Leben/Reise

Australische Traumstrände auf dem Kamel

Sand in Sicht! Mehlfein, 22 Kilometer lang, fast ohne Fußsohlen-Piesacker-Steine. Nur hier und da stecken ein paar Sonnenschirme im Sand. Der Cable Beach entlang der nordwestaustralischen Stadt Broome ist mit Dauer-Abo in den Top Ten der Down-Under-Strände. Benannt nach dem von hier aus 1889 in Richtung Java verlegten Untersee-Telegrafenkabel, hat der Cable Beach sogar eine Wassertreppe: Bei ruhiger See brechen die Wellen hier nicht, sondern kommen wie zwei, drei, manchmal vier Stufen aufeinandergeschichtet angerutscht. Ein Phänomen, das nur an manchen Tagen zur Geltung kommt – aber erst später, wie in dieser Geschichte.

Jetzt hat einmal Burke seinen Auftritt in der Strand-Dämmerung – mit einer Slapstick-artigen Choreografie aus mahlendem Unterkiefer und vier in Zeitlupe vorwärts trottenden Beinen. Unmöglich für die beiden Touristen auf seinem Kamelrücken, bei Burkes Geschaukel ein wackelfreies Bild vom immer feuriger glühenden Sonnenball zu machen, der binnen weniger Minuten im Meer zu versinken scheint. Gut, dass es Max gibt, einen der Kamel-Koordinatoren. Er lenkt nicht nur Burke, Clancy, Ned und die anderen Höckertiere den Cable Beach entlang, sondern schnappt sich auch runter gereichte Kameras und schießt damit aus jedem nur erdenklichen Winkel Postkarten-Fotos der Karawane vor untergehender Sonne. Eine schöne Erinnerung, in Broome allerdings eine kurze.

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Sie wird von „Space Gandalf“ zerstört, einem Hünen mit weißem Bart und ebensolcher Mähne, weshalb Twitter-Fans ihn zum Zwilling des grauen „Herr-der-Ringe“-Zauberers adelten. Dieser Space Gandalf alias Greg Quicke erzählt seinen Zuhörern kurz nach Sonnenuntergang, dass dieser gar nicht existiere. Die Wortwahl und Sichtweise sei aus einer Zeit, als die Menschen ihre Erde für eine Scheibe hielten, hinter deren Rand die Sonne versinke. Gut, schon mal gehört im Physik-Unterricht, fünfzehn Kilometer außerhalb von Broome ist die neuerliche Abschaffung des Sonnenuntergangs das gut gesetzte Intro zu „Gregs Astroshow“ auf einer rotsandigen Lichtung mitten im Busch. Siebzehn Teleskope stehen hier und ein Tribünen-Halbkreis mit 120 Sitzen, alle rundum drehbar, um sich jederzeit jedem Stern, jeder noch so kleinen Schnuppe ohne Nacken-Verrenkung zuwenden zu können. Aus einem aufklappbaren Anhänger gibt es warmen Kakao und typisch australische Anzac-Kekse mit Haferflocken und Kokosnussraspeln, aus den Mini-Boxen am Rand der kaum eine Treppenstufe hohen, von roten Kerzen umrahmten Drei-mal-drei-Meter-Bühne plaudert die leise, sanfte Stimme von Space Gandalf.

Wie ein älterer, aber sehr engagierter Geografielehrer steht der 58-Jährige da, nur dass sein Thema nicht Erd- sondern Himmelskunde ist und sein Zeigestock ein Laserpointer mit XXL-Reichweite. Mit ihm zeichnet er am Nachthimmel die Erdachse nach, um die Sonnenuntergangstheorie zu entzaubern, dann startet er eine zweistündige, spannende Achterbahnfahrt durchs prallvolle, glitzernde Sternenmeer: vorbei am Sternbild Orion, den Australiern besser bekannt unter dem Spitznamen „Sauce Pan“. Rüber zu Wega und in die Milchstraße. Kurzer Stopp beim Stern mit dem Namen „Zubenelgenubi“ und seinem Bruder „Zubeneschamali“, dem einzigen, mit bloßem Auge sichtbaren grünen Stern. „Ach ja“, sagt Gandalf dann, „und da, genau unter Andromeda, da steht der Toilettenwagen dieser Show – für alle Fälle ...“

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Sprechender Stern

Greg, inzwischen ein Star im australischen TV und in BBC-Dokus, bittet wie jeder gute Lehrer nicht nur zum Frontal-Unterricht, sondern nach seinem Laserpointer-Intro alle Gäste an die Teleskope. Etwa, um der minimal 38 Millionen Kilometer entfernten Venus etwas näher zu kommen (hat die Farben der niederländischen Flagge) oder dem riesigen, noch weiter entfernten Jupiter (ein größerer Punkt mit drei kleineren – der vierte Mond soll später aufgehen). Kaum ein anderer Ort in Australien bietet an mehr als 300 Tagen so zuverlässig wolkenfreie Sicht auf so viele Sterne wie Broome. Welcher sein Liebling sei, will ein Besucher von Greg wissen. „Arcturus“, antwortet er, „der hellste Stern des Nordhimmels, einer der größten und 36,66 Lichtjahre entfernt, aber der spricht trotzdem mit mir“, schiebt Space Gandalf geheimnisvoll hinterher.

