Homöopathie-Debatte: "Diese Methode ist auf Sand gebaut"
Es sind unüberbrückbare Gräben. Auf der einen Seite steht etwa die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz: „Ich bin es wirklich leid, über eine Methode zu diskutieren, die jegliche Rationalität vermissen lässt und deren Grundlage Unsinn ist. Diese Methode ist auf Sand gebaut – da kann man kein Haus aus Beton darauf errichten.“
Auf der anderen Seite steht zum Beispiel der Allgemeinmediziner und Homöopath Erfried Pichler, der seit 21 Jahren Kinder homöopathisch an der Ambulanz für Kinderonkologie im LKH Klagenfurt behandelt. „Meine Erfahrung ist, dass dadurch ihr Immunsystem und ihre Psyche gestärkt werden und sich das positiv auf ihre Leukämietherapie auswirkt.“
Um das Angebot von Homöopathie im öffentlichen Gesundheitssystem ist jetzt eine neue Diskussion aufgeflammt: Die Wien hat die seit vielen Jahren in der Medizinstudenten-Ausbildung angebotene Vorlesung „Homöopathie“ abgesagt, hieß es kürzlich auf der Medizinerplattform nextdoc.at - der KURIER berichtete:
Teilnehmern der Lehrveranstaltung wurde mitgeteilt, „... aufgrund von zahlreichen Beschwerden wird das Wahlfach ... nicht mehr stattfinden“. Unterschiedlich ist die Situation an den anderen öffentlichen Medizin-Unis.
Bundesländer-Blick
– An der MedUni Innsbruck „werden bereits seit geraumer Zeit keine Lehrveranstaltungen im Bereich Homöopathie mehr angeboten“, sagt Sprecherin Doris Heidegger. – An der MedUni Graz gibt es derzeit keine eigene Veranstaltung zur Komplementärmedizin. Aber in verschiedenen Vorlesungen – z. B. zum Thema Schmerzmedizin – sind auch komplementärmedizinische Inhalte enthalten.
– An der MedUni Linz hingegen findet sich im Studienhandbuch ein Wahlmodul Komplementärmedizin, das unter anderem explizit eine Einführung in Homöopathie (und viele andere komplementärmedizinische Verfahren, darunter auch anthroposophische und chinesische Medizin) umfasst. Vortragender ist ein Allgemeinmediziner und Homöopath.
Patientenanwältin Sigrid Pilz lehnt solche Angebote generell ab: „In einem öffentlich finanzierten Gesundheitssystem hat das nichts verloren.“ Feinstofflichkeit hat in der Medizin nichts zu suchen.“
Lange gab es an der MedUni Wien auch eine „Spezialambulanz Homöopathie bei malignen (bösartigen, Anm.) Erkrankungen“. – „Diese Bezeichnung gibt es nicht mehr, es ist eine Spezialambulanz für Komplementärmedizin in der Onkologie“, sagt Herbert Watzke, Leiter der Uni-Klinik für Innere Medizin I. „Bis zu 50 Prozent der Krebspatienten wenden auch komplementäre, ergänzende Verfahren an. Wir beraten sie in der Ambulanz, was sie gefahrlos mit ihrer Anti-Tumor-Therapie kombinieren können, ohne dass Wechselwirkungen zu erwarten sind. Das ist aber nicht als Beratung gedacht, welche Globuli konkret jemand einnehmen könnte.“
Mehr als Placebo?
Geleitet wurde die frühere „Homöopathieambulanz“ von Michael Frass, einem Facharzt für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin und Homöopathie-Spezialisten. Er wollte am Montag keine Stellungnahme abgeben, hat aber schon früher betont, dass in der Vorlesung über Vor- und Nachteile der Homöopathie berichtet wurde. Bei einer Diskussionsveranstaltung 2017 an der MedUni Wien sagte er: „Homöopathie kann mehr als Placebo ... Das zeigt sich in der Praxis immer wieder.“
Der Homöopathie-Kritiker Norbert Aust sieht das anders: „Wenn ich die Etiketten von zwei Fläschchen mit den meisten Verdünnungsschritten abnehme, können sie die zwei Präparate mit keiner Analysemethode der Welt unterscheiden.“
Kritik an Ärztekammer
Patientenanwältin Pilz kritisiert auch die Österreichische Ärztekammer für das Angebot des Diploms „Komplementäre Medizin Homöopathie“: „Das widerspricht jeglicher wissenschaftlicher Vernunft.“ Doris Schöpf, Referentin der Österreichischen Ärztekammer für Komplementäre Medizin, weist das zurück: „Es gibt sehr gute Studien, auch zu Patienten auf Intensivstationen, wo der Placeboeffekt keine Rolle spielen kann.“ Und die Ausbildung für das Diplom sei sehr fundiert und umfasse in drei Jahren 350 Stunden, 200 Stunden Theorie, 150 Stunden Praxis.
Wissenschaftliche Nachweise hin oder her – in Österreich ist Homöopathie weit verbreitet. Mindestens acht Spitalsambulanzen „mit homöopathisch ausgebildeten Ärzten“ gibt es österreichweit – vor allem in den Bereichen Onkologie, Gynäkologie und Kinderheilkunde, knapp 750 Ärzte haben das Homöopathie-Diplom. Pilz: „Außer im deutschsprachigen Raum gibt es diese Verbreitung nirgendwo.“
„Distanzieren uns als MedUni Wien von der Homöopathie“
Interview: Markus Müller ist Rektor der MedUni Wien.
KURIER: Warum hat die MedUni Wien das Wahlfach Homöopathie aus dem Lehrplan gestrichen?
Markus Müller: Diese Lehrveranstaltung war ursprünglich dazu gedacht, das Thema Homöopathie kritisch zu beleuchten. Wir haben dann von mehreren Studenten Rückmeldungen bekommen, dass es eine Werbeveranstaltung für Homöopathie sei. Diesen Beschwerden sind wir nachgegangen. Ebenso wie Aussagen, dass es Untersuchungsergebnisse der MedUni Wien gebe, die angeblich belegen, dass es Patienten besser gehe, wenn sie auch homöopathisch behandelt wurden. Konklusive, also schlüssige und klare Ergebnisse gibt es aber nicht.
Ist es nicht grundsätzlich wichtig, dass sich Medizinstudenten auch mit komplementären Methoden auseinandersetzen?
Natürlich, wichtig ist aber eine kritische Auseinandersetzung mit solchen Methoden, für die ein wissenschaftlich fundierter Wirkungsnachweis fehlt, und kein Anpreisen derselbigen. Und genau diese kritische Diskussion bieten wir auch in verschiedenen Studienmodulen an.
Es gab auch lange Zeit eine Spezialambulanz für „Homöopathie bei malignen Erkrankungen“. Wenden Ärzte, die bei der MedUni Wien angestellt sind, Homöopathie an?
Diese Ambulanz gibt es in dieser Form nicht mehr (siehe links). Als Institution MedUni Wien distanzieren wir uns von der Homöopathie und wollen auch nicht, dass bei uns angestellte Ärzte diese Methode im Rahmen ihres Dienstverhältnisses anwenden. Was sie außerhalb davon in ihrer Ordination machen, ist nicht mehr unsere Zuständigkeit, auch wenn ich es persönlich nicht begrüße. Das Berufsbild der Ärzte muss unbedingt auf wissenschaftlich-fundierten Methoden basieren.