Warum Kaffee aus Lupinen, Löwenzahn und Dinkel Zeitgeist ist
Von Anita Kattinger
In vier Monaten wird der steirische Landwirt über ein Feld mit weißen Blüten schreiten, auf die dicken grünen Schoten mit Samen blicken und dabei an eine heiße Tasse Kaffee denken. Als der leidenschaftliche Kaffeetrinker vor vier Jahren seinen Betrieb umstellen wollte, begann er mit Kaffeebohnen-Alternativen zu experimentieren.
Die nussigen, cremigen Karamell-Nuancen von Lupinen-Kaffee faszinierten ihn am meisten. Mittlerweile baut Johann Krois drei bis vier Hektar südlich von Graz mit der Eiweißpflanze an und erntet rund drei Tonnen im Jahr: Heuer folgt eine weitere Fläche, damit er Kaffee-Reserven für schlechte Erntejahre anlegen kann.
Die genügsame Pflanze braucht nur wenig Pflanzenschutz, ist aber anfällig für eine Pilzkrankheit. Lupinen gehören zur Gattung der Schmetterlingsblütler innerhalb der Familie der Hülsenfrüchte: Seit mehr als 2.000 Jahren sind sie im Mittelmeerraum heimisch.
Nach der Ernte werden die Samen getrocknet, gereinigt und in einem Heißluftröster bei rund 220 Grad 15 Minuten lang geröstet, damit die Restfeuchtigkeit entweicht. Ein gutes Kilogramm Lupinensamen braucht Krois für ein Kilogramm seines Steirerkaffees, der in mehr als 30 Geschäften gelistet ist und online erhältlich ist.
Getränke aus Pflanzenteilen kannten schon die Alten Babylonier und Ägypter. Die ersten Fabriken aus Zichorien entstanden in Deutschland bereits Ende des 18. Jahrhunderts. Kaffeeersatz aus Zichorien, Getreidearten und Feigen waren auch in Österreich in mageren Zeiten weit verbreitet. Hierzulande galt Linz mit der Feigenkaffeefabrik Titze und einer Zichorien-Kaffeesurrogat-Fabrik im 19. Jahrhundert als Hauptstadt für Kaffeeersatz.
"Anders in Deutschland, da war Kaffee aus Lupinen ein großes Thema: In Ost-Deutschland gab es große Röstereien. Erst nach dem 2. Weltkrieg und weil der Import-Kaffee immer billiger wurde, geriet die Lupine in Vergessenheit. Auch weil sie von Eiweißpflanzen wie Soja, die ertragreicher sind, als Futterpflanze verdrängt wurde."
Löwenzahnwurzeln schmecken preisverdächtig
Dass Kaffee-Alternativen trendig sind, bewies das Waldviertler Unternehmen Sonnentor Anfang März: Auf der weltweit größten Messe für ökologische Konsumgüter wurde der "Falsche Kaffee" aus Löwenzahnwurzeln zum "Best New Product" in der Kategorie Getränke gekürt. Obwohl Kaffee aus Löwenzahnwurzeln in Österreich durchaus Tradition hatte, musste das Unternehmen erst um eine Zulassung ansuchen. Denn bis vor zwei Jahren galten geröstete Löwenzahnwurzeln für die Behörden nicht als Lebensmittel.
Die Ernte der Wurzeln erfolgt im März und im November: Idealerweise findet die Ernte vor der Blüte des Löwenzahns statt, denn dann schmecken die Wurzeln süßer. Nach der Ernte werden sie gewaschen, geschnitten, getrocknet, geröstet, zerkleinert, gesiebt und abgefüllt. Aus rund 9,5 Kilogramm frischen Wurzeln kann ein Kilogramm getrocknete Löwenzahnwurzeln gewonnen werden.
Nach der weiteren Verarbeitung ergibt das 600 Gramm Kaffeeersatz. Herauskommt ein süßlicher Aufguss, der eine leichte Säure hat und optisch wie Kaffee aussieht.
Bio-affine Konsumenten wollen Kaffee aus Österreich kaufen
Die Landwirte Gisela und Johann Zauner setzen seit zehn Jahren auf Dinkelkaffee aus Eigenanbau: "Wir dachten damals, wir bauen selbst Dinkel an, trinken Dinkelkaffee: Es kann also nicht so schwer sein, seinen eigenen Dinkelkaffee zu rösten. Da haben wir uns geirrt." Die größte Schwierigkeit ist, dass sich je nach Ernte der Dinkel beim Rösten anders verhält.
Das Paar betreibt in Handenberg im oberen Innviertel eine Mischlandwirtschaft und baut auf rund zwei bis drei Hektar Dinkel an. Nach der Ernte röstet es die Dinkelkörner eine Stunde lang bei rund 160 Grad. Nach dem Abkühlen wird er zwischengelagert und zu Filterkaffee vermahlen: "Anders als Bohnenkaffee hat Dinkelkaffee keinen Ölgehalt, daher verhält er sich beim Aufbrühen anders und eignet sich nicht für Vollautomaten. Auf der anderen Seite raucht er nicht aus und ist sehr lange haltbar." Das Gleiche gilt übrigens für Lupinenkaffee.
Mittlerweile verkauft Familie Zauner via Webshop Rösterreich ihren Dinkelkaffee auch mit Zimt-Geschmack, um die Bitterstoffe zu neutralisieren, oder mit Kardamom, damit er bekömmlicher ist. Seit Kurzem gibt es auch einen Lupinenkaffee, weil Kunden öfters nach einer glutenfreien Alternative fragten.
Jahrelang galt Kaffeeersatz als wässriger Muckefuck für die ältere Generation, die auf Koffein verzichten muss. Laut Johann Zauner sind es aber die Bio-affinen Konsumenten, die nach regionalen Bohnen-Alternativen suchen. Lupinen-Landwirt Krois kann das nur bestätigen: "Es ist Zeitgeist, wissen zu wollen, wer es macht und wo es herkommt. Außerdem schmeckt‘s."