Das sind die neuen Maßnahmen für Wien ab 1. Oktober
Von Josef Gebhard
Im Kampf gegen die Pandemie behält Wien weiterhin seinen Sonderweg mit strengeren Regeln als in den anderen Bundesländern. Nach der mittlerweile schon zur Routine gewordenen Beratung mit seinen medizinischen Experten gab Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Dienstag weitere Verschärfungen bekannt.
"Einerseits wollen wir damit die Impfquote heben, andererseits die Regeln klarer und nachvollziehbarer machen", betont Ludwig. Denn zuletzt habe in der Bevölkerung erhebliche Unsicherheit geherrscht, welche Regeln wo gelten würden.
Ab 1. Oktober gelten daher (vorerst für einen Monat) folgende Bestimmungen:
Bars, Nachtgastronomie: Hier besteht künftig die 2-G-Regel. Das heißt: Zutritt haben nur noch Geimpfte und Genesene. Für die dort Beschäftigten gilt hingegen die sogenannte 3-G-Regel. Sie bedeutet: Geimpft, genesen oder mittels PCR-Test getestet.
Zusammenkünfte ab 500 Personen: Auch sie sind in Wien künftig der 2-G-Regel unterworfen. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Zusammenkunft im Freien oder in einem geschlossenen Raum handelt und ob es zugewiesene Sitzplätze gibt oder nicht. Mit einem Test alleine kommt man so etwa nicht mehr in die Staatsoper, ins Burgtheater, die (ausverkaufte) Josefstadt, ins Konzerthaus oder in den Musikverein. Für Beschäftigte in diesem Bereich gilt ebenfalls die 2-G-Regel.
Vereinheitlichung: Überall dort, wo bisher die 3-G-Regel gültig war, wird auf 2-G verschärft. Das heißt, dass beispielsweise für die Gastronomie keine Antigentests, sondern nur noch PCR-Tests als Eintrittstests gültig sind.
Handel: Hier muss man als Kunde generell und ohne jegliche Unterscheidung eine FFP2-Maske tragen.
Kinder unter 12: Für sie gibt es keine Änderungen zu den bestehenden Regeln. Das heißt: Sie gehören zu den wenigen, für die überhaupt noch Antigentests als Eintrittstests gültig sind.
Grundsätzlich sei es aber das Ziel, die Antigentests zurückzudrängen, wie Ludwig betont. Denn sie seien ungenauer, mit ihnen ließen sich – im Gegensatz zu den PCR-Tests – keine neuen Virusvarianten aufspüren.
Geht es nach dem Bürgermeister, sollte am Arbeitsplatz eine 3-G-Regel eingeführt werden. Besser wäre auch hier eine 2-G-Regel. Dies müsse jedoch vom Bund verordnet werden.
Dass die Maßnahmen angesichts der zuletzt wieder leist gesunkenen Inzidenz-Zahlen übertrieben sind, weist Ludwig zurück. Die vorliegenden Prognosen würden von einem weiteren Anstieg der Infektionszahlen ausgehen, erst Ende Oktober oder Anfang November werde der Höhepunkt erreicht.
Zusätzlich will Ludwig beim Impfen verstärkt spezielle Zielgruppen ansprechen, allen voran Jugendliche. In diesem Zusammenhang kritisiert Ludwig die FPÖ, die glaube, Corona mit Vitaminen bekämpfen zu können. Aber auch die ÖVP, die im Sommer verkündet habe, die Pandemie sei gemeistert. "Sie betrifft vielmehr auch Geimpfte, weil mittlerweile wieder Operationen verschoben werden müssen."
Weniger Klassensperren
Entspannt hat sich indes die Lage an Wiens Schulen. Waren in der Vorwoche noch mehr als 600 Klassen wegen Corona-Fällen in Quarantäne, waren es mit Stand Montag nur noch 319, heißt es im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). "Es dürfte jetzt das eingetreten sein, was wir vorausgesagt haben: Die Altlasten aus Haushalts- und Reiseinfektionen haben wir zu Schulbeginn herausgefischt. Das Schulgeschehen dürfte geringer sein als das, was wir aufgespürt haben", sagt ein Sprecher. In der dritten Schulwoche seien viele Klassen wieder aus der Sperre zurückgekehrt.
Dass man sich neuerdings aus der 14-tägigen Quarantäne nach fünf Tagen heraustesten kann und dass bei einem Infektionsfall nicht mehr die ganze Klasse gesperrt wird, sei jedenfalls nicht der Hauptgrund für den Rückgang, ist der Sprecher überzeugt. Viele würden die Freitest-Möglichkeit gar nicht nutzen, betont er. "Und bei zwei positiven Fällen wird die Klasse ja auch weiterhin automatisch gesperrt."
Kritik vom Handel
Kritik kam postwendend vom Handelsverband. Man nehme die neuen Corona-Maßnahmen für die Bundeshauptstadt mit "großer Verwunderung" zur Kenntnis, hieß es in einer Aussendung. Die Wiener Regelungen würden auch zu einer Verschärfung für Geimpfte führen, obwohl der Bund wiederum anderes signalisiert und selbst Bürgermeister Ludwig eine Erhöhung der Impfquote als oberste Prämisse ausgegeben habe, beklagte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer Stellungnahme.
Analysen hätten gezeigt, dass der Handel kein Corona-Hotspot sei, versicherte er: "Ungeachtet der wissenschaftlichen Fakten müssen sich die Wiener Geschäfte nun erneut auf eine Verschärfung der Maskenpflicht einstellen, die keinerlei Auswirkung auf das Infektionsgeschehen haben wird." In der Gastronomie treibe wiederum "2,5G" die Komplexität der Corona-Regeln in luftige Höhen. Österreich werde zum Europameister der Komplexität in der Corona-Bekämpfung.
Die FPÖ wetterte gegen eine "Impfpflicht durch die Hintertür". Wien habe die schärfsten Corona-Maßnahmen und trotzdem die höchsten Zahlen, wunderte sich Wiens FP-Chef Dominik Nepp. "Diese Unsinnigkeiten nun weiter zu verschärfen wird nicht zum Ziel, die Impfquote zu erhöhen, führen." Auch nun davor zu warnen, dass das Personal in den Spitälern ausgebrannt sei, sei eine "Frotzelei" dieser Berufsgruppen. Denn dort leide man seit Jahren unter massivem Personalmangel.
Bundestheater zufrieden
Zustimmung zur neuen Corona-Regelung kam hingegen von den Bundestheatern, die mit dem Burgtheater, der Staatsoper und der Volksoper jeweils Kapazitäten von über 500 Besuchern haben. "Wie in der Vorwoche klargestellt, befürworten die Geschäftsführungen der Österreichischen Bundestheater geschlossen die 2G-Regelung", sagte Holding-Chef Christian Kircher auf APA-Anfrage.
"Es sind strenge, aber notwendige Maßnahmen, unser Ziel ist und bleibt die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs." Eigene Erhebungen würden zeigen, dass die Impfquote der Besucherinnen und Besucher der Bundestheater bereits bei ca. 90 Prozent liege. "Dennoch ist es für eine Einschätzung über die wirtschaftlichen Auswirkungen derzeit noch zu früh", räumte Kircher ein.
Häme aus der ÖVP
Für Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ist es verständlich, dass Wien reagieren muss - angesichts der österreichweit höchsten Inzidenz, der höchsten Intensivbettenbelegung und der niedrigsten Impfquote im Osten, wie sie festhielt. "Es ist wichtig, dass auch in Wien die Infektionszahlen sinken, so wie im bundesweiten Trend", meinte sie in einer Aussendung.
Die niedrige Impfquote (Wien liegt unter den neun Bundesländern an fünfter Stelle, Anm.) mache weitere Maßnahmen notwendig: "Wenn man trotz extrem hoher Werbeausgaben und ständiger Inszenierung im Vergleich zu Niederösterreich und den burgenländischen Nachbarn eine geringere Impfquote aufweist, darf man sich nicht wundern, wenn man härtere Maßnahmen setzen muss." Ludwig sei gefordert, eine höhere Impfquote zu erzielen als die Schuld bei anderen zu suchen. Ludwig hatte bei der Präsentation der Maßnahmen einmal mehr kritisiert, dass der Bund, wie er befand, die Pandemie für beendet erklärt und auf größere Impfkampagnen verzichtet habe.
Stufe 5
Seit Montag gilt in Wiens Spitälern Stufe 5 des 9-stufigen Corona-Krisenplans. Das heißt:
Die Zahl der Patienten mit Corona ist so hoch, dass planbare Operationen verschoben oder in Privatspitäler verlagert werden müssen
86 Covid-Patienten
werden aktuell in Wiens Spitälern intensivmedizinisch versorgt. 214 liegen auf der Normalstation, schildert Michael Binder, medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbunds. Das Durchschnittsalter der Patienten liegt bei 48 Jahren