Rund 50.000 Teilnehmer: Großer Zulauf zu Anti-Rassismus-Demo
Die #BlackLivesMatter-Bewegung ist spätestens am heutigen Donnerstag in Wien angekommen - und zwar mit größerer Unterstützung als gedacht. Rund 50.000 Menschen kamen laut Polizei zu der Demonstration, die sich gegen Rassismus und Polizeigewalt stellte. Nach Demo-Beginn um 17 Uhr seien alle zehn Minuten 5.000 Menschen hinzugekommen, teilte die Exekutive mit.
Schon vor dem Start der Demonstration versammelten sich am Platz der Menschenrechte beim Museumsquartier mehrere hundert Menschen, um sich mit den Protesten gegen rassistische Polizeigewalt in den USA zu solidarisieren. "Black Lives Matter", das heißt: Schwarze Leben zählen.
Auf den Schildern war der berühmte Spruch mit Hashtag zu sehen, aber auch andere Sätze wie "Silence is not an option" ("Schweigen ist keine Option"). Die Demo führte vom Platz der Menschenrechte zum Karlsplatz, wo austro-afrikanische Politiker und Aktivisten unter lautem Beifall Reden hielten.
Unerwarteter Zustrom
Laut Polizei waren 3.000 Demonstranten angemeldet worden, 160 Beamte sollten die Demo begleiten und auch die Straßensperren sichern. Um 20 Uhr bestätigte die Polizei dem KURIER und anderen Medien allerdings rund 50.000 Teilnehmer. Gegen 18.30 Uhr hatte die Exekutive als vorläufige Schätzung noch 15.000 Teilnehmer angegeben.
Die Proteste verliefen friedlich, viele Teilnehmer zeigten sich vom Zustrom begeistert. Die Regel, aufgrund der Corona-Gefahr mindestens einen Meter Abstand zu anderen zu halten, wurde aber wegen Platzmangels weitgehend nicht eingehalten.
"In anderen Ländern waren diese Proteste teils heftig, aber wir gehen davon aus, dass es friedlich bleibt", sagte Polizeisprecher Markus Dittrich im Vorfeld der Demo zum KURIER. Während der Demo hatte die Wiener Polizei auf ihren Fahrzeugen dann auch den aus den USA bekannten Hashtag eingeblendet.
Von US-Polizisten getötet
Der Afroamerikaner George Floyd war Ende Mai bei einem äußerst brutalen Polizeieinsatz in der amerikanischen Stadt Minneapolis getötet worden. Er hat nach Angaben eines anwesenden Freundes bei seiner Festnahme keinerlei Widerstand geleistet. Ein Video von dem Polizeieinsatz erschütterte die USA.
Rassismus in Österreich alltäglich
"Wir demonstrieren gegen Rassismus." Auf der ganzen Welt gebe es Ungerechtigkeit gegenüber Schwarzen, sagt etwa Keddy zum KURIER.
Auch in Österreich gebe es Probleme, zum Beispiel bei der Arbeitssuche. "Dann komme ich zum Vorstellungsgespräch, und wenn sie meine Hautfarbe sehen, muss ich wieder gehen", sagt sie. Auch bei Kindergartenplätzen oder im Gymnasium gebe es Probleme, berichtet ihre Freundin.
Demo-Teilnehmerin Emine sagt zum KURIER: "Ich finde es problematisch, dass in einem demokratischen Land Menschen von Polizisten umgebracht werden, die sollten uns beschützen."
"Warum sollten wir nicht hier sein?", fragt ihre Freundin Lara. "Wir sind alle Menschen, alle sollten gleich behandelt werden", das wolle sie bei der Demo ausdrücken. Rassismus habe es aber schon immer gegeben, auch in Österreich, man müsse immer wieder darauf aufmerksam machen.
Erinnerung an Omofuma
Als Startpunkt des zunächst als Kundgebung geplanten Protests, der erst wegen der zahlreichen Zusagen zur Demo umgewandelt worden war, wurde übrigens just jener symbolische Platz in Wien gewählt, an dem das Marcus-Omofuma-Denkmal steht. Der nigerianische Ayslwerber war 1999 bei einer Abschiebung nach Sofia von Polizisten getötet worden.
"Wir stehen heute hier am Menschenrechtsplatz, am Marcus-Omofuma-Platz. Omofuma ist einer der tragischsten Fälle von Polizeigewalt in Österreich. Er und viele andere sind ein Symbol für den strukturellen Rassismus, den es hier in Österreich gibt und der leider auch in brutale Gewalt ausarten kann. Wir sind heute hier, um gegen diesen strukturellen Rassismus aufzutreten", sagte Mireille Ngosso, stellvertretende Bezirksvorsteherin (SPÖ) im ersten Bezirk und Aktivistin.
Polizeipräsident: Kein Grund für Auflösung
Ein Thema war in der Presse und den sozialen Medien auch bald, wie die Demo mit den Abstandsregeln zum Schutz vor dem Coronavirus in Einklang zu bringen gewesen sei. Zwar trugen zahlreiche Teilnehmer Schutzmasken, die empfohlene Distanz wurde aufgrund des unerwarteten Zulaufs aber vielfach nicht eingehalten.
Laut dem Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl habe trotzdem kein Grund bestanden, die Versammlung aufzulösen. Die Polizei hätte nur einschreiten können, wenn die Gesundheitsbehörden entsprechende Maßnahmen getroffen hätten, erklärte Pürstl am Abend der APA.
Natürlich gelte im öffentlichen Raum die Abstandsregel von einem Meter, so Pürstl. Im Falle einer genehmigten Demonstration mit 50.000 Teilnehmern sei deren Verletzung aber eine Verwaltungsübertretung, welche die Versammlung mit sich bringe - ähnlich wie das Betreten der Fahrbahn -, und daher kein Grund, die Versammlung aufzulösen. Bei der Demonstration waren nur einige Tausend Teilnehmer erwartet worden. "Aber auch wenn es weniger gewesen wären, hätte dies nichts am Ergebnis geändert", so der Polizeipräsident.
Andere Gesetzeslage als im April
Anders sei dies bei der Demonstration Ende April gegen das Corona-Maßnahmenpaket der Bundesregierung gewesen. "Das war noch vor den Lockerungsverordnungen", führte Pürstl aus, und der Veranstalter damals habe eine Versammlung von fünf bis zehn Personen angemeldet und dann, als mehr Menschen kamen, "die Versammlung selbst nicht mehr im Griff gehabt".
Durch die Novellierung des Epidemiegesetzes danach sei festgelegt worden, dass die Gesundheitsbehörden Auflagen für Versammlungen vorgeben können.