Wo der Sonnenuntergang am schönsten ist
Von Stefan Hofer
Ob Sonnengott Helios bei den Griechen oder Ra bei den alten Ägyptern, ob Inder, Kelten oder Azteken – jede Hochkultur zelebrierte ihren Sonnenkult. Der Wortstamm von Ostern ist nicht von ungefähr mit dem altgriechischen Eos und dem lateinischen Aurora, der Morgenröte, verwandt: Im christlichen Jahreskreis wird der Sonne in der österlichen Zeit, wenn die Tage wieder länger werden und die Auferstehung Jesu Christi gefeiert wird, eine entscheidende Rolle beigemessen. Woher rührt dieser Sinn nach Sonne?
„Vom Wasserfall bis zum Baum in der Savanne – Eindrücke aus der Natur üben eine Faszination aus“, sagt Gerhard Blasche, Gesundheitspsychologe an der MedUni Wien. „Sie binden unsere Aufmerksamkeit, wirken sich positiv auf das Wohlbefinden aus. Speziell die Sonne. Sie signalisiert eine wichtige Zäsur im Verlauf des Tages. Der Tag wird zur Nacht.“
Der mythologische und religiöse Charakter mag zwar für viele Menschen weitgehend verschwunden sein, Sonnenanbeter (nicht nur wegen Vitamin D) gibt’s dennoch zuhauf – da muss man nicht einmal an die sommerliche Nackedei-Variante auf der Wiener Donauinsel oder in der Lobau denken. Blättert man sich durch digitale Bild-Kanäle wie Instagram, könnte man glauben, Urlauber müssen den Daheimgebliebenen stets aufs Neue fotografisch beweisen, dass auch in fernen Ländern die Sonne täglich untergeht. Blasche: „Der Gedanke beim Fotografieren, ‚das muss ich festhalten‘, funktioniert natürlich nicht, da diese Dynamik eben nicht festzuhalten ist.“
„Dynamik und Dramatik spricht uns an“
Wo gibt’s nun den schönsten Sonnenuntergang zu bestaunen? Reisejournalisten aus 46 Ländern wurden kürzlich nach den besten Sonnenuntergangs-Hotspots befragt. Auf Platz eins weltweit landete die griechische Insel Santorin. Auch im Grand Canyon Nationalpark in Arizona spielt das abendliche Naturspektakel alle Farb-Stücke. Auf Platz drei liegt Mykonos – wie Santorin eine Kykladen-Insel in der Ägäis. Am Meer hat man den Vorteil, dass der Horizont tiefer liegt, erklärt Blasche. „Wir können ein Geschehen beobachten, das vor unseren Augen passiert, schnell, in zehn bis fünfzehn Minuten – viel Dynamik und Dramatik. Man sieht die Kugel, die plötzlich unterm Horizont verschwindet. Das spricht uns an.“
Auf dem vierten Platz der Beliebtheitsskala reiht sich der Taj Mahal in Indien ein. Die Fassade des gigantischen Mausoleums aus weißen Marmorplatten leuchtet in der Abendsonne gelblich. Und wer derzeit nicht verreist? Tu Felix Austria, die Sonne über Österreich ist ja dieselbe. Ihr Untergang soll im Frühjahr vom Hahnenkamm in Kitzbühel schön zu sehen sein. Im Sommer biete sich der Kahlenberg in Wien als romantisches Sunset-Plätzchen an. Um die Anziehungskraft musikalisch zusammenzufassen: „Da kummt die Sun i gfrei mi / Des is klass“ sangen STS, eine steirische Version von „Here comes the Sun“ von den Beatles – ihres Zeichens hellster Stern am Pop-Firmament. Weitere Fotos von Sonnenuntergängen auf der ganzen Welt sehen Sie unter kurier.at/reise