Für dieses Hotel in Island zahlen Sie mehr als 1.000 Euro pro Nacht
Von Susanne Lintl
Gluggavedur nennen es die Isländer. Sauwetter. „Fensterwetter“, das nur von drinnen auszuhalten ist. Konkret: Es schneit und stürmt. Ein schneidender Wind kräuselt das Wasser. Der Barmann an der Poolbar, der die Getränke reicht, hat sicherheitshalber einen dicken Daunenanorak angezogen und eine dicke Pudelhaube auf. Vor ihm im Wasser planscht ein asiatisches Pärchen: Bis zum Hals ins 39 Grad warme Wasser getaucht, in Bikini und Badehose, mit weißen Frotteebändern um Stirn und Ohren und in gar nicht frostiger Stimmung sind die Beiden. Kichernd und turtelnd schlürfen sie ihren Sekt und bitten den Schneemann alias Barmann, dass er sie fotografiert. Dann schwimmen sie wieder davon. Ach, das Leben ist schön.
Willkommen im Retreat Hotel in der Blauen Lagune in Island, vierzig Autominuten von der Hauptstadt Reykjavik entfernt. Ein Rückzugsort der Luxusklasse, eingebettet in eine achthundert Jahre alte, moosbedeckte Lavalandschaft, die archaische Kraft in sich birgt. Nah am (heißen) Wasser gebaut und Islands erstes Fünfsternehotel. Im April 2018 eröffnet, hat sich das Retreat in nur eineinhalb Jahren zu einem der gehypten und begehrtesten Spa-Hotels Europas gemausert.
Wer es sich leistet, für einen Tag dorthin zu fahren, merkt rasch: zu Recht. Denn das minimalistische, aber bis ins Detail ausgeklügelte Beton- und Glas-Ensemble des isländischen Architekturbüros Basalt Architects ist ein spektakulärer Markstein in der kargen Landschaft. Während der Bauarbeiten mussten die Architekten ihre Pläne immer wieder an die Gesteinsformationen der widerspenstigen Lavalandschaft anpassen. Versteckte Löcher im Lavagestein tauchten auf, so dicke Brocken, dass es unmöglich war, sie zu entfernen. Die Architekten machten das Beste daraus und sprengten einige. Die restlichen Brocken integrierten sie in den Bau: Der Weinkeller des Hotels ist folglich eine uralte Lavahöhle – bestückt mit edlen Holzregalen, einem langen Verkostungstisch und natürlich mit feinsten Kreszenzen aus aller Welt.
Plantschen in Island: Drei Tipps
Auch das Wohnerlebnis im Retreat ist außergewöhnlich: Die 62 Suiten geben dem Gast das Gefühl, ein Teil dieser archaischen, kraftspendenden Welt zu sein. Es gibt keine Türen – Schlaf-, Wasch- und Wohnbereich fügen sich organisch ineinander. Die bodentiefen Fenster öffnen sich zu den Felsen und Sträuchern hin, hinter dem kastenförmigen Balkon jeder Suite bilden Krater und Kegel eine mystische Aura, die den Blutdruck senkt und die Lebensfreude hebt. Fernseher gibt es hier keinen, Kontemplation ist angesagt. Und es stimmt ja auch, der erwünschte Effekt tritt ein: Im Bett zu liegen und auf diese Natur zu blicken, ist Erlebnis genug. Meditation ohne Guru, ein Verschmelzen mit der Natur. In dieser mystischen Kulisse bereiteten sich einst sogar die Apollo-Astronauten für ihre Mondmission vor.
Dann das Bade-Erlebnis: Die atemberaubende Wasserlandschaft der privaten Retreat-Lagune mit ihrer mineralreichen Wärme wird aus denselben vulkanischen Grundwasservorkommen wie die direkt nebenan liegende Blaue Lagune gespeist. Mit seinen vulkanischen Felsen, Gängen zum Durchschwimmen und kleinen Brücken bietet dieses faszinierende Gewässer den Gästen ein beeindruckendes Erlebnis. Neunhundert Quadratmeter stehen den Retreat-Gästen exklusiv zur Verfügung. Eine riesige Fläche, auf der man sich nie mit anderen Gästen in die Quere kommt. Ein Einswerden mit Wasser und Felsen. Ein Eintauchen in Wärme und Geborgenheit und das Gefühl, für diese kurze Zeit des Verweilens ein Teil der Lagune zu sein.