Greg hat sich sein Sternenwissen selbst beigebracht, in seiner Zeit als Lastwagenfahrer. Und Automechaniker. Und Meeresbiologe (nach zwei Semestern abgebrochen) sowie Perlentaucher. Damit konnte man Anfang der 1980er-Jahre noch ganz gutes Geld verdienen in Broome. Der Perlenboom aber war da schon 50 Jahre lang vorbei. Bis zur Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er kamen zeitweise fast achtzig Prozent aller Perlmutt-Knöpfe weltweit aus Broome, der Stadt links oben in Australien. 3.500 Taucher, zunächst Aborigines als Sklaven, dann vor allem Malayen und Japaner, drangen von 400 Booten aus für die Pinctada maxima, die silberlippige Perlenmuschel, in immer größere Tiefen vor und kamen dabei vielfach in ihren schweren Anzügen mit Bleifüßen ums Leben. Broomes Historical Museum zeigt diesen Teil der Stadtgeschichte eindrucksvoll, Straßenzüge in Chinatown voller Perlengeschäfte erinnern daran – heute mit Zuchtperlen in der Auslage.

Zwei Straßen weiter: „Sun Pictures“, das älteste, noch regelmäßig laufende Open-Air-Kino der Welt. Eine Art Lagerhalle, mit Holzwänden an drei Seiten, offen nach vorne zur Leinwand, die hinter einem akkurat gepflegten Rasen liegt. Unter dem vom Holzständerwerk gestützten Wellblechdach sitzen bis zu 250 Zuschauer in Liegestühlen und auf mitgebrachten Decken auf dem Rasen vor der Leinwand. Bitte unbedingt Insekten-Spray mitbringen, rät die Webseite des Kinos. 1916 flimmerte hier live vom Pianisten begleitet der erste Stummfilm, 1933 dann der erste mit Ton, da bat ein Ansager alle Hundebesitzer, ihre Kläffer zu Hause zu lassen, damit auch für die Ohren der Zuschauer ungestörter Filmgenuss garantiert war. Bis 1974 bekamen sie in Broomes „Wet Season“ von Oktober bis März nasse Füße, weil der Zuschauerraum im Monsun-Regen schon mal knietief volllief. Man krempelte dann Kleider oder Hosenbeine hoch und schaute weiter.

Denn zum Wasser haben die Menschen in Broome ein besonders enges Verhältnis: Es zaubert zuverlässig an zwei bis drei Tagen pro Monat ein einmaliges Naturphänomen vor die Kameras: „Staircase to the Moon“. Dabei fällt bei Ebbe Vollmondschein auf das Watt des Indischen Ozeans, und die Lichtspiegelung sieht aus, als reiche eine Treppe am Horizont hoch zum Mond. Die Illusion entsteht, weil das Wasser stufenartig auf den Strand zuläuft – einen der schönsten Australiens. Das musste noch einmal gesagt werden.

Klimafreundliche Anreise
Emirates fliegt über Dubai nach Perth, von dort mit Qantas nach Broome. Wer die -Emissionen kompensieren will, zahlt via climateaustria.at ab Wien hin und zurück 80,30 €

Übernachten
Cable Beach Resort & Spa, Broome, Apartment-Anlage, direkt am Strand. DZ/F ab
133 €, cablebeachclub.com

Essen und Trinken
Das kleine Restaurant The Aarli in Broomes Chinatown bietet asiatisch angehauchte Gerichte, viele davon für zwei: theaarli.com.au
Im Zanders at Cable Beach hat man Blick auf den Strand, australische Küche mit französischen und asiatischen Einflüssen, gute Salate und Bowls: zanders.com.au

Programm
– Kamelreiten z. B. mit Red Sun Camels, jeden Abend kurz vor Sonnenuntergang mit Begrüßungsdrink. Dauer ca. eine Stunde, Preis ca. 55 €. redsuncamels.com.au
– Gregs Astroshow: Von April bis Oktober, 16 Kilometer östlich von Broome. Einfahrt beim Schild „500m to Wilderness Park“, ca. 46 €, Infos unter astrotours.net
– Die meisten Perlen-Händler gibt es an der Straße Dampier Terrace, vieles zur Geschichte der Perlenfischerei im Broome Historical Museum. Eintritt ca. 8 €,  broomemuseum.org.au

Allgemein
Interaktive Westaustralien- Karte mit vielen Zielen und hinterlegten Infos unter  westernaustralia.com