Wiener ÖVP-Funktionäre beklagen Mitarbeiterschwund
Wie geht es mit der Wiener ÖVP weiter? Das fragen sich nach dem Polit-Beben, das zuletzt die Bundespartei erschütterte, wohl viele. Nicht ganz zu Unrecht, gilt doch die Stadtpartei als die „türkiseste“ unter den Landesgruppen.
Während anderswo Landesfürsten aus der Vor-Kurz-Ära ihr Selbstbewusstsein demonstrieren, ist die Verbundenheit der Wiener zum Kanzler offenkundig: Mit Finanzminister Gernot Blümel steht einer der Vertrauten von Sebastian Kurz an der Spitze.
Markus Gstöttner, weiter Vize-Kabinettschef im Kanzleramt, sitzt im Gemeinderat. Es ist kein Zufall, dass die Wiener einst die ersten waren, die die Parteifarbe von Schwarz auf Türkis änderten.
Dennoch: An den zuletzt heftig gestreuten Gerüchten, Blümel werde den Parteivorsitz abgeben, dürfte nichts dran sein – auch wenn gegen ihn die Staatsanwaltschaft ermittelt. Blümel ist derzeit aber noch das geringste Problem der zweitstärksten Partei im Rathaus. Seit Langem unüberhörbar ist das Murren über die Führungsebene darunter. Sprich: über die Landesgeschäftsführerin Bernadette Arnoldner und Klubchef Markus Wölbitsch.
Verunglückte Kampagnen
„Es besteht Luft nach oben“, schildert ein Funktionär angesichts der seit Monaten sinkenden Umfrage-Werte und verunglückten Kampagnen. Er erinnert an jene, in der Arnoldner die ermordete 13-jährige Leonie als „Opfer des Wiener Systems“ bezeichnete. Das kam nicht einmal parteiintern gut an.
(Mit-)Verantwortlich dafür, dass zuletzt „der Zug zum Tor“ fehlte, ist laut mehreren Funktionären die hohe personelle Fluktuation. Innerhalb eines Jahres verloren Klub und Landespartei mindestens acht Mitarbeiter – darunter Menschen, die seit Jahren für die ÖVP gearbeitet hatten. Die Liste der personellen Abgänge liegt dem KURIER vor.
Die Abgänge verärgern die Funktionäre aus ganz unterschiedlichen Gründen. Da wären einmal die Referenten, die sich unter anderem mit den Themen Klima oder Stadtplanung beschäftigt haben. Drei von ihnen haben sich neue Jobs gesucht, unter anderem in der niederösterreichischen Schwesterpartei. Dadurch gehe in Wien sehr viel Know-how verloren, wird befürchtet.
Dass auch Pressesprecher abgesprungen sind, erklärt man sich mit dem schwierigen internen Klima und dem Themenmangel. „Die Krone urteilte letztens, dass das spannendste Thema aus der ÖVP sei, dass Markus Wölbitsch jetzt Wölbitsch-Milan heißt. Man kann es keinem verübeln, weil es ja stimmt“, urteilt ein Funktionär.
Keine Auftritte ohne "die Chefs"
Gleichzeitig sei es nicht gern gesehen, wenn Funktionäre aus der dritten Reihe (etwa Gemeinderäte) ohne „die Chefs“ in den Medien auftreten – obwohl es da durchaus Ambitionen gebe. Die Abgänge, die aber am meisten irritieren, sind jene hinter den Kulissen. Eine Sekretärin und ein (beliebter) Chauffeur sind nicht mehr für den Klub tätig.
In der ÖVP selbst sieht man auf Anfrage keine ungewöhnlich hohe Fluktuation. Bei anderen Wiener Parteien sehe es genauso aus, rechnet man dem KURIER vor. Der Parteichef selbst soll den Blick der Beobachter bald wieder auf Inhalte lenken. Mit einer „Wien Rede“ wendet er sich am 20. Oktober an die Bevölkerung.