Chronik/Wien

Türkischstämmige Streetworker sollen Randale verhindern

Es waren chaotische Zustände, die vorigen Sommer das Bild von Favoriten nachhaltig prägten: Nationalistische türkischstämmige Jugendliche, die linke und kurdische Demonstranten anpöbelten, Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper flogen durch die Luft. Über mehrere Tage stand die Polizei im Dauereinsatz, um die Brennpunkte unter Kontrolle zu halten.

Damit es nicht mehr so weit kommt, will man das Problem seitens des Bezirks nun an der Wurzel packen. Mit zwei innovativen Ideen.

Zum einen schwebt der Favoritner SPÖ und den Neos ein „Jugendzentrum“ für junge Erwachsene vor. Und zum anderen schlägt die in der türkischen Community verwurzelte Kleinpartei SÖZ kultursensible Jugendarbeit vor. Also Sozialarbeiter, die aus demselben Umfeld kommen wie die Randalierer. Oder auch entsprechend ausgebildete Tschetschenen, die gezielt tschetschenische Jugendliche betreuen.

Ähnliche Herkunft

Bei der für Jugendarbeit zuständigen MA13 heißt es zwar, das mehrsprachige Angebot der Stadt wäre bereits kultursensibel. Für SÖZ-Obmann Hakan Gördü reicht es aber nicht aus, dass ein Sozialarbeiter, der Austrotürken betreut, Türkisch spricht.

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„Der Unterschied wäre, dass der Sozialarbeiter im Fall der kultursensiblen Jugendarbeit aus derselben Community wie die Jugendlichen käme; dass er denselben sozialen und religiösen Background hätte. Es geht darum, die Weltsicht der Jugendlichen zu kennen, um sie genau dort abholen zu können“, meint Gördü.

Dazu komme, dass die türkischstämmigen Jugendlichen, die im Vorjahr randalierten, laut eigenen Aussagen keinen Draht zu herkömmlichen Sozialarbeitern aufgebaut hätten. Diese seien ihnen zum Teil mit politischen Vorurteilen begegnet oder hätten nur Smalltalk geführt.

Sie bräuchten Streetworker, „zu denen sie aufschauen können“, sagt Gördü. Um die Akzeptanz der Zielgruppe zu erhöhen, bedürfte es zudem der Kooperation mit der Zivilgesellschaft – etwa mit türkischen Vereinen, die die Sinnhaftigkeit einer solchen Jugendarbeit bestätigen.

Angebot für junge Erwachsene nötig

In Favoriten wird nun in der zuständigen Bezirkskommission geprüft, ob dieses Modell überhaupt praxistauglich ist. Bei der MA13 reagiert man auf monokulturelle Betreuung allerdings skeptisch. „Da hab ich lieber vielfältige Teams. Wenn ich jemanden verstehen möchte, dann versteh ich ihn auch, ohne denselben Background zu haben“, glaubt Landesjugendreferent Karl Ceplak.

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Interessanter findet er den Vorstoß von SPÖ und Neos – das Jugendzentrum für junge Erwachsene, wie es etwa Bezirkschef Marcus Franz (SPÖ) vorschwebt. „Wir müssen Druck aus dem öffentlichen Raum nehmen und brauchen einen Ort, wo Leute aus verschiedenen Kulturkreisen betreut werden, die für herkömmliche Jugendzentren zu alt sind“, so Franz. Finanzieren müsse dies – genau wie die kultursensible Jugendarbeit – die Stadt.

Für perspektivenlose junge Erwachsene, die sowohl Migrationshintergrund haben als auch aus den Bundesländern nacn Wien kommen, bedürfe es tatsächlich zusätzlicher Angebote, sagt Ceplak. „Vielleicht nicht in Form eines klassischen Jugendzentrums, aber etwa in mobiler Form mit einer Andockstation.“