektro-)Mobil regte die Fantasie an, auch zu Hause oder wo auch immer eigene Kugelbahnen zu bauen, tönt’s von vielen Seiten im Sesselkreis. Einige aber hatten schon zuvor welche gebaut. Valentina: „Ich hab schon einmal Küchenrollen aufgeschnitten und aus mehreren eine Bahn gebaut.“ Jakob erzählt, „einmal hab ich zu einem Ausflug mit meiner Mama in den Wald Kugeln mitgenommen, weil ich mir schon vorher vorgenommen habe, aus Holz im Wald eine Kugelbahn zu bauen.“
Apropos Anregungen: Elisabeth, eine Lernbegleiterin (wie hier Lehrer_innen heißen) der A2, hat ein paar Fotos des Workshops auf die Schul-Homepage gestellt – Link unten – und die Eindrücke „Voll schräg!“ betitelt, so nennt das ZOOM Kindermuseum die Kugelbahn-Workshops – das hat sich der Kinder-KURIER für die Überschrift dieses Berichts ausgeborgt.
Trickfilme
Mit weniger Kisten, dafür heikleren Gegenständen tanzten Perihan, Werner und Verena in der B56, einem der Mittelstufen-Cluster (4. bis 6. Schulstufe) an – wie die Mehrstufenklassen in der ILB seit vielen Jahren heißen. Die „heiße“ Ware: Tablets – dazu Stative sowie Verkleidungs-Utensilien. Die ungefähr 9-bis 12-Jährigen drehten – mit der Hilfe der Profis aus dem ZOOM – in diesen nicht einmal zwei Stunden zwei Trickfilme.
Krimis
Unabhängig voneinander dachten sich beide Gruppen, die einen im Medienraum der mehrstufenklasse, die anderen im Stammgruppenraum und vor allem auf dem Gang und im Stiegenhaus Krimis aus. Laura, Yella, Nazarin und ihre Kolleg_innen verwandelten den leeren Medienraum in einer Quarantäne-Woche in einen Tatort. Eine geheimnisvolle Person, durch einen Kapuzenpulli unkenntlich, befördert zwei Schülerinnen vom Leben in den Tod. „Tod ist klasse“ war auch der mehrdeutige Titel, den sie ihrem Trickfilm verpassen wollten. Doch ob’s dabei blieb und er so auf der Homepage des Kindermuseums zu finden sein wird, ist noch offen, wurde doch die Diskussion um den Titel viel heißer als die um den Plot. Da waren sich die beteiligten Schüler_innen schnell einig. Ein Mord muss her, am besten gleich zwei auf einmal. Das erlaubt ein bisschen Grusel, Geheimnis, Action und natürlich muss da auch geschrien werden.
Viele Fotos
Schritt, Klick, Schritt, Klick, Bewegung, Klick. Während die einen vor der Tablet-Kamera Opfer und Mörderin/Mörder – wer weiß das schon? – spielen, beobachten die anderen auf dem Bildschirm des flachen Computers das Geschehen. Davon ausgehend gibt’s hin und wieder Regie-Anweisungen, etwa, dass die Mordperson nicht das ganze Geschehen verdecken dürfe und sich daher eher von der Seite anschleichen müsse. Beim Trickfilm wird nicht im Videomodus mitgefilmt, sondern Bild für Bild aufgenommen. Dafür lassen sich die einzelnen Fotos mit einer App praktisch automatisch zu einem Film zusammenfügen. Daher kleine Schritte und immer Aufnahme – das oben beschriebene „klick“. Damit dabei nicht das ganze Tablet und damit die Kamera ins Wackeln gebracht wird, lösen die Trickfilmer_innen die Fotos über die Laut-Leise-Steuerung der Kopfhörer aus.
Handy-Game als Anregung
Lili, Aldin, Ben, Rosa und Kolleg_innen lassen sich für ihre Krimi-Story, die sie dann vor allem im Stiegenhaus und am Gang spielen, von dem vor allem auf Handys gespielten Game „Among Us“ (unter uns) inspirieren. Eine Art digitales im Weltraum angesiedeltes „Werwolf im Düsterwald“-Spiel. Die jungen Trickfilmer_innen kopieren aber keineswegs das Spiel, auch wenn sie ihren Film letztlich so nennen. Zwei der Wesen verstecken ihre Arme unter den Pullovern. So kommen sie die Stiegen runter, treffen fast auf zwei große Kakteen. Kopf unter Hauben versteckt und hölzerne Kluppen als Stacheln reichen für die entsprechende Verkleidung. Doch ein – zuvor gezeichneter und ausgeschnittener Hund kommt groß ins Bild – die „Among-Us“-Wesen flüchten, der Hund verschlingt einen Kaktus nach dem anderen. …
Für die Schule lernen wir …
Das im Trickfilm-Workshop erworbene Wissen und die Fertigkeiten werden die Kinder und Jugendlichen dieser drei Schulstufen umfassenden Lerngemeinschaft in wenigen Wochen für ganz andere Inhalte einsetzen, schlägt Lernbegleiterin Martina vor – und die Schüler_innen bringen spontan mimisch und akustisch zum Ausdruck, dass sie sich schon freuen, physikalische Phänomene und Themen auf diese Art und Weise zu verarbeiten und präsentieren.
Selbstverständlich läuft auch im Kindermuseum nach wie vor – bis 10. Jänner 2021 – die aktuelle Mitmach-Ausstellung zum Thema Körper: Von Kopf bis Fuß:
Kindermuseum -> Von Kopf bis Fuß
ZOOM Mobil – Das ZOOM bringt’s!
Darüber hinaus hat das ZOOM aber speziell für die nunmehrige Corona-Zeit mit so vielen Einschränkungen, in denen auch (Schul-)Klassen weniger Ausflüge und Exkursionen machen (dürfen), mobile Workshops entwickelt. Mit einem Elektro-Lieferauto kommen künstlerische Mitarbeiter_innen des ZOOM in Kindergärten, Schulen, Parks usw.
Bepackt mit Kisten voller Materialien laden sie aus – und nach kurzen Einführungen können Kinder loslegen – und natürlich auf Unterstützung der Künstler_innen zählen.
Das Angebot ist für alle teilnehmenden Kinder und Jugendlichen übrigens kostenlos, damit eine niederschwellige Teilhabe ermöglicht wird.
Anmeldungen für ZOOM Mobil: (01) 524 79 08 (Barbara Gaupmann)
Andere Angebote für daheim/in der Schule usw.
Trickfilm-ZOOMinar
Webinar-Sessions für Kinder und Jugendliche von 9 bis 14 Jahren
Bis 17. Dezember 2020
Termine: donnerstags 15.15 Uhr
Dauer: 1 ¼ Stunden
Du brauchst: Smartphone oder Tablet, Laptop mit Webcam, Internetzugang
Kindermuseum -> Trickfilmstudio
ZOOM selber machen
Ideen für Kinder und Familien: Hier zeigt das Kindermuseum Anregungen zum Basteln und für andere Aktivitäten in den eigenen vier Wänden – und freut sich, wenn du Zeichnungen, Collagen, Videos oder Texte von deinen Kunstwerken einschickst: atelier@kindermuseum.at