Wem das Ganze zu meditativ ist, der kann durch ein kleines, unscheinbares Türchen vom Hotel zum öffentlichen Teil der Blauen Lagune schlüpfen und sich unters Volk mischen. Dort ist Hochbetrieb – und zwar bei jedem Wetter. Denn der Besuch der Blauen Lagune ist augenscheinlich für jeden Island-Besucher ein Muss. Ein wichtiger Tipp: Besorgen Sie sich vor Ihrem Besuch in der Blauen Lagune eine wasserfeste Hülle fürs Handy. Denn hier lohnt es sich wirklich zu fotografieren: den Trubel, den wabernden Nebel, die Masse der Badenden und die, die sich außerhalb des Wassers – dick verhüllt wie Nordpolfahrer – um sie kümmern.
Auf dem Weg zu samtweicher Haut
Aus dem Wasser geht es – wieder zurück im Retreat – direttissima in den Spa: Drei Meter tief in den vulkanischen Felsen gebaut erwartet den Gast eine wärmende, von Kerzen erleuchtete Wellness-Höhle. Freundliche Instruktoren weisen den Spa-Novizen in „das Ritual“ ein: eine mehrstufige Prozedur zur Erlangung samtweicher Haut. Einer reinigenden Dusche folgen Behandlungen mit isländischen Essenzen aus Kieselerde, Algen und Mineralien. Jeder Durchgang benötigt Einwirkzeit, die in gemütlichen Nischen abgesessen werden kann, und Muße. Am Ende dieses entschleunigenden Pflegerituals wird der Gast mit dem Teint eines Babys belohnt. Wer danach noch Lust auf mehr hat, geht in eine der geräumigen Saunakammern oder ins Dampfbad mit Blick auf die Privat-Lagune.
Nach diesem intensiven Wellness-Erlebnis ist erst einmal Pause angesagt: ein Rückzug in die Suite, um zu ruhen und sich frisch zu machen. Bald meldet sich der Hunger. Nordische Küche vom Feinsten serviert das Fine-Dining-Restaurant „Moss“. Das Sieben-Gänge-Menü umfasst isländische Spezialitäten wie Langustinensuppe oder in Birken- und Wacholderholz geräuchertes Lamm. Zum Dessert lieben die Isländer Eis – in diesem Fall serviert zu einem Reisküchlein mit Mandeln und Beeren. Probieren Sie zum Abschluss unbedingt den hervorragenden isländischen Käse. Die einheimischen Weine sind erdig bis holzig – und sehr teuer wie alles hier.
Wer wie wir in der kalten Jahreszeit die Wikingerinsel besucht, kann damit rechnen, in der Nacht aus dem Bett geklingelt zu werden. Schnell den Mantel übergeworfen, in die Schuhe geschlüpft und hinaus ins Freie. Ein Polarlicht zu sehen und sich dabei im Arm zu halten ist einfach ein ultimativ romantisches Erlebnis. Etwas Berückendes, das man als Mitteleuropäer nicht oft im Leben zu sehen bekommt.
Der einzige Haken beim Retreat Hotel ist der Preis: Er ist mit rund 1.200 Euro pro Nacht exorbitant hoch. Zum Glück ist das Hotel aber auch für Personen zugänglich, die es nur für einen Tag besuchen. Tagesgäste, die die Blaue Lagune in einer persönlichen und distinguierten Umgebung erleben möchten, sind zum Baden und im Spa herzlich willkommen. Ein Tag, der sich – wie die, die schon dort waren, bestätigen können – auszahlt.
Anreise
Wizz Air fliegt mehrmals die Woche direkt zwischen Wien und Reykjavík. wizzair.com
-Kompensation hin/retour: 13,25 € via climateaustria.at
Übernachten
Das Retreat Hotel bietet neben seinen exquisiten Spa-Behandlungen und dem Schwimmvergnügen in der privaten Lagune auch geführte Wandertouren, Yogasessions oder Weinverkostungen an. Das Personal liest den Gästen jeden Wunsch von den Augen ab. Die Preise für eine Nacht in einer Suite (es gibt nur Suiten im Hotel) beginnen bei ca. 1.170 Euro.
Tageseintritt
Wer sich diesen hohen Preis nicht leisten kann, sich aber trotzdem einmal das Erlebnis in der Lagune gönnen möchte, kann einen sogenannten Day Visit buchen. Den gibt es ab 230 Euro – je nachdem, welches Spa-Package man dann noch dazu bucht, erhöht sich der Preis.
Auskunft
bluelagoon.com