Ein Wiener Kulturgut in Bedrängnis: Aus für Heurigenlokal Probushof
Ist der Wein in Gefahr, dann wird der Wiener nervös. Das ist zumindest das Klischee. Woher es rührt, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Heiligenstadt.
Das Heurigenlokal Probushof in der gleichnamigen Gasse hat vor Kurzem zugesperrt. Und das hat den Döblinger Bezirksteil – Stichwort Heurigensterben – doch etwas in Aufruhr versetzt.
Eine lokale Bürgerinitiative ortete sogleich eine Verschwörung zwischen Christian Ebner – seines Zeichens Probushof-Inhaber, Hotelier und Ex-Strabag-Vorstand – sowie dem Nachbar-Heurigen Muth, hinter dem der frühere FPÖ-Mandatar Detlev Neudeck steckt.
„Es sei zu befürchten, dass die beiden „gemeinsame Sache“ machen und ihre Liegenschaften verkaufen, damit dort Wohnungen gebaut werden können, hieß es.
Die Betroffenen bestätigen das auf Nachfrage nicht. „Ich habe den Heurigen gerade auf zehn weitere Jahre verpachtet“, sagt Neudeck.
Etwas kryptischer ist Ebner: „Jetzt ist mal zu und ich bin auf Urlaub“. Ob er verkaufe oder ein anderes Lokal aufziehe, wisse er noch nicht. „Ein Heuriger wird es sicher nicht mehr.“ Der Grund, den Probushof aufzugeben, seien ständige Beschwerden von Nachbarn wegen Lärms gewesen.
Als Ebner das Lokal im Jahr 2019 von seinem Vorgänger Werner Welser übernahm, wurde das bejubelt. Denn dass aus einem Heurigen wieder ein Heuriger wird, ist – besonders in Döbling – eher unüblich.
Nur noch 38 Heurige
Nimmt man es genau, stimmt diese Rechnung zwar nicht ganz: Im Probushof gab es zwar Wiener Wein (etwa von Zahel, Wieninger oder Kroiss), aber keinen aus hauseigener Produktion.
Per Definition war das Lokal daher kein „richtiger“ Heuriger. Für den Gast ist das aber ohnehin schwer zu unterscheiden. Und so bleibt übrig: Der 19. Bezirk hat einen Heurigen weniger.
Heuriger und Buschenschank
Der Begriff Heuriger ist nicht geschützt, daher kann er beliebig verwendet werden. Oft wird er als Synonym für Buschenschank gebraucht. Diese befindet sich laut Gesetz am „Erzeugungsort“ von Wein. Dort dürfen nur kalte Mahlzeiten und nur Getränke aus dem eigenen Betrieb serviert werden, die Öffnungszeiten sind stark beschränkt.
Regeln im Lockdown
Erlaubt sind Ab-Hof-Verkauf und Take-away von Speisen. Im Folgenden eine Auswahl an Betrieben, die dies anbieten:
Herrgott aus Sta
16., Speckbachergasse 14
Seit dieser Woche bietet die Ottakringer Institution Speisen und Getränke zur Abholung an. Do. bis Sa. von 12 bis 18, So. von 11 bis 17 Uhr
Heuriger Kierlinger
19., Kahlenbergerstraße 20
Kümmelbraten, Schnitzel, Backhendl und andere Spezialitäten zum Mitnehmen, Stand mit offenem Kinderpunsch und Glühwein in Flaschen. Fr., Sa. u. So. von 14 bis 19 Uhr.
Fuhrgassl-Huber
19., Neustift am Walde 68 Speisenabholung vom Schnitzel bis zu Heurigenplatte und Wein im Ab-Hof- Verkauf. Fr. bis So., von 12 bis 19 Uhr
Zum Martin Sepp
19., Cobenzlgasse 34
Heurigenschmankerl, Kümmelbraten und Kaiserschmarrn zum Abholen. Täglich von 12 bis 19 Uhr
In Zahlen ausgedrückt stellt sich die Situation so dar: Gab es in Döbling in den 90ern noch 52 Heurige, waren es im Jahr 2010 lediglich 45 und im Vorjahr gar nur noch 38. Laut Landwirtschaftskammer, von der diese Angaben stammen, sind die Daten aber mit Vorsicht zu genießen.
Erstens hätten die Magistratischen Bezirksämter aus Datenschutzgründen aufgehört, die Buschenschank-Anmeldungen automatisch an die Kammer weiterzugeben. Deshalb könnte die tatsächliche Zahl der Heurigen 2020 höher gewesen sein.
Zweitens seien die Betriebe früher kleiner gewesen und hätten oft nur wenige Wochen geöffnet gehabt. Da sich das verändert habe, sei das Angebot in Summe gleich geblieben.
Für ganz Wien ist die Kammer daher dazu übergangen, die Zahl der Betriebe auf rund 100 zu schätzen. Kurzum: Von einem Heurigensterben will man nicht reden.
Wöchentliche Versuchung
Anders Matthias Kierlinger, Winzer und Chef des Weinbauvereins Nußdorf: „Bei uns merkt man, dass es weniger wird“, sagt er. Das Hauptproblem sei Spekulation mit Grundstücken. „Ich bekomme fast jede Woche ein Angebot.“
Dass Döbling besonders betroffen sei, erklärt sich Kierlinger so: Im Unterschied zu anderen Heurigengebieten sei man mit den Öffis relativ gut erreichbar. Weiters sei Döbling eine historisch gewachsene Sommerfrische-Gegend, was womöglich zusätzlich anziehe.
Er hat auch eine Idee, wie man das Problem lösen könnte. Um Grundstücksspekulation mit Weingärten zu unterbinden, hat die Stadt gesetzlich verfügt, dass Weingärten als solche bewirtschaftet werden müssen. Eine solche Regel brauche es auch für Heurige, so Kierlinger.
Dann hätte niemand einen Grund, nervös zu sein